Klaus Riedel

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Klaus Erhard Riedel (* 2. August 1907 in Wilhelmshaven; † 4. August 1944 in Zinnowitz) („Riedel II“) war ein deutscher Raketenkonstrukteur und Mitbegründer des weltweit ersten Raketenflugplatzes in Berlin. Ein Mondkrater ist in Würdigung seiner Beiträge für die Raketenforschung nach ihm benannt.

Klaus-Riedel-Denkmal in Bernstadt a. d. Eigen, Kirchgasse 11
Rolf Engel, Paul Ehmayr, Rudolf Nebel, Klaus Riedel und Kurt Heinisch am Raketenflugplatz Berlin
Paul Ehmayr (mit Achsstaber), Klaus Riedel und Wernher von Braun (am Steuer) in einem Opel Laubfrosch (1931)

1914 besuchte Klaus Riedel das Gymnasium in Wilhelmshaven, später das Askanische Gymnasium in Berlin, und anschließend das Realgymnasium in Wilhelmshaven. 1919 starb seine Mutter und 1921 sein Vater. Er lebte dann bei seinem Onkel in Berlin, während seine Schwester Freda ihre Jugend bei ihrer Großmutter Meta Riedel in Bernstadt a. d. Eigen verbrachte. 1923 trat Riedel eine Lehre als Elektriker bei der Firma Ludwig Loewe & Co. in Berlin an und beendete sie mit dem Gesellenbrief. Danach besuchte er von April 1927 bis April 1928 „Dr. Heils private Schule“ in Berlin. Von April 1928 bis Oktober 1929 hörte er allgemeine Maschinenbau-Vorlesungen an der Technischen Hochschule Berlin.[1]

Der Science-Fiction-Roman „Auf zwei Planeten“ des deutschen Schriftstellers Kurd Laßwitz weckte bereits 1919 Riedels Begeisterung für den Raketenbau. Schon als junger Mensch war er überzeugt, dass eine Reise ins Weltall möglich sei. Im Sommer 1930 führte er zusammen mit Rudolf Nebel und Paul Ehmayr in Bernstadt erste Brennversuche mit Flüssigsauerstoff und Benzin durch. Auf dem ehemaligen Artillerie-Schießplatzgelände Tegel in Berlin-Reinickendorf gründeten Rudolf Nebel und Klaus Riedel am 27. September 1930 den Raketenflugplatz Berlin, wo sie zusammen mit Hermann Oberth, Wernher von Braun; Paul Ehmayr und Kurt Heinisch forschten und experimentierten.[2] Im Mai 1931 gelang der Start der ersten deutschen Flüssigkeitsrakete und der Test von Flugkörpern bis 1000 Meter Höhe.[3] Die hauptsächlich von Riedel konstruierte sogenannte Minimumsrakete (Mirak) weckte beim deutschen Militär Interesse an Einsatzmöglichkeiten von Raketen als Kriegswaffe.

Riedel wurde im Mai 1932 Gründungsmitglied in der von Albert Einstein und Friedrich Simon Archenhold initiierten Panterra-Gesellschaft für internationale Projekte friedlicher Großforschung.[4] Ebenso war er bis zu dessen Verbot durch die Nationalsozialisten Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte.[5]:4 f.

Um sich auf dem Gebiet der Raketentechnik weiter zu bilden, trat Riedel am 1. Oktober 1934 als Ingenieur in die Firma „Siemens Apparate und Maschinen GmbH“ ein und war dort bis 31. Juli 1937 tätig. Unter anderem entwickelte er Kreiselsteuerungen und erhielt im Juli 1936 zusammen mit Rudolf Nebel das Patent für Rückstoßmotoren mit flüssigem Treibstoff basierend auf ihrer Patentanmeldung vom Juni 1931.[6] Ein Auswanderungsplan nach den USA wurde nicht genehmigt.[1]

