Kohlekraftwerk Moorburg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kraftwerk Moorburg
Lage

Kohlekraftwerk Moorburg (Hamburg)
Kohlekraftwerk Moorburg (Hamburg)
Koordinaten 53° 29′ 24″ N, 9° 57′ 6″ OKoordinaten: 53° 29′ 24″ N, 9° 57′ 6″ O
Land Deutschland Deutschland
Ort Hamburg Hamburg
Gewässer Elbe
Daten

Typ Dampfkraftwerk
Primärenergie Fossile Energie (Kohle)
Brennstoff Steinkohle
Leistung 1730 Megawatt elektrisch
Eigentümer Vattenfall
Betreiber Vattenfall
Projektbeginn 2006
Betriebsaufnahme 28. Februar 2015[1]
Stilllegung 7. Juli 2021[2]
Schornsteinhöhe 137 m
Website https://powerplants.vattenfall.com/de/moorburg/
f2

Das Kohlekraftwerk Moorburg (Abkürzung: KKW Moorburg oder auch KW Moorburg[3]) im Hamburger Stadtteil Moorburg entstand ab 2007 am Standort des 2004 abgerissenen Gaskraftwerkes Moorburg als Doppelblockanlage mit rund 2 × 800 MW. Es ging 2015 in Betrieb, kostete rund 3 Mrd. Euro und sollte bei angenommenen 7500 Volllaststunden pro Jahr 11,5 TWh elektrischer Energie liefern und dabei 8,7 Mio. Tonnen CO2 ausstoßen.[4]

Am 1. Dezember 2020 gab die Bundesnetzagentur bekannt, dass Vattenfall als Betreiber des Kraftwerkes mit den beiden Blöcken des Kraftwerks Moorburg am Ausschreibungsverfahren zur Reduzierung der Verstromung von Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen für beide Blöcke einen Zuschlag erhielt. Seit dem 1. Januar 2021 darf der Strom aus diesen Blöcken nicht mehr vermarktet werden. Hintergrund für die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren war unter anderem die schwierige wirtschaftliche Lage auch moderner Kohlekraftwerke am Strommarkt.[5] Im Dezember 2020 ging das Kraftwerk in die Netzreserve über[6] und wurde im Juli 2021 stillgelegt.[2]

Aufbau und technische Daten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Übersicht über die Kraftwerksblöcke
Kraftwerksblock Inbetriebnahme Brennstoff Elektrische Leistung Netzreserve Status
Netto Brutto
Block A 2015 Steinkohle 800 MW 827 MW 18.12.2020[2] Vermarktungsverbot seit 1. Januar 2021 gemäß KVBG[7][8]
Block B 2015 Steinkohle 800 MW 827 MW 18.12.2020[2] Vermarktungsverbot seit 1. Januar 2021 gemäß KVBG[7][8]

Auslastung und Volllaststunden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Auslastung des Kohlekraftwerks Moorburg war überdurchschnittlich hoch. In den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 waren die beiden Kraftwerksblöcke höher ausgelastet als der deutschlandweite Durchschnitt.[9]

Die prognostizierten 7500 Volllaststunden pro Jahr (7500 von 8760 Stunden = 85,6 % Auslastung) erwiesen sich als viel zu hoch angesetzt.

Die prozentuale Volllast vom Kraftwerk Moorburg im Vergleich zu den restlichen Steinkohlekraftwerken in Deutschland im Zeitraum 2015–2020
2015 2016 2017 2018 2019 2020
Moorburg A 47,5 47,5 52,9 57,2 37,3 8,9
Moorburg B 36,5 49,2 55,8 53,3 45,7 18,9
Ø Deutschland 48,6 47,2 40,6 41,5 30,7 23,6

Im Zeitraum 2015–2020 wurden insgesamt 34,288 TWh Strom erzeugt, davon entfielen 16,258 TWh auf Block A und 18,029 TWh auf Block B.[9]

Die bei der Planung und Finanzierung ursprünglich angenommene Menge belief sich auf 11,5 TWh pro Jahr.

