Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von KPD/RZ)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum
Partei­vorsitzender Hans Joachim Grimm
General­sekretär Judith Jahnke
Stell­vertretende Vorsitzende Stephan „Mao“ Meyer, Alex Zielke, Riza A. Cörtlen
Bundes­schatz­meister Rolf Götze
Gründung 18. September 1988
Gründungs­ort Berlin
Auflösung 2016
Haupt­sitz Berlin
Mitglieder­zahl ca. 400
Website www.kpd-rz.de

Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum (Kurzbezeichnung: KPD/RZ) war eine von 1988 bis 2016 existierende Kleinpartei in Berlin-Kreuzberg, die als Spaßpartei eingeordnet wurde. Sie bezeichnete sich als die einzige demokratische Massenpartei der extremen Mitte.

Die Kiezpartei KPD/RZ begann als humorige Kolumnistenfraktion der Autonomen namens „MuZ“ (Menschenverachtend und Zynisch),[1] In Erscheinung trat sie zuerst mit einer kostenlos verteilten Zeitung namens RZ, deren Erstausgabe am 1. April 1989 erschien und elf weitere folgten.[2][3]

Mitarbeiter waren:

Später trat die KPD/RZ zu Wahlen an. Spitzenkandidaten waren unter anderem Norbert Hähnel und Bela B. Dessen Band Die Ärzte zählte neben der Terrorgruppe zu den parteinahen Berliner Musikgruppen. Letztere nahm unter dem Namen Stadtteilgruppe die Wahlkampf-Single Kreuzberg zuerst! auf.

Die KPD/RZ organisierte 1993 einen unbefristeten Hungerstreik vor dem Postamt am Halleschen Tor sowie mit einer Lichterkette um das Postamt 36 in der Skalitzer Straße Widerstand gegen die Einführung der neuen „falschen“ Postleitzahlen. Eine weitere wichtige Aktion der Partei war die gegen nächtliche Ruhestörung und sinnlose Gewalt, bei der rund 2500 Demonstranten am 1. Mai 1995 zur Nachtzeit durch Berlin-Kreuzberg zogen, mittels aller möglicher Instrumente einen Höllenlärm veranstalteten und dabei „Ruhe! Ruhe!“ skandierten. Diese Kundgebung wurde kurzfristig von der KPD/RZ organisiert, da keine politische Gruppierung bereit war, an diesem Tag in Kreuzberg eine Kundgebung zu veranstalten.

Ein Schwerpunkt der KPD/RZ war die Ablehnung der Bezirksreform, durch die Kreuzberg mit Friedrichshain fusioniert wurde. Daraus resultierten die jährlichen Straßenschlachten gegen Friedrichshain auf der Oberbaumbrücke von 1995 bis 2006.

Das Motto der KPD/RZ lautete „Radikal gegen jeden Extremismus“. In einem Arte-Beitrag wurde 2005 ihre Fusion mit der Partei Die PARTEI bekanntgegeben.[5] Am 3. April 2016 veröffentlichte Die PARTEI Berlin auf ihrem Youtube-Kanal den Videomitschnitt der Abschiedspressekonferenz der KPD/RZ vom 1. April 2016 mit dem Titel KPD/RZ übergibt politische Verantwortung an die Partei DIE[sic!] PARTEI.[6]

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 1995 erhielt die Partei im Bezirk Kreuzberg 1.472 Zweitstimmen (2,8 Prozent in Kreuzberg) und wurde die fünftgrößte Partei Kreuzbergs. Motto des Wahlkampfs war „Was wir versprechen, sind Versprechungen“.

Bei der Abgeordnetenhaus-Wahl 1999 erreichte sie landesweit 3.390 Stimmen (0,2 %). Zitat: 1999 errang die KPD/RZ nach einem fulminanten Wahlkampf mit Forderungen wie „Rauchverbot in Einbahnstraßen“ und „Ausgehverbot für Männer bei Temperaturen über 30 Grad“ mehr als doppelt so viele Stimmen wie die FDP in Kreuzberg.[7] In Kreuzberg errang die KPD/RZ mit 1.950 Stimmen (4,2 %) ein Mandat in der Bezirksverordnetenversammlung, welches als erster Kandidat im Rotationsprinzip von Nanette Fleig (Listenplatz 1) ausgefüllt wurde; danach folgten weitere Mandatsträger. Durch die Kombination aus Bezirksreform und frühzeitigen Neuwahlen, ausgelöst durch den Berliner Bankenskandal, ging dieses aber 2001 verloren.[8][9]

Im Jahr 2001 vereinigten sich, der Zwangssituation der Bezirksreform geschuldet, KPD/RZ und Friedrichshainer Amorphe Zentralisten (FAZ) kurzfristig zu einer Partei namens SED (von lat. sed: aber, dennoch), die im neu geschaffenen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg noch im selben Jahr zur Wahl antrat. Mit Wahlslogans wie „SED – Opfer müssen verzichten können“ und politischen Kampagnen wie die städtische Subventionierung des Hoch- und Tiefbaugewerbes entlang des ehemaligen Mauerstreifens, scheiterte sie mit 1,9 % der Stimmen an der 3-Prozent-Hürde. Alle drei Parteien (KPD/RZ, FAZ, SED) existierten seitdem unabhängig voneinander weiter. Seit der Bundestagswahl 2005 tritt die KPD/RZ nicht mehr bei Wahlen an.

