Klein-Paris

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Faust-Szene vor Auerbachs Keller in Leipzig, Plastik von Mathieu Molitor
Einzug Napoleons in das mit einer Nachbildung des Arc de Triomphe festlich geschmückte Düsseldorf, 1811
Königsallee in Düsseldorf
Belle-Époque-Architektur in Strada Smârdan (Smârdan-Straße) in Bukarest, was der Stadt ihren Spitznamen „Micul Paris“ (Klein-Paris) einbrachte

Klein-Paris ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für verschiedene Städte und Stadtteile, die sich auf die französische Hauptstadt Paris bezieht.

Unter anderem wird Leipzig so bezeichnet. Die weite Verbreitung dieser Betitelung für Leipzig geht auf Goethe zurück und ist als geflügelte Bezeichnung in die Umgangssprache eingegangen. Goethe verwendete diesen Begriff im Faust I, wo er den Frosch in der Szene Auerbachs Keller in Leipzig sagen lässt: „Mein Leipzig lob’ ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute.“[1] Diese Bezeichnung für Leipzig war jedoch schon vor Goethe bekannt.[2]

Auch Düsseldorf reklamiert den Namen Klein-Paris für sich. Hier geht die Bezeichnung auf Pierre-Louis Roederer zurück, Napoleon Bonapartes Minister für das Großherzogtum Berg. Als Napoleon die festlich geschmückte Hauptstadt des Großherzogtums im November 1811 besuchte, schrieb Roederer in einem Brief an seine Frau, dass die Feierlichkeiten in Düsseldorf die glanzvollsten der Reise gewesen seien und Düsseldorf für einige Tage ein Klein-Paris geworden sei.[3][4]

Ebenfalls als Klein-Paris, zumindest aber als Klaa Paris auf Frankfurterisch wird der Frankfurter Stadtteil Heddernheim bezeichnet. Als 1866 die Preußen nach Frankfurt kamen und mit Versammlungs- und Vermummungsverboten die Frankfurter Bürger quälten, ging die Parole um: „Geht doch nach Heddernheim (zu jener Zeit noch ein dörflicher Vorort im Norden der ehemals freien Reichsstadt), dort seid ihr so frei wie in Paris.“ Der Name Klein-Paris für die heute vor allem durch ihren Karnevalsumzug bekannte Gemeinde war geboren.

Auch wird die südhessische Gemeinde Groß-Zimmern als Klaa Paris bezeichnet. Der Begriff soll sich u. a. auf die feinen Cafés in Groß-Zimmern, vor dem Zweiten Weltkrieg, beziehen.

Eine weitere Verwendung des Begriffs „Klein Paris“ ist die liebevolle Bezeichnung für den Ort Ergenzingen, welcher wiederum ein Stadtteil der Bischofsstadt Rottenburg am Neckar ist. Der Begriff wird hier sowohl im Alltag verwendet, beispielsweise gibt es ein Bistro namens „Klein Paris“, als auch ganz besonders im Zusammenhang mit der Fasnet. Die seit 1958 existierende Narrenzunft im Ort nennt sich selbst „Klein Paris“.

„Klein-Paris“ ist auch der Name einer Fasendgemeinschaft der Narrenzunft Zell am Harmersbach.[5] Als im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 die deutschen Truppen Paris belagerten, zog das Ehepaar Ullmann von dort nach Zell. Ihr an der Unterentersbacher Straße erbautes Wohnhaus gab dem Volksmund Anlass, den dortigen Ortsteil „Pariser Vorstadt“ zu nennen. Und Frau Ullmann wurde dann auch die Zeller „Narrenmutter“. Der Name „Klein-Paris“ für die Fasend-Gemeinschaft in der „Pariser Vorstadt“ entstand 1938, als der damalige Elferrat beschloss, die Stadt einzuteilen, um für die Fasendveranstaltungen feste Grundlagen zu haben.