Jährliche Stromerzeugung im Kraftwerk Moorburg in TWh
2015 2016 2017 2018 2019 2020 Gesamt
Moorburg A 2,077 3,320 3,673 3,981 2,587 0,620 16,258
Moorburg B 2,525 3,439 3,880 3,711 3,176 1,298 18,029
Gesamt 4,602 6,759 7,554 7,692 5,763 1,918 34,288

Planungsgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vattenfall kündigte 2004 an, in Moorburg ein neues Kraftwerk bauen zu wollen. 2005 animierte der Senat von Beust II Vattenfall dazu, das Kraftwerk doppelt so groß und als Fernwärmekraftwerk zu bauen.[10][11] Im September 2006 gab der Aufsichtsrat von Vattenfall Europe die interne Genehmigung zum Bau des Kraftwerks. Dieses sollte nach Vattenfall-Angaben rund 2,6 Mrd. Euro kosten.[12]

Seit dem 4. Mai 2007 war der Kupferproduzent Aurubis (ehemals Norddeutsche Affinerie AG) durch eine so genannte virtuelle Kraftwerksscheibe – eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung in Höhe von 115 MW – am Kohlekraftwerk Moorburg beteiligt.[13] Aurubis sollte von Vattenfall bis zum Jahr 2040 pro Jahr eine Milliarde Kilowattstunden Strom beziehen. Der Bezugspreis in diesem langfristigen Liefervertrag orientierte sich an den Erzeugungskosten des entsprechenden Kraftwerks.

Im Oktober 2007 begann der Bau des neuen Kraftwerks mit zwei steinkohlebefeuerten Blöcken mit jeweils 865 MW elektrischer Nennleistung. Der Steinkohleverbrauch lag bei Volllast bei ca. 12.000 Tonnen pro Tag.[14] Eine Auskopplung von maximal 650 MW Fernwärme sollte ursprünglich die Erzeugung des außer Betrieb gehenden Heizkraftwerks Wedel ersetzen und darüber hinaus einen weiteren Ausbau der Fernwärmeversorgung im Süden Hamburgs ermöglichen, doch die dafür nötige Fernwärmeleitung, die durch die Elbe verlegt werden sollte, wurde auf Druck von Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen[15] nicht genehmigt. Ohne die Fernwärmeleitung unter der Elbe lag der Energienutzungsgrad des Kraftwerks niedriger, außerdem waren die Investitionen in die Anlagen zur Fernwärme-Auskopplung vergeblich getätigt worden.

2012 gab es Planungen, am Standort des Kraftwerks Wedel ein neues GuD-Kraftwerk zu errichten, das die Fernwärmeversorgung Hamburgs übernehmen würde.[16] Die damalige Oppositionspartei CDU wollte die Abwärme von Moorburg doch noch nutzen.[17]

Bau und Inbetriebnahme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der erste Block sollte 2012 in Betrieb gehen und der zweite im Jahr 2013. Wegen „Qualitätsproblemen bei Schweißnähten“, die im Frühjahr 2011 in den bereits errichteten Dampfkesseln festgestellt wurden, wurde die Inbetriebnahme mehrfach verschoben.[18] Im Januar 2012 wurde die Inbetriebnahme der beiden Blöcke für Anfang bzw. Mitte 2014 angegeben.[19] Gut 10 Prozent des verbauten Kesselstahls (Typ T24) mussten aus Qualitätsgründen ausgetauscht werden, da sich wie bei anderen Kohlekraftwerksprojekten Haarrisse an den Schweißnähten gebildet hatten.[14]

