Julius Fürst (Orientalist)

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Julius Fürst (1870)

Julius Fürst (geboren am 12. Mai 1805 in Zerkow bei Posen; gestorben am 9. Februar 1873 in Leipzig) war ein deutscher Orientalist.

Fürst wuchs in einer tiefreligiösen Familie in einfachen Verhältnissen auf. Diese erwartete zunächst, dass der Sohn dem Vater im Rabbinerberuf nachfolgen sollte und ermöglichte ihm eine entsprechende, traditionelle jüdische Ausbildung. Ohne deutsche, dafür aber mit polnischen, lateinischen und exzellenten hebräischen Sprachkenntnissen ging er als 15-jähriger nach Berlin, um dort ein Gymnasium zu besuchen.[1]

Grabstätte Julius Fürst

Anschließend studierte Fürst in Berlin (bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel), Breslau und Halle (bei Wilhelm Gesenius). Er wurde ein anerkannter Gelehrter für semitische Sprachen sowie ein Vertreter der Haskala. Sein Forschungsfeld umfasste im Wesentlichen semitische Linguistik und Literatur sowie die Geschichte des Vorderen Orients.

Da er in Berlin keine angemessene akademische Stellung erhielt und erwarten durfte, übersiedelte Fürst 1833 nach Leipzig. Für Leopold ZunzBibelausgabe übersetzte er 1838 die Bücher Daniel und Esra. 1840 bis 1851 gab er die jüdisch-aufklärerische Wochenzeitschrift Der Orient heraus. Er gehörte 1848 dem Vorparlament an.[2]

Seit 1839 hielt Julius Fürst Vorlesungen und wurde 1857 als Lector publicus für aramäische und talmudische Sprachen an der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig eingestellt. Eine Professur erhielt er erst 1864, als erster Jude, der an der Universität Leipzig lehrte. Bis zu seinem Tod erhielt er nicht die sächsische Staatsbürgerschaft und blieb ausländischer Schutzjude.[3]

Im Juli 1839 heiratete Julius Fürst die aus Köthen (Anhalt) gebürtige Theresa, geborene Tschopik (* 1814).[4] Der gemeinsame Sohn Jacob Paul Livius Fürst (1840–1907) wurde ein bedeutender Kinderarzt an der Leipziger Universität und gründete später eine eigene Klinik; 1893 wurde er Sanitätsrat in Berlin. Seine Töchter, die Enkelinnen von Julius Fürst, waren die Bildhauerin Else Fürst (1873–1943, in Theresienstadt ermordet) und die Violinistin Helene Julia Fürst (1877–1944, in Auschwitz ermordet).

Als Julius Fürst gestorben war, wurde eine mehrstündige Trauerfeier angesetzt.[5] Julius Fürst wurde auf dem Alten Israelitischen Friedhof in Leipzig beigesetzt, Abt. 1 rechts, Wandgrab Nr. 10, lfd. Nr. 5, Grabstelle Nr. 2. Die Grabstelle existiert noch.[6] Seine umfangreiche Bibliothek konnte durch eine Spende von der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin erworben werden.[7]

Mitunter wurde Julius Fürst mit dem Berliner Schriftsteller Joseph Fürst verwechselt, der seinerseits Briefe nur mit „J. Fürst“ unterzeichnete;[8] diese Fehlzuschreibung wurde inzwischen durch einen Handschriftenvergleich richtiggestellt.

  • Librorum Sacrorum Veteris Testamenti Concordantiae Hebraicae atque Chaldaicae. Tauchnitz, Leipzig 1840.
  • Hebräisches und Chaldäisches Schulwörterbuch über das Alte Testament. Tauchnitz, Leipzig 1842.
  • Bibliotheca Judaica. Bibliographisches Handbuch der gesammten jüdischen Literatur mit Einschluss der Schriften über Juden und Judenthum und einer Geschichte der jüdischen Bibliographie. 3 Bände. Engelmann, Leipzig 1849 (Band 1), 1851 (Band 2), 1863 (Band 1–2, neue Ausgabe 1863) und (Band 3, neue Ausgabe 1863) [alle Google Books].
  • Hebräisches und chaldäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. 2 Bde. Tauchnitz, Leipzig 1857/61, 2. Aufl. 1863 (Digitalisat).
  • Geschichte des Karäerthums. 3 Bände. Leiner, Leipzig 1862 (Band 1), 1865 (Band 2), 1869 [alle Google Books].
  • Biblia germanica et hebraica. Illustrirte Prachtbibel für Israeliten. Payne, Leipzig 1874.
  • Jakob Auerbach: Fürst, Julius. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 211–213.
  • Katharina Vogel: Der Orientalist Julius Fürst (1805–1873). Wissenschaftler, Publizist und engagierter Bürger. In: Dan Diner (Hrsg.): Leipziger Beiträge zur jüdischen Geschichte und Kultur 4. Universitätsverlag, Leipzig 2006, S. 41–60.
  • Katharina Vogel: Julius Fürst (1805–1873). In: Gerald Wiemers (Hrsg.): Sächsische Lebensbilder. Band 6 (Teilband 1: A–K), Steiner, Stuttgart 2009, S. 257–276.
  • Carsten Schapkow: Der Orient. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 4: Ly–Po. Metzler, Stuttgart/Weimar 2013, ISBN 978-3-476-02504-3, S. 437–441.
  • Nora Pester: Julius Fürst. In: Dies.: Jüdisches Leipzig. Menschen – Orte – Geschichte. Hentrich & Hentrich, Berlin u. a. 2023, ISBN 978-3-95565-562-4, S. 63f.

Einzelnachweise

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  1. Julius Fürst – Jüdische Gelehrte an der Universität Leipzig. Abgerufen am 27. Mai 2022 (deutsch).
  2. Simone Lässig: Jüdische Wege ins Bürgertum. Göttingen 2004, S. 90.
  3. Katharina Vogel: Der Orientalist Julius Fürst (1805–1873). Wissenschaftler, Publizist und engagierter Bürger. In: Dan Diner (Hrsg.): Leipziger Beiträge zur jüdischen Geschichte und Kultur 4. Universitätsverlag, Leipzig 2006, S. 57.
  4. Julius Fürst. In: JJIS - Journal Juden in Sachsen, Mai/Juni 2009 (Web-Ressource).
  5. Leipzig, 12. Februar (Nachdruck aus dem Leipziger Tagblatt) in: Israelitische Wochen-Schrift für die religiösen und socialen Interessen des Judenthums, Jg. 4, Nr. 8, 19. Februar 1873, S. 60 (Web-Ressource).
  6. Silvia Hauptmann: Erstellung einer Datenbank „Alter Israelitischer Friedhof zu Leipzig“. Langzeitprojekt der Ephraim-Carlebach-Stiftung, Leipzig (Web-Ressource (pdf)).
  7. J. Elbogen, J. Höninger: Festschrift zur Einweihung des eigenen Heims. Berlin, am 22. Oktober 1907, S. 56 (Web-Ressource).
  8. Vgl. seine Briefe und diejenigen Julius Fürsts an Karl August Varnhagen von Ense, sowie die Rubrizierung beider unter Fürst, Julius in: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Geordnet und verzeichnet von Ludwig Stern, Behrend: Berlin 1911, S. 251 (Digitalisat).
Commons: Julius Fürst – Sammlung von Bildern