Käfigpanzerung
Als Käfigpanzerung (englisch slat armor, cage armor, bar armor oder standoff armor) wird ein zusätzlicher Schutz für die Panzerung von zumeist militärischen Fahrzeugen bezeichnet.
Funktionsweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch eine feste Käfigkonstruktion aus Metall um das Fahrzeug herum sollen Hohlladungsgeschosse (bspw. aus Panzerabwehrhandwaffen wie der RPG-7) vor dem Auftreffen auf die eigentliche Panzerung unschädlich gemacht werden. Die Wirkungsweise beruht auf der Konstruktion der abzuwehrenden Projektile mit einem Piezoelement in der Spitze, das beim Aufschlag einen elektrischen Impuls an den Bodenzünder der Hohlladung sendet. Trifft das Projektil in eine Lücke im Gitter, so löst das Piezoelement nicht direkt aus, beim Eindringen in das Gitter wird aber das Projektil beschädigt. Zwei Mechanismen können eine effektive Wirkung des Projektils verhindern:
- Ein elektrischer Kurzschluss zwischen dem inneren Metallkonus und der äußeren aerodynamischen Abdeckung kann verhindern, dass das elektrische Signal den Initialzünder im Boden des Projektils erreicht.
- Die konische Metallauskleidung und die Sprengladung der Hohlladung können beim Auftreffen auf das Gitter so verformt werden, dass sich bei einer Zündung der panzerbrechende Stachel nicht ausformt.[1]
Trifft der Zünder allerdings frontal auf einen Gitterstab, wirkt die Hohlladung in ihrer normalen Funktion. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projektil abgewehrt wird, wird je nach Rahmenbedingungen wie etwa der Maschengröße und dem Aufschlagwinkel, zwischen 30 %[2] und 70 %[3] angegeben. Starre Käfige aus Metallprofilen haben gegenüber Netzen bei schrägem Auftreffen in der Horizontalen einen höheren Wirkungsgrad und sie können im Feld leichter repariert werden. Nachteilig ist ihr höheres Gewicht.[1]
Der Käfig ist leichter (und billiger) als andere Zusatzpanzerungen. Nachteilig ist das vergleichsweise geringe Schutzspektrum: die Käfigpanzerung wirkt nur gegen bestimmte Hohlladungsgeschosse; andere Munitionsarten werden nicht beeinflusst.
Das britische Unternehmen BAE Systems entwickelte ab 2007 eine leichte Aluminiumkonstruktion (LROD bzw. L-ROD). Diese wird laut Unternehmensangaben u. a. bei der US Army eingesetzt und ist nur halb so schwer wie herkömmliche Stahlkäfige, bietet aber den gleichen Schutz.[4][5]
Anwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Käfigpanzerung wurde im Zweiten Weltkrieg eingeführt, um der Bedrohung durch Panzerabwehrhandwaffen des Typs Panzerfaust und Bazooka zu begegnen. Die vor allem für die Panzerkampfwagen III, IV, V und Sturmgeschütze verwendeten Seitenschürzen aus 5 mm starken Stahlplatten wurden ab Ende 1943 auch aus dickem Maschendraht ausgeführt. Die Gründe waren Gewichtsersparnis beim Fahrzeug, Materialersparnis bei der Fertigung sowie die Tatsache, dass die Bedrohung durch Panzerbüchsen mit Voll- oder Hartkerngeschossen weniger wog als die durch Panzerabwehrwerfer mit Hohlladungsgeschossen.
Es wurden am Ende des Krieges in Berlin auch einige sowjetische T-34/85 mit Gittergeflecht an Wanne und Turm ausgestattet, die gegen deutsche Panzerfäuste helfen sollten. Ähnliches ist von Alliierten bekannt, die bei Paris den Maschendraht von Kleintierkäfigen an ihren Panzern anbrachten, um einen Schutz vor Hohlladungen und Panzerfäusten zu haben.
Im Vietnamkrieg verwendete das US-Militär RPG-Netze, im Prinzip Maschendrahtzäune, welche zum Schutz gepanzerter Fahrzeuge in festen Stellungen vor diesen positioniert wurden. Anstatt wie ursprünglich gedacht das Geschoss frühzeitig zu zünden und durch den erhöhten Abstand zwischen Hohlladung und Ziel dessen Wirkung zu verringern, stellte sich hier die oben beschriebene entschärfende Wirkungsweise ein. Um beispielsweise einen M113 durch die Abstandswirkung vor einer RPG7 zu schützen, müsste diese 3,6 m (12 Fuß) vor diesem gezündet werden.[6]
Die alliierten Streitkräfte griffen im Irakkrieg auf die Käfigpanzerung zurück, um die anhaltende Bedrohung durch von Aufständischen eingesetzte RPG-7 zu neutralisieren. So findet dieses Schutzkonzept vor allem bei Fahrzeugen des Typs Force Protection Buffalo MPV, MRAP Category III, General Dynamics Stryker Armored Vehicle und dem Schützenpanzer Warrior Anwendung.