Im Juni 2013 wurden die Brenner zum ersten Mal gezündet. Daraufhin zog eine dunkle, stinkende Wolke über Moorburg; drei Anwohner klagten über Kopfschmerzen, Atemnot und Übelkeit. Vattenfall betonte, man habe den Wind falsch berechnet, allerdings seien alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten worden und es habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die Bevölkerung bestanden. Der Gestank der Wolke rühre von den neuen Anlagenteilen her und die schwarze Färbung von Ruß. Politiker und Umweltverbände kritisierten Vattenfall für die Informationspolitik und für die Art und Weise des Testlaufes.[20][21]

Das Kraftwerk im Jahr 2016

Am 1. September 2013 nahm der zur Schramm Group gehörende private Hafenbetreiber Brunsbüttel Ports den Betrieb der Ver- und Entsorgungsanlagen des Steinkohlekraftwerks in Moorburg auf. Man rechnete mit über 4 Mio. Tonnen Steinkohle im Jahr, die auf dem Wasserweg über die Elbe angeliefert wurden. Die Kohle wurde mit zwei Portalkranen von Seeschiffen am Anleger gelöscht, die spätere Versorgung der Tagesbunker geschah über Förderbänder. Auch die Entsorgung der Abfallstoffe des Kraftwerkbetriebes übernahm Brunsbüttel Ports. Durch die Abgasreinigung mit einer Rauchgasentschwefelungsanlage fielen große Mengen an Gips an; außerdem fuhren Spezialschiffe Nass- und Trockenasche sowie Ammoniakwasser ab. Für die Entsorgung wurden auch Lkw eingesetzt.[22]

Am 28. Februar 2014 wurde Block B das erste Mal ans Netz geschaltet.[23] Seine vollständige Inbetriebnahme verzögerte sich immer wieder; er ging am 28. Februar 2015 in Betrieb.[24][1] Block A ging am 31. August 2015 in Betrieb.[25]

Am 18. November 2015 weihte Olaf Scholz, damals Hamburgs Erster Bürgermeister, das Kraftwerk offiziell ein.[26]

Schadensersatzklage von Vattenfall

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegen der verschärften Umweltauflagen, die im Rahmen der Genehmigung 2008 erteilt worden waren, verklagte Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Regeln des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) vor einem Schiedsgericht auf Schadensersatz in Höhe von 1,4 Mrd. Euro (siehe Vattenfall gegen Bundesrepublik Deutschland). Außerdem klagte das Unternehmen vor dem OVG Hamburg gegen die Umweltauflagen. Die beiden Verfahren endeten in einem Vergleich.[27]

Europäischer Gerichtshof: Fehlerhafte Genehmigung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahre 2010 erhob der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Beschwerde bei der EU-Kommission.[27] Im März 2015 gab die EU-Kommission bekannt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anzustoßen, da die wasserrechtliche Genehmigung des Kraftwerks gegen die Habitatrichtlinie verstoße. Es bestehe die Gefahr, dass sich das Projekt negativ auf geschützte Arten wie Lachs, Flussneunauge oder Meerneunauge auswirkt. Die zur Kühlung des Kraftwerks erforderliche Wasserentnahme sei schädlich für diese Tiere. Bei der Genehmigung des Kraftwerks habe Deutschland es versäumt, die in der Richtlinie vorgesehene Prüfung vorzunehmen und nach alternativen Kühlverfahren zu suchen, durch die das Sterben der betreffenden geschützten Arten vermieden werden könnte.[28]

Im April 2017 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), die Genehmigung für das Kraftwerk sei fehlerhaft, da die Umweltverträglichkeit nicht korrekt geprüft worden sei. Konkret sei die Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) verletzt worden, da Auswirkungen auf bestimmte Fischarten nicht ausreichend geprüft wurden. Die EU-Kommission hatte geklagt, die nun weitere Schritte ergreifen kann. Statt der Kühlung mit Elbe-Wasser könnte ein Kreislaufkühlungssystem genutzt werden. Dies jedoch bewirkt einen erhöhten Eigenbedarf des Kraftwerkes und damit höhere Stromgestehungskosten sowie erhöhte CO2-Emissionen. Der Betreiber Vattenfall entgegnete, dass nur eine sehr geringe Anzahl besonders schützenswerter FFH-Fischarten geschädigt werde.[29]

