Justizkanzlei Schwerin
Das Gebäude der ehemaligen Justizkanzlei Schwerin und ein zugehöriges Hofgebäude in Schwerin, Stadtteil Schelfstadt, Schelfmarkt/Schelfstraße 35, sind Baudenkmale in Schwerin. Sie werden seit der Wende durch Anwaltskanzleien, Praxen und Firmen genutzt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schelfstadt, ursprünglich die Schelfe, seit 1349 auch Neustadt, entwickelte sich seit dem 11. Jahrhundert als zunächst selbstständiger Ort. Im Jahre 1705 erhielt sie das Stadtrecht. Ein späteres Baureglement schrieb die Traufständigkeit und die Höhe der Häuser vor.[1]
Auf dem Grundstück stand zunächst ein dreigeschossiger, staatlich genutzter Fachwerkbau mit einem Mansardwalmdach aus dem 18. Jahrhundert auf gewölbtem Feldsteinfundament. Im Jahre 1812 wurde vom Herzog angeordnet, diese Dienstwohnung des Geheimratspräsidenten Friedrich von Oertzen umzubauen.[2] Das Gebäude auf einem Sockelgeschoss wurde 1813 nach Plänen von Hofbaumeister Johann Georg Barca zu der zweigeschossigen 10-achsigen Justizkanzlei Schwerin ergänzt und umfassend umgebaut. Es gab in Mecklenburg damals zudem Justizkanzleien in Güstrow, Neustrelitz und Rostock.
Im Jahre 1837 kam an Stelle der Fachwerkfassade der klassizistische renaissancehafte Fassadenvorbau mit den Rundbogenfenstern, dem Tor und dem kräftigen Gesims nach Plänen von Hofbaumeister Georg Adolf Demmler. Die Justizkanzlei verblieb hier bis zum September 1878 und zog dann in die Paulsstadt (Wismarsche Straße 133) um.
Das Gebäude wurde nach 1991 saniert. Heute (2020) befinden sich hier Anwaltskanzleien, Firmenbüros und das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Das sanierte zweigeschossige 14-achsige Fachwerkgebäude im Hof wird u. a. durch ein Augenzentrum genutzt. Hinter den beiden Gebäuden entstanden bis 2016 vier Stadtwohnhäuser nach Plänen von Rimpel Leifels Architekten.
Behördengeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Schwerin bestand die Kanzlei der Grafen von Schwerin bzw. ab 1358 der Herzöge zu Mecklenburg bzw. Mecklenburg-Schwerin.[3] Mit der Schweriner Rats- und Kanzleiordnung vom 23. Oktober 1569 wurde die Organisation der Verwaltung und Rechtsprechnung neu geordnet und die Justizkanzlei Schwerin entstand als Teil der Schweriner Kanzlei. Sie entwickelte sich zu einem Gericht, welches dem Hof- und Landgericht zu Güstrow nachgeordnet war. Ab der Zweiten Mecklenburgischen Hauptlandesteilung 1621 war das Gericht für den Besitz der Schweriner Linie zuständig, der Hamburger Vergleich von 1701 systematisierte den Zuschnitt der Mecklenburger Teilherzogtümer und regelte die Zuordnung des Besitzes von Mecklenburg-Güstrow. Damit erweiterte sich der Sprengel der Justizkanzlei Schwerin. Am 1. Oktober 1818 wurde das Oberappellationsgericht Parchim für beide Mecklenburgischen Staaten als Oberappellationsgericht gegründet. 1840 wurde es nach Rostock verlegt.
Gerichte zweiter Instanz waren die Justizkanzleien Schwerin (mit verkleinertem Sprengel), Güstrow und Rostock.[4] Mit der Verordnung zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 vom 31. Mai 1879 wurden die Änderungen der Reichsjustizgesetze umgesetzt. Die bisherigen Gerichte, darunter die Justizkanzlei Schwerin, wurden aufgehoben und es wurden 43 Amtsgerichte, drei Landgerichte (darunter das Landgericht Schwerin) und ein Oberlandesgericht geschaffen.[5]
Richter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich von Oertzen (1802–1818)
- Maximilian von Liebeherr (ab 1845)
- Fedor Spangenberg (1876–1879)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Katharina v. Pentz: Johann Georg Barca (1781–1826) – Hofbaumeister in Ludwigslust. Betrachtungen zu Leben und Werk. Dissertation, Hamburg 2010. (Volltext)
- August Johann Carl zur Nedden: Beiträge zur Geschichte der Großherzoglichen Justiz-Canzlei zu Schwerin. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, 1880 und 1881. (Digitalisate und Volltext: 1880, 1881).
- Wilhelm Jesse: Geschichte der Stadt Schwerin. Schwerin 1913, S. 363.
- Horst Ende, Walter Ohle: Schwerin. E. A. Seemann, Leipzig 1994. ISBN 3-363-00367-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Amt für Bauen, Denkmalpflege und Naturschutz: 300 Jahre Schelfstadt – 15 Jahre Stadterneuerung. Schwerin 2006.
- ↑ Zur Nedden: „Nach dem unter dem 8. Mai 1812 ergangenen Befehl wurde die Dienstwohnung des Geheimratspräsidenten v. Oertzen zum Canzleigebäude wiederum bestimmt, baulich und ihrer inneren Einrichtung nach wieder hergestellt und im April 1813 bezogen“.
- ↑ Für die Geschichte der Kanzlei Schwerin siehe: Wilhelm Grohmann: Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin und der Herzöge von Mecklenburg=Schwerin im Mittelalter; In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 92 (1928), S. 1–88. Digitalisat.
- ↑ Großherzoglich Schwerinischer Staatskalender, 1837, S. 74 f., Digitalisat
- ↑ Verordnung zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 vom 31. Mai 1879; in: Regierungsblatt für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin 1879 Nr. 20, S. 131 ff., Digitalisat.
Koordinaten: 53° 38′ 3,1″ N, 11° 25′ 3,9″ O