Knochenring-Technik
Als Knochenring-Technik (engl. Bonering Technique) bezeichnet man eine Operationsmethode, bei welcher ein Zahnimplantat in den Kieferknochen eingesetzt und gleichzeitig der Kieferknochen mithilfe eines ringförmigen Knochentransplantates aufgebaut wird. Die Knochenringtechnik wurde erstmals 2002 durch Emeka Nkenke publiziert[1]. Durch die Verknüpfung von Kieferaufbau und gleichzeitiger Implantation wird eine Verkürzung der Behandlungszeit um bis zu 6 Monate ermöglicht.
Indikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Indikationen für die Knochenringtechnik gelten mäßige bis schwere Defekte des Kieferkammes des Ober- und Unterkiefers, welche einen Knochenaufbau vor einer Zahnimplantation benötigen. Die Technik ist bei Einzelzahnlücken, Schaltlücken, stark atrophierten Kieferkämmen und Sinusbodenelevationen anwendbar.
Kontraindikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den üblichen allgemeinen Kontraindikationen für einen operativen Kieferaufbau gilt als spezielle Kontraindikationen eine Defektform, bei denen die Implantatspitze weniger als 3 mm in den ortsständigen Knochen geschraubt werden kann und damit keine Primärstabilität des Implantates erreicht wird.
Allgemeine Vorgehensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Knochenringtechnik erfolgt im Allgemeinen in Lokalanästhesie und unter ambulanten Bedingungen. An der zu implantierenden Stelle wird zunächst die Schleimhaut aufgeklappt und der defekte Knochen des Kieferkamms vermessen. Dann wird mit einer passenden Trepanfräse ein Knochenring an anderer Stelle entnommen (siehe auch Entnahmestellen der Knochenringe) oder ein allogener Knochenring verwendet. Als nächster Schritt wird in dem zu implantierenden Gebiet die Pilotbohrung für die Implantatausrichtung vorgenommen. Es wird dann mithilfe einer passenden Trepanfräse mit zentralem Pin das Lager für den einzusetzenden Knochenring zentriert geschaffen. Der Knochenring kann dann in den meisten Fällen im Press-Fit Verfahren eingesetzt werden. Die weitere Implantatbohrung wird dann entsprechend individuell festgelegter Länge und Durchmesser durch den Knochenring hindurch vorgenommen. Das Implantat wird nun durch den Knochenring in den Kieferknochen langsam und mit geringem Druck bis zur gewünschten Position eingeschraubt. Sofern jetzt noch keine Primärstabilität des Knochenringes vorliegt, kann diese durch die Verwendung einer Deck- oder Membranschraube durch axiale Kompression erreicht werden. In der Regel wird anschließend das OP Gebiet mit einem langsam resorbierbaren Knochenersatzmaterial und einer Membran abgedeckt. Ein speicheldichter Wundverschluss beendet die OP. Nach einer Einheilzeit von ca. einem halben Jahr kann die prothetische Versorgung des Implantates erfolgen.
Entnahmestellen der Knochenringe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei Verwendung körpereigener Knochenringe werden im klinischen Alltag die Entnahmeregionen wie Kinnbereich, hinterer Unterkieferast sowie der knöcherne Gaumen bevorzugt. Entnahmestellen wie Beckenkamm oder Schienbeinkopf sind ebenfalls möglich, jedoch eher besonderen Indikationen vorbehalten.
Allogene Knochenringe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der Verfügbarkeit vorgefertigter allogener Knochenringe (Knochenringe von menschlichen Spendern) auf dem deutschen Markt hat die Knochenring-Technik in ihrer Verbreitung und Anwendung einen deutlichen Schub erfahren. Mögliche Risiken bei der Entnahme von körpereigenem Knochen wie Gefühlsstörungen, Blutungen, Verletzungen von Nachbarzähnen und Infektionen der Entnahmestelle bestehen bei der Verwendung von allogenen Knochenringen nicht.[2][3] Ebenso verkürzt sich die Operationszeit deutlich, was zu einer gesteigerten Akzeptanz des Patienten führt. Trotz intensiver Aufbereitungstechniken und Verfahren zu Sterilisation der allogenen Knochenringe bleibt ein sogenanntes Restrisiko für die Übertragung von Infektionen.
Varianten der Knochenring-Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Variation der Knochenring-Technik ist es, den Ring zum Sinuslift auf den Boden der Kieferhöhle einzusetzen. Der Knochenring wird dann durch das Implantat fixiert. Es ermöglicht auch bei einem Restknochen von bis unter einem Millimeter Stärke bis zur Kieferhöhle eine Sinusbodenelevation und gleichzeitige Implantation durchzuführen.
Vorteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mithilfe der Knochenring-Technik ist es möglich einen Knochenaufbau und die Implantation in einer Operation durchzuführen. Diese Technik kann die Behandlungszeit um bis zu 6 Monate gegenüber anderen Verfahren verkürzen, bei welchen zuerst der Knochen aufgebaut wird und in einem zweiten Eingriff die Implantation erfolgt. Da eine weitere Operation entfällt, trägt dies zur geringeren Belastung des Patienten bei. Aufgrund der Verwendung von genormten Trepanfräsen ist eine gute Passung zwischen Knochenring und Kieferknochen gegeben. Die Operationszeit wird deutlich verkürzt. Auf aufwändige 3D-Bilddarstellung und Anfertigungen von individuell gefrästen Knochenblöcken kann verzichtet werden.
Nachteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Knochenringtechnik ist ein technisch diffiziles Verfahren, welches ein genaues Einhalten der einzelnen OP-Schritte erfordert und darum nur von erfahrenen Chirurgen angewendet werden sollte. Bei auftretenden Komplikationen wie Wundinfektionen oder Wundheilungsstörungen ist unter Umständen eine komplette Entfernung des Implantates mitsamt Knochenaufbau (hier Knochenring) notwendig, welches bei anderen Techniken mit schrittweisem Vorgehen nicht immer erforderlich ist.
Studienlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein 2010 publizierter Case-Report der Studiengruppe MR Stevens et al. zeigte 6 Monate nach OP eine gute Osseointegration der Implantate sowie ein gutes Weichgewebslevel im Bereich des Augmentates.[4] Weitere Studien, jedoch meist beruhend auf wenigen Fällen, beschreiben die Effektivität der Technik.[5][6][7] Die Verwendung allogener Knochenringe ist derzeit Gegenstand klinischer Forschung und zeigt erste vielversprechende Ergebnisse[8].
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Emeka Nkenke, Martin Radespiel-Troger, Jorg Wiltfang, Stefan Schultze-Mosgau, Gerhard Winkler: Morbidity of harvesting of retromolar bone grafts: a prospective study. In: Clinical Oral Implants Research. Band 13, Nr. 5, Oktober 2002, ISSN 0905-7161, S. 514–521, doi:10.1034/j.1600-0501.2002.130511.x (wiley.com [abgerufen am 13. Mai 2020]).
- ↑ J. Nissan, O. Ghelfan, S. Calderon, O. Mardinger, G. Chaushu: Efficacy of Cancellous Block Allograft Augmentation prior to Implant Placement in the Posterior Atrophic Mandible. In: Clinical Implant Dentistry and Related Research. Band 13, Nr. 4, 2011, S. 279–285.
- ↑ J. Nissan, V. Marilena, O. Gross, O. Mardinger, G. Chaushu: Histomorphometric analysis following augmentation of the anterior atrophic maxilla with cancellous bone block allograft. In: Int. J. Oral Maxillofac. Band 27, Nr. 1, Januar 2012, S. 84–89.
- ↑ Mark R. Stevens, Hany A. Emam, Mahmoud E. L. Alaily, Mohamed Sharawy: Implant Bone Rings. One-Stage Three-Dimensional Bone Transplant Technique: A Case Report. In: Journal of Oral Implantology. Band 36, Nr. 1, 10. März 2010, S. 69–74, doi:10.1563/aaid-joi-d-09-00029.
- ↑ Girish B Giraddi, Aamir Malick Saifi: Bone ring augmentation around immediate implants: A clinical and radiographic study. In: Annals of maxillofacial surgery. 21. Juni 2017, abgerufen am 8. August 2017 (englisch).
- ↑ M. Omara, N. Abdelwahed, M. Ahmed, M. Hindy: Simultaneous implant placement with ridge augmentation using an autogenous bone ring transplant. In: International Journal of Oral and Maxillofacial Surgery. Band 45, Nr. 4, 1. April 2016, S. 535–544, doi:10.1016/j.ijom.2015.11.001 (sciencedirect.com [abgerufen am 8. August 2017]).
- ↑ Dennis Flanagan: Cylindrical Ringbone Allograft to Restore Atrophic Implant Sites: A Pilot Study. In: Journal of Oral Implantology. Band 42, Nr. 2, 2016, S. 159–163, doi:10.1563/aaid-joi-D-15-00052.
- ↑ Daniel Rothamel, Tim Fienitz, Jan Kielhorn, Damir Jelusic, Markus Schlee, Ralf Smeets, Bernd Giesenhagen, Arndt Happe, Joachim E. Zöller: Neue augmentative Möglichkeiten durch allogene Knochenersatzmaterialien – Chance oder Risiko? In: Quintessenz. Band 66, Nr. 10. Quintessenz, Berlin 2015, S. 1167–1177.