Am 1. Juni 2017 untersagte die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) in Umsetzung des Urteils und nach Abstimmung mit dem Bund die Wasserentnahme aus der Elbe zur Durchlaufkühlung. Damit durfte das Kraftwerk nur mit Kreislaufkühlung per Kühlturm betrieben werden. Für die Durchlaufkühlung waren 64 m³/s Elbwasser notwendig, für die Kreislaufkühlung 1 m³/s.[30]

Stilllegung und Rückbau

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vattenfall nahm mit den Blöcken A und B am Ausschreibungsverfahren zur Reduzierung der Verstromung von Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen zum Gebotstermin 1. September 2020 teil. Am 1. Dezember 2020 wurde das Ergebnis des Verfahrens gemäß § 24 Abs.1 Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) von der Bundesnetzagentur öffentlich bekannt gegeben. Beide Blöcke erhielten neben neun weiteren Kohleblöcken einen Zuschlag, wodurch das Vermarktungsverbot am 1. Januar 2021 und das Kohleverstromungsverbot für diese Blöcke im Juli 2021 in Kraft tritt.[7][8]

Zum 1. März 2023 hat Vattenfall die Vattenfall Moorburg GmbH an die Hamburger Energiewerke verkauft. Dieser Verkauf umfasst die Gesellschaft mit 94 Mitarbeitern, die Gebäude, die verbliebenen Komponenten sowie das zugehörige Grundstück an der Moorburger Schanze. Über den Kaufpreis haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.[31]

Die Hamburger Wohnungswirtschaft hat angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der damit einhergehenden Gasknappheit den Senat aufgefordert, ein Wiederanfahren des Kraftwerks zu prüfen. Vattenfall ist dem entgegengetreten: „Als Kohlekraftwerk darf es nach den geltenden Regularien nicht mehr betrieben werden und es wäre technisch und wirtschaftlich auch nicht vernünftig darstellbar“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Vattenfall bereite weiter den Rückbau des Kraftwerks im Hamburger Hafen vor und gehe davon aus, noch in diesem Jahr die Rückbauleistungen zu beauftragen.[32]

Am 10. November 2024 wurde der Schornstein gesprengt.[33]

Protest und Übergabe von 12.000 Unterschriften gegen den Bau des Kohlekraftwerks an die Hamburger Bürgerschaft im Oktober 2007

Der Neubau wurde von Teilen der Hamburger Bürgerschaft und von mehreren Verbänden und Initiativen kritisch betrachtet. Wesentliche Kritikpunkte waren dabei unter anderem:[34]

  • der CO2-Ausstoß von insgesamt 8,5 Millionen Tonnen jährlich
  • die unter Umständen eintretende Beeinträchtigung der Flora und Fauna der Elbe durch die Abwärme.

Der BUND hat den genehmigten Schadstoffausstoß bei Volllast mit je 7850 Tonnen Schwefeldioxid und Stickoxiden sowie 785 Tonnen Feinstaub pro Jahr beziffert. Daneben dürfen bis zu 3,2 Tonnen Blei, 1,2 Tonnen Quecksilber, 1,0 Tonnen Arsen, 0,6 Tonnen Cadmium und 0,6 Tonnen Nickel in die Atmosphäre emittiert werden.[35]

Nachdem die für die Genehmigung zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) das Projekt im April 2007 kritisch gesehen hatte, wollte sie die endgültige Genehmigung nach Abschluss des Erörterungstermins offenbar mit gewissen Auflagen erteilen (neue wasserrechtliche Stellungnahme vom August 2007).[36]