Die für den Afghanistaneinsatz von den kanadischen Streitkräften ausgeliehenen Kampfpanzer Leopard 2A6M und Bergepanzer Büffel (BPz 3) der Bundeswehr wurden ebenfalls mit der Käfigpanzerung versehen. Im Ukrainekrieg rüsteten die russischen Streitkräfte teilweise T-72-Kampfpanzer mit Käfigpanzerung oberhalb des Turms zum Schutz gegen Drohnenangriffe und Panzerabwehrwaffen wie das amerikanische Javelin-System nach. Der militärtechnische Informationsdienst Janes.com berichtete bereits im Januar 2022, noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar desselben Jahres, von entsprechenden Sichtungen.[7][8][9] In diesem Zusammenhang wurde der Begriff „cope cage“ (engl. in etwa „emotionale Unterstützungspanzerung“[8][10][11][9]) gebildet, in dem zum Ausdruck kommt, dass dieser Form der im Feld improvisierten Panzerung mehr psychologische als tatsächliche Schutzwirkung zugesprochen wird.[12] Auch Panzerung aus Maschendraht, welche vermutlich von den Truppen im Feld improvisiert wurden um die zunehmenden Drohnenangriffe von oben abzuwehren, tauchten auf beiden Seiten auf, etwa montiert auf Challenger 2[13] und BM-21 Grad[14].
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rolf Hilmes: Meilensteine der Panzerentwicklung: Panzerkonzepte und Baugruppentechnologie. Hrsg.: Motorbuch. 1. Auflage. Stuttgart 2020, ISBN 978-3-613-04277-3, S. 221 ff.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Marek Szudrowicz: Analysis of bar and net screens structure protecting vehicles against anti-tank grenades fired from RPG-7. In: Journal of KONES Powertrain and Transport. Band 18, Nr. 1, 2011, S. 639–644.
- ↑ Paweł Żochowski, Paweł Podgórzak: Numerical analysis of effectiveness for vehicle net systems protecting against shaped charge projectiles. In: Military Institute of Armament Technology (Hrsg.): Issues of Armament Technology. Band 139, Nr. 3, 2016, S. 23–37, doi:10.5604/01.3001.0010.0533.
- ↑ Robert Panowicz, Tadeusz Niezgoda: Experimental Studies on Protection Systems of Military Vehicles against RPG Type Missiles. In: Solid State Phenomena. Band 240, 2016, ISSN 1662-9779, S. 244–249, doi:10.4028/www.scientific.net/SSP.240.244 (scientific.net [abgerufen am 28. April 2022]).
- ↑ The MRAP Cage Fight ( vom 19. Januar 2008 im Internet Archive)
- ↑ BAE’s L-ROD Cage Armor. In: Defense Industry Daily. 17. August 2012, abgerufen am 20. November 2021 (englisch).
- ↑ TRADOC Bulletin 3. Soviet RPG-7 Antitank Grenade Launcher. ARMY TRAINING AND DOCTRINE COMMAND FORTMONROE VA, 1. November 1976 (dtic.mil [abgerufen am 10. September 2022]).
- ↑ Tim Ripley: Russian air assault division fields tanks with cage screens. In: janes.com. 7. Januar 2022, abgerufen am 17. Mai 2022 (englisch).
- ↑ a b Russian tanks in Ukraine are sprouting cages. In: The Economist. ISSN 0013-0613 (economist.com [abgerufen am 25. März 2023]).
- ↑ a b What to know about the role Javelin antitank missiles could play in Ukraine’s fight against Russia. In: Washington Post. 22. März 2022, abgerufen am 25. März 2023 (englisch).
- ↑ Igazi tankszörnyet zsákmányoltak az ukránok. Abgerufen am 25. März 2023 (ungarisch).
- ↑ How Ukraine is using a powerful weapon that is too difficult for Russians to detect. In: ABC News. 9. März 2022 (net.au [abgerufen am 25. März 2023]).
- ↑ Russian tanks in Ukraine are sprouting cages. In: The Economist (Onlineausgabe). 19. März 2022, abgerufen am 28. Oktober 2022 (englisch).
- ↑ David Axe: Ukraine’s Powerful 82nd Brigade, Once Held In Reserve, Has Finally Joined The Counteroffensive. Abgerufen am 18. August 2023 (englisch).
- ↑ 16 BM-21 Grad MLRS equipped with anti-drone grilles spotted in Russia | Ukraine - Russia conflict war 2022 | analysis focus army defence military industry army. Abgerufen am 18. August 2023.