Die KPD/RZ fordert die „radikale Demokratie“. Einige ihrer Partei-Ziele sind:

  • Ausgehverbot für Männer bei Außentemperaturen über 30°
  • Nachtflugverbot für Pollen
  • Förderung der Kreuzberger Zeppelinindustrie
  • Rauchverbot in Einbahnstraßen
  • Flottere Melodien für Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr
  • Kreuzberg braucht einen ganzjährig eisfreien Tiefseehafen
  • Halbierung der Schwerkraft bis zum Jahr 2010
  • Ökologische Kriegsführung durch bleifreie Betankung von Panzern
  • Rotationsprinzip für Straßennamen
  • Abtragung des Kreuzberges und Wiederaufschüttung an repräsentativer Stelle
  • Zuzugssperre für Süddeutsche, insbesondere Schwaben[22][23]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Helmut Höge: Reintegrationsmaßnahmen. In: taz, 8. Oktober 1999
  2. biblioman.info (Memento vom 14. September 2016 im Internet Archive)
  3. zvab.com
  4. Berliner Geschichte 30 Jahre Räumung der Mainzer Straße: Kiezkrieg ’90, Tip (Zeitschrift) 13. November 2020
  5. „PARTEI“ und KPD/RZ: Die Vereinigung von 2005 (ARTE)
  6. KPD/RZ übergibt politische Verantwortung an die Partei DIE PARTEI
  7. jungle-world.com (Memento vom 14. September 2016 im Internet Archive)
  8. Holger Stark: Berlin KPD/RZ-Kandidatin Nanette Fleig will Bürgermeisterin der Herzen sein – nach der Auflösung der Sponti-Gruppe ist sie parteilos. In: Der Tagesspiegel, 11. Oktober 1999
  9. Andreas Spannbauer: TAZ vom 12. Oktober 1999
  10. Angie Pohlers: Weltuntergang in Kreuzberg „Die Partei“ feiert mit K.I.Z am Oranienplatz Hip Hop-Konzert und Polit-Satire: K.I.Z lassen ihre Fans die Booties shaken, Riza A. Cörtlen von der „Partei“ ruft sich zum Regierenden aus und Berlin feiert den „Nachfolger“ von Michael Müller. In: Der Tagesspiegel, 16. Juli 2015
  11. Extremisten der Mitte. In: Die Zeit, Nr. 30/1993
  12. Berlin: KPD/RZ-Kandidatin Nanette Fleig will Bürgermeisterin der Herzen sein - nach der Auflösung der Sponti-Gruppe ist sie parteilos Tagesspiegel vom 11. Oktober 1999
  13. Berliner Siegerinnen: Nanette Fleig von der Satire-Partei KPD/RZ kommt ins Kreuzberger Bezirksparlament, von Andreas Spannbauer, taz 12. Oktober 1999
  14. 1999 zog Nanette Fleig für die legendäre KPD/RZ in die Kreuzberger BVV (Bezirksverordnetenversammlung) ein. Die Partei 6. April 2021
  15. Jens Uthoff: Mit aller Kraft der Nasenflügel. In: taz, 30. April 2012
  16. Jens Uthoff: Zinken putzen – Oberkreuzberger Nasenflötenorchester feiert seinen 20. Geburtstag. In: Der Tagesspiegel, 12. Mai 2012
  17. Karin Schmidl: Das Kreuzberger Nasenflötenorchester ist alles andere als seriös – Gefiepter Kuschelrotz. In: Berliner Zeitung, 7. Dezember 2005
  18. https://www.lecorte.de/
  19. Rückzug der extremen Mitte von Dennis Stute Jungle World 14. August 1997
  20. Sabine Lueken: Frau Schmidt aus Kreuzberg. In: Kreuzberger Chronik, Juli 2005, Ausgabe 69
  21. Gunnar Hinck: Kandidatin für Berlin-Wahl – Früher taz, jetzt AfD. In: taz, 4. August 2016
  22. Endlich: die KPD/RZ hat Antworten auf alle unsere Fragen! In: Die Tageszeitung: taz. 4. März 1989, ISSN 0931-9085, S. 28 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2021]).
  23. Extremisten der Mitte. In: Die Zeit. 23. Juli 1993, abgerufen am 15. Mai 2021.