Von verschiedenen Organisationen wurden Unterschriften für eine Volkspetition gegen das Kohlekraftwerk Moorburg gesammelt, mit der Senat und Bürgerschaft aufgefordert wurden, sich gegen den Bau des Kohlekraftwerks einzusetzen. Bei der ersten Zählung der Unterschriften im Dezember 2007 wurden nur diejenigen mit vollständiger Adresse berücksichtigt, so dass die Volkspetition mit weniger als 10.000 gültigen Unterschriften zunächst nicht zustande gekommen schien. Nach Berücksichtigung auch unvollständiger, aber eindeutig zuzuordnender Adressangaben kam die Volkspetition schließlich zustande, so dass sich die Bürgerschaft mit ihr beschäftigen musste.[37][38]

Am 30. September 2008 erteilte die damalige Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) die endgültige Genehmigung zum Bau des Kraftwerkes unter strengen Umweltauflagen. Da die Menge des Kühlwassers, das der Elbe entnommen werden durfte, vom jeweiligen Wasserstand abhängig sein sollte, konnte dies theoretisch an 250 Tagen im Jahr zu einer gedrosselten Leistung des Kraftwerkes führen.[39] Im Februar 2009 gab Vattenfall bekannt, dass die geforderten Auflagen den Bau des Kraftwerks massiv verteuern. Grund hierfür sei unter anderem die als Ausgleichsmaßnahme geforderte zweite Fischaufstiegsanlage an der Staustufe Geesthacht.[40]

Im April 2009 klagte Vattenfall wegen der Verschärfung von Umweltauflagen vor Gericht.[41][42] Dieses Streitverfahren wurde solange ausgesetzt, bis der Prozessvergleich vor dem OVG Hamburg vom 30. September 2008 bis zum 31. März 2011 umgesetzt wurde. Schadensersatz wurde nicht zugestanden, Vattenfall und die Bundesrepublik Deutschland tragen jeweils ihre eigenen Kosten, während beide Parteien die Kosten für das Schiedsgerichtverfahren jeweils zur Hälfte tragen.[43]

Das Verfahren wurde am 15. März 2010 ausgesetzt. Zwei Wochen zuvor hatte eine Klage des BUND vor dem OVG Hamburg Erfolg. Sie richtete sich gegen die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und deren Bewilligung der Fernwärmetrasse des Kraftwerks Moorburg. Das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren musste durch ein Planfeststellungsverfahren mit Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung ersetzt werden.

Emissionsgrenzwerte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Genehmigungsbescheid vom 30. September 2008 hat die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt Hamburg Emissionsgrenzwerte festgelegt, die mindestens den Grenzwerten entsprachen, die bei Antragstellung in der 13. BImSchV (2004) festgelegt waren.[39]

Schadstoffe mit Grenzwerten im Tagesmittel sind durch kontinuierlich arbeitende Messgeräte zu überwachen, die übrigen Werte durch Einzelmessungen. Zum Vergleich sind die Grenzwerte der 13. BImSchV aufgeführt, sowie die, im Normalbetrieb mit besten verfügbaren Techniken erreichbaren Emissionswerte, wie sie im Merkblatt der Europäischen Kommission für entsprechend große Neuanlagen mit Steinkohle-Staubfeuerung auf der Basis der Datensammlung in den Jahren 2001 und 2002 festgelegt sind.[44][45]

