Kapitulation (Truppenstellungsvertrag)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Präambel der Militärkapitulation der niederländischen Generalstaaten mit der Republik Bern vom 8. Januar 1714 (Staatsarchiv Bern)

Kapitulation (auch Militärkapitulation) nannte man einen Vertrag, in dem eine Macht einer anderen die Erlaubnis gab, auf ihrem Hoheitsgebiet Truppen auszuheben.

Die Militärkapitulationen der Eidgenossenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Staatsverträgen der Eidgenossenschaft mit anderen Staaten wurden die militärischen Angelegenheiten in einem gesonderten Kapitel (von Capitulum, lateinisch für «das Köpfchen»), als Kapitulation bezeichnet, zusammengefasst.

Vom 14. bis zum 19. Jahrhundert schloss die Eidgenossenschaft mit siebzehn fremden Fürsten und Staaten Offensiv- und Defensivverträge ab, die eine Militärkapitulation enthielten.

Inhalt der Militärkapitulation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Militärkapitulation (oder Privatkapitulation, wenn einer der Vertragspartner ein Privater war) legte den Einsatzraum und den Verwendungszweck der Truppe fest und regelte die Rekrutierung, den Sold[1], die Verpflegung, die Verpflichtungsdauer, den Urlaub, die Uniformen, die Bewaffnung, die Munition, die medizinische Betreuung und die Bestände der Truppenangehörigen. Sie bestimmte das Verfahren zur Ernennung der Offiziere, die Pensionen, die Provisionen sowie die Art der Rechtspflege und der Religionsausübung. Oft enthielt sie auch eine Bestimmung über die gegenseitige Hilfe bei einem Überfall auf einen der Vertragspartner und räumte dem Kanton meist ein Rückrufsrecht bei eigenem Bedarf ein. Das Verbot, gegen Landsleute zu kämpfen sowie in den Kolonien oder auf dem Meer zu dienen, wurde nicht immer eingehalten.

Die Rekrutierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gesuch um Erlaubnis zur Truppenaushebung wurde vom Gesandten des Gesuchstellers an die Tagsatzung zu Händen der einzelnen Bundesgenossen gerichtet. Allein sie waren bis 1798 autonom für die Anwerbungen auf ihrem Territorium zuständig.

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurden die zuvor für die Dauer eines einzelnen Feldzuges angeworbenen Kontingente zu ständigen Truppenkörpern.

Die Exterritorialität

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gemäss Kapitulation angeworbenen Regimenter blieben Untertanen der Orte ihrer Herkunft. Eigene Disziplinar- und Gerichtsverfahren, Sondergerichte, Rechtsbücher, Reglemente, Eidesformeln, Trommel- und andere Signale sowie Märsche und Fahnen wahrten ihren exterritorialen, eidgenössischen Charakter. Gerichtsentscheide wurden ohne Appellationsrecht gefällt und konnten selbst vom König als Dienstherr nicht kassiert werden. Die Kantone behaupteten diese Vorrechte hartnäckig. Selbst Prozesse Fremder gegen Regimentsangehörige wurden vor dem eidgenössischen Kriegsgericht abgewickelt.

Ab dem 18. Jahrhundert trugen die Regimenter den Namen ihres Obersten sowie geflammte Fahnen (in seinen und den Farben der kapitulierenden Kantone) mit einem durchgehenden weissen Kreuz, zusätzlich auch einen Wahlspruch.

Die Schweizer Offiziere hatten ausgedehnte disziplinarische und administrative Kompetenzen, waren ihrem Kanton für ihre Einheit verantwortlich und hatten ihm monatlich über den Gang des Dienstes zu berichten.

Besonders in Frankreich verfügten die Schweizer Truppen über höheren Sold als die Einheimischen und vielfältige Privilegien.

Ende der Kapitulationen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bundesverfassung von 1848 machte den Kapitulationen ein Ende. Ihr Abschluss wurde 1849[2] verboten und die noch bestehenden 1859[3] durch die Bundesversammlung aufgehoben.

Bei der Totalrevision 1999 der Bundesverfassung wurde das Verbot von Militärkapitulationen, als nicht mehr zeitgemäss, ersatzlos gestrichen[4].

  • Marcel Burin de Roziers: Capitulations militaires entre la Suisse et la France. Diss. Juristische Fakultät der Universität Paris, Arthur Rousseau, Paris 1902.
  • Heinrich Türler, Viktor Attinger, Marcel Godet: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz. Vierter Band, Neuenburg 1927, S. 445.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Simon Rageth: Sold und Soldrückstände der Schweizer Truppen in französischen Diensten im 16. Jahrhundert Schriftenreihe der Eidgenössischen Militärbibliothek und des Historischen Dienstes Nr. 32, 19. Juni 2013.
  2. Bundesverfassung vom 12. September 1848 im ersten Bundesblatt 1849:
    Artikel 11
    Es dürfen keine Militärkapitulationen abgeschlossen werden.
    Artikel 12
    Die Mitglieder der Bundesbehörden, die eidgenössischen Civil- und Militärbeamten und die eidgenössischen Repräsentanten und Kommissarien dürfen von auswärtigen Regierungen weder Pensionen oder Gehalte, noch Titel, Geschenke oder Orden annehmen.
    Sind sie bereits im Besitze von Pensionen, Titeln oder Orden, so haben sie während ihrer Amtsdauer auf den Genuss der Pensionen und das Tragen der Titel und Orden zu verzichten.
    Untergeordneten Beamten und Angestellten kann jedoch vom Bundesrath der Fortbezug von Pensionen bewilligt werden.
  3. Bundesgesetz, betreffend die Werbung und den Eintritt in den fremden Kriegsdienst (vom 30. September 1859):
    Artikel 1
    Der Eintritt in diejenigen Truppenkörper des Auslandes, welche nicht als Nationaltruppen des betreffenden Staates anzusehen sind, ist ohne Bewilligung des Bundesrathes jedem Schweizerbürger untersagt.
    Der Bundesrath kann eine solche Bewilligung nur zum Behufe weiterer Ausbildung für die Zwecke des vaterländischen Wehrwesens ertheilen.
  4. Botschaft des Bundesrats über eine neue Bundesverfassung (vom 20. November 1996):
    191.23 Ersatzloses Dahinfallen
    Bisherige Verfassungsbestimmungen, die eindeutig nicht mehr zeitgemäss sind oder jeden denkbaren Anwendungsbereich verloren haben und daher völlig überflüssig sind, können ersatzlos gestrichen werden (z. B. Militärkapitulationen Art. 11 BV, … ).