Auch Oberdischingen verwendet zumindest während der Fasnetszeit den Namen Klein-Paris für sich. Dies geht auf das alte Schloss, in dessen Überresten heute das Rathaus ist, zurück. Dort ist das Dachgeschoss ähnlich gebaut, wie es zu der Zeit der Entstehung des Namens in Paris üblich war.

Die ebenfalls für die Fasnet bekannte Stadt Donzdorf wird auch Klein-Paris genannt.

Auch Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern führt diesen „Kosenamen“. Hintergrund ist hier, dass das seinerzeit in Schwerin regierende Adelshaus Mecklenburg-Schwerin das Güstrower Schloss ab 1695 als seinen Erholungssitz und Aufenthalt seiner Kurtisanen nutzte, was sich (wegen der damaligen Kommunikationsverhältnisse) am Regierungssitz im eine Postkutschen-Tagesreise entfernten Schwerin leidlich geheim halten ließ.

Ein weiterer Ort, der den Namen Klein Paris beansprucht, ist die rund 600 Einwohner zählende Gemeinde Gerbach in der nördlichen Pfalz, zentral zwischen Kaiserslautern, Mainz und Bad Kreuznach gelegen. Hier hat sich jedoch in der Aussprache der pfälzische Dialekt (Klä Paris) durchgesetzt. Die Bezeichnung stammt vermutlich aus napoleonischer Zeit, zu der Soldaten sich in Gerbach vergnügten, da wohl damals eine relativ hohe Kneipendichte (ähnlich wie in Paris) zu verzeichnen war. Auch heute ist der Name noch im Namen des örtlichen Karnevalsvereins präsent. Dieser nennt sich „KPKV“ (Klä Pariser Karnevalsverein).

Auch in Dortmund existiert die Bezeichnung Klein-Paris für ein Flurstück im Stadtteil Aplerbecker Mark. Diese geht auf den Deutsch-Französischen Krieg zurück.

In Konstanz gab es von den 1950er Jahren bis 2010 das Bordell „Klein-Paris“, das als Blickfang ein Modell des Eiffelturms vor dem Haus stehen hatte.

Um die Jahrhundertwende des 19. und 20. Jahrhunderts wurde Bukarest wegen seiner kosmopolitischen Hochkultur und dem Einfluss der französischen Belle-Époque-Architektur „Micul Paris“ (Kleines Paris) genannt.[6]

In den 1970er-Jahren starb im aargauischen Wohlen die Strohgeflecht-Industrie aus, die während 200 Jahren Hauptbeschäftigung, eine Bekanntheit als Modezentrum und den Namen Chli Paris (schweizerdeutsch für Klein-Paris) gebracht hatte. So trug zum Beispiel Audrey Hepburn Strohhüte aus Wohlen.[7]

Um die Jahrhundertwende des 19. und 20. Jahrhunderts wurde Pidwolotschysk (polnisch Podwołoczyska) Klein-Paris des Ostens genannt, ein damals blühender Handelsknotenpunkt zwischen Russland und Mitteleuropa im neu entstandenen Kronland Galizien innerhalb Österreichs, heute Ukraine.

Einzelnachweise

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  1. Faust: Der Tragödie erster Teil im Projekt Gutenberg-DE
  2. Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 83.
  3. Stadtarchiv Landeshauptstadt Düsseldorf: Von der Hauptstadt eines Großherzogtums zur Industriestadt (Memento vom 29. April 2016 im Internet Archive), ehemalige Website zur Stadtgeschichte der Stadt Düsseldorf, abgerufen am 23. Oktober 2024.
  4. N wie Napoleon: Kaiser und Klein-Paris-Förderer (Memento vom 26. November 2015 im Internet Archive), Artikel vom 19. Juli 2012 im Portal wz-newsline.de, abgerufen am 6. Oktober 2012.
  5. Thomas Kopp: Die Zeller Fasend – Chronik der Narrenzunft e. V. Zell am Harmersbach. Eigenverlag der Narrenzunft e. V., Zell am Harmersbach 1984 S. 218–219.
  6. Bukarest: Stadtgeschichte. Abgerufen am 16. Juni 2024
  7. NZZ, 18. Mai 2018, Seite 52. (Online)