Ab August 1937 arbeitete Klaus Riedel („Riedel II“) an der Heeresversuchsanstalt Peenemünde (HVP), nachdem das Heereswaffenamt das o. a. Patent übernommen und 50.000 Reichsmark an ihn und den arbeitslosen Rudolf Nebel ausbezahlt hatte und sie einen Teil des Erlöses an notleidende Raketenforscher weitergegeben hatten.[7] Riedel war zuständig für die Einsatzvorbereitung des Aggregat 4. Außerdem arbeitete er an der Entwicklung von Triebwerken für eine militärische Interkontinentalrakete, das Aggregat 9 und das Aggregat 10 mit. 1941 übernahm er die Vorbereitung der Organisation des operativen Einsatzes und Bodeneinrichtungen des Aggregat 4 unter Kriegsbedingungen.[8]

Klaus Riedel wurde in der Nacht vom 21. auf den 22. März 1944 zusammen mit Wernher von Braun und Helmut Gröttrup auf Betreiben Heinrich Himmlers von der Gestapo unter dem Vorwurf von Verrat, Sabotage und Wehrkraftzersetzung verhaftet.[9] Auf Intervention von Walter Dornberger und Hans Georg Klamroth wurde Wernher von Braun am 2. April 1944, Klaus Riedel am 8. April und Helmut Gröttrup am 13. April 1944 unter Auflagen wieder freigelassen.

Klaus Riedel starb bei einem mysteriösen Autounfall bei der Heimfahrt von der Arbeit in Karlshagen auf der geraden Straße zwischen Bannemin und Zinnowitz am 4. August 1944 zwischen 4:00 und 5:00 Uhr in der Frühe.[10] Der Augenzeuge Willy Genthe (damals Verwaltungsdirektor der HVP), der kurz danach am Unfallort eintraf, berichtete in einer eidesstattlichen Erklärung, dass die Achsschenkel von Riedels Auto angesägt waren.[11] Andere Zeugen schließen einen Unfall aufgrund von Übermüdung nach der Abschiedsfeier von Oberst Leo Zanssen als militärischen Befehlshaber der HVP nicht aus.[10] Riedel hinterließ seine Ehefrau Irmgard, geb. Kudwien, und die 18 Monate alte Tochter Henrike.

In Bernstadt a. d. Eigen steht seit 1993 ein Denkmal in der Kirchgasse 11 und eine Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus seiner Großmutter, die an den Startversuch der Minimumrakete am 11. September 1930 in Bernstadt erinnert. Das Heimatmuseum widmet ihm Teile seiner Ausstellung.

Im Jahr 2008 berichteten deutsche Medien über eine Kontroverse um die Benennung einer Mittelschule (jetzt Oberschule) in Bernstadt nach Klaus Riedel.[12][13][14] Die Oberschule „Klaus Riedel“ begründete ihre Widmung als „intensive, ausgewogene und kritische Auseinandersetzung mit der Zeit in Peenemünde, der Zusammenarbeit mit Wernher von Braun, dem Wirken und Schaffen sowie seiner [Riedels] Haltung zum totalitären Machtsystem in der Zeit des Nationalsozialismus“.[15]

Der Krater Riedel auf der Rückseite des Mondes erhielt 1970 den Namen Riedel nach Klaus Riedel und Walter Riedel (1902–1968; nicht verwandt, „Riedel I“) in Würdigung ihrer Beiträge für die Raketenforschung.[16][17]

  • Karl Werner Günzel: Raketenpionier Klaus Riedel : Versuchsgelände Bernstadt/Oberlausitz und Raketenflugplatz Berlin. Elbe-Dnjepr-Verlag, Klitzschen 2005, ISBN 3-933395-72-0.
  • Rudolf Nebel: Raketenflug. Elbe-Dnjepr-Verl, Klitzschen 2002, ISBN 3-933395-64-X, (Reprint der Ausgabe Berlin-Reinickendorf, Raketenflugverlag, 1932).
  • Rudolf Nebel: Die Narren von Tegel. Berlin-Reinickendorf: Droste-Verlag, 1972
  • Volkhard Bode, Gerhard Kaiser: Raketenspuren, Augsburg 1997; ISBN 3-86047-584-3.
  • Harald Tresp: Peenemünde. Menschen, Technik und ihre Erben. Flugzeug Publikation, Illertissen 1992, ISBN 3-927132-07-1.
Commons: Klaus Riedel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Karl Werner Günzel: 70. Todestag – Gedenken an Klaus Riedel. Förderverein Peenemünde, abgerufen am 11. Januar 2020.
  2. Klaus Schlingmann: Raketen-Pioniere am Raketenflugplatz Berlin. Historische Arbeitsgemeinschaft Daedalus, abgerufen am 13. Januar 2020.
  3. Raketenflugplatz Berlin 1930–1934. Oteripedia, abgerufen am 11. Januar 2020.
  4. Bernd Sternal: Eroberer des Himmels: Lebensbilder – Deutsche Luft- und Raumfahrtpioniere. Sternal-Media, Gernrode 2016, ISBN 978-3-7412-6393-4, S. 172 f. (184 S., Ziele waren u. a. „Raketenflüge mit dem Ziele, fremde Himmelskörper aufzusuchen“ und „künstliche Erdtrabanten mit Sonnenspiegel, um das Wetter zu beeinflussen“).
  5. Olaf Przybilski: Offener Brief zum postumen Rufmord an Klaus Riedel. (PDF; 76 kB) 18. Februar 2008, abgerufen am 17. November 2019.
  6. Patent DE633667C: Rückstoßmotor für flüssige Treibstoffe. Angemeldet am 3. Juni 1931, veröffentlicht am 16. Juli 1936, Erfinder: Rudolf Nebel, Klaus Riedel (Einspritzung der Treibstoffe entgegen der Ausströmrichtung der Verbrennungsgase zur Erzielung einer guten Durchmischung).
  7. Rudolf Nebel: Die Narren von Tegel: ein Pionier der Raumfahrt erzählt. Droste, Düsseldorf 1972, ISBN 978-3-7700-0314-3, S. 147 (180 S.).
  8. Peter Hall: Organigramm Elektromechanische Werke Karlshagen 1944. Abgerufen am 11. Januar 2020.
  9. Michael J. Neufeld: Wernher von Braun. Visionär des Weltraums, Ingenieur des Krieges. 1. Auflage. Siedler, München 2009, ISBN 978-3-88680-912-7, S. 205–210 (687 S., amerikanisches Englisch: Von Braun. Dreamer of Space, Engineer of War. New York 2007. Übersetzt von Ilse Strasman).
  10. a b Harald Tresp: Dokumentation Klaus Riedel – Raketenpionier. zur freundlichen Verwendung in Vorbereitung der Namensverleihung „Klaus-Riedel-Mittelschule“ im September 2007. September 2007 (im Heimatmuseum Bernstadt erhältlich).
  11. Karl Werner Günzel: Raketenpionier Klaus Riedel: Versuchsgelände Bernstadt/Oberlausitz und Raketenflugplatz. Elbe-Dnjepr-Verlag, Klitzschen 2005, ISBN 3-933395-72-0, S. 113, 117, 133–134 (epizodyspace.ru [PDF; abgerufen am 16. Februar 2023] Auch Irmgard Riedel nennt die Aussage Genthes vertrauenswürdig): „Meiner Ansicht nach kann der Unfall nur absichtlich herbeigeführt worden sein. Der rechte Achsschenkel seines Wagens, der abgebrochen war, zeigte unverkennbar Einschnitte, die nach meinem technischen Wissen als Ingenieur nur als ‚Ansägen‘ bezeichnet werden konnte.“
  12. Alexandra Sillgitt, Jochen Leffers: Raketenbauer der Nazis ist Namenspate einer Schule, Spiegel Online, 5. Februar 2008
  13. Lars Gaede: Waffenschmied als Vorbild, taz.de, 4. Februar 2008
  14. Frederik Obermaier: Mehr als nur ein Streit um Namen, Süddeutsche Zeitung, 3. März 2008
  15. Über "Klaus Riedel". Abgerufen am 16. Februar 2023.
  16. Riedel im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (englisch)
  17. D. H. Menzel, M. Minnaert, B. Levin, A. Dollfus, B. Bell: Report on lunar nomenclature by the working group of commission 17 of the IAU, Space Science Reviews 12, Juni 1971, S. 167 (englisch)