Emissionsgrenzwerte Kohlekraftwerk Moorburg im Vergleich mit Grenzwerten der 13. BImSchV (2004) und mit BVT-Emissionswerten (2006)[46]
Luftschadstoff Emissionswerte mit BVT
im Tagesmittel 1
Grenzwert Moorburg Grenzwert 13. BImSchV (2004)
Tagesmittel Halbstundenmittel 2 Tagesmittel Halbstundenmittel
Gesamtstaub (Staub) 5–20 mg/Nm3 10 mg/Nm3 20 mg/Nm3 20 mg/Nm3 40 mg/Nm3
Stickstoffoxide (als NO2) 90–150 mg/Nm3 70 mg/Nm3 200 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3
Schwefeldioxide (als SO2) 20–150 mg/Nm3 100 mg/Nm3 200 mg/Nm3 300 mg/Nm3 600 mg/Nm3
Kohlenmonoxid (CO) 30–50 mg/Nm3 100 mg/Nm3 200 mg/Nm3 250 mg/Nm3 500 mg/Nm3
Quecksilber und Verbindungen (als Hg) kein BVT-Emissionswert 0,03 mg/Nm3 0,05 mg/Nm3 0,03 mg/Nm3 0,06 mg/Nm3
Anorganische Chlorverbindungen (als HCl) 1–10 mg/Nm3 - - - -
Anorganische Fluorverbindungen (als HF) 1–5 mg/Nm3 - - - -
Ammoniak (NH3) ≤ 5 mg/Nm3 bei SCR/SNCR - 5 mg/Nm3 (SCR) - -
Dioxine und Furane 2 (PCDD/PCDF) kein BVT-Emissionswert - 0,1 ng/Nm3 - 0,1 ng/Nm3
1 
Datenbasis des BVT-Merkblattes: 2001/2002, Überarbeitung ab 2011[44]
2 
Grenzwert für Dioxine und Furane bezieht sich auf 6–8-stündige Probenahme

Eine neue Datensammlung zu aktualisierten besten verfügbaren Techniken (BVT) organisiert die Europäische Kommission seit Oktober 2011 und veröffentlicht im Jahr 2017 neue BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen. Die darin festgelegten Emissionswerte, die mit BVT in bestehenden Anlagen erreichbar sind, mussten gemäß der europaweit geltenden Industrieemissionsrichtlinie spätestens vier Jahre nach der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen vom Kraftwerk Moorburg eingehalten werden.[47]

Zukunftsplanungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Standort Moorburg soll ab 2027[48] sogenannter grüner Wasserstoff produziert werden. Geplant ist eine mit Strom aus Windkraft und Photovoltaik gespeiste Elektrolyseanlage mit einer Leistung von mindestens 100 Megawatt. Im Januar 2021 unterzeichnete hierfür die Stadt Hamburg (Wärme Hamburg) zusammen mit den Unternehmen Shell, Vattenfall und Mitsubishi Heavy Industries eine Absichtserklärung.[49][50]

Der Elektrolyseur soll den Kern des Hamburg Green Hydrogen Hub bilden, um den sich am 26. April 2021 der Wasserstoffverbund Hamburg schloss.[51] Im Verbund beteiligten sich die Unternehmen Airbus, ArcelorMittal, Gasnetz Hamburg, GreenPlug, Hamburger Hafen und Logistik AG, Hamburg Port Authority, HADAG Seetouristik und Fährdienst sowie die Stadtreinigung.[52]

Im Mai 2021 schaffte es das Projekt um Fördermittel im Rahmen des EU-Programms „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) in die engere Auswahl des Bundeswirtschaftsministeriums.

Commons: Kohlekraftwerk Moorburg – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Kohlekraftwerk Moorburg offiziell in Betrieb. In: NDR.de. 1. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. März 2015; abgerufen am 1. März 2015: „Am späten Samstagabend war es so weit: Mit jahrelanger Verspätung hat der Energiekonzern Vattenfall die kommerzielle Nutzung des Steinkohle-Kraftwerks in Hamburg-Moorburg gestartet. Nach mehr als einem Jahr Probe- und Testbetrieb erfülle der erste Block des Kraftwerks mit 827 Megawatt Leistung nunmehr die Anforderungen des Netzbetreibers, teilte Vattenfall mit.“
  2. a b c d Sandra Kühberger: Heizkraftwerk Moorburg nicht systemrelevant. Vattenfall, 1. März 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021.
  3. Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Monika Schaal (SPD) vom 27.08.09 und Antwort des Senats. (PDF) Abgerufen am 3. Juli 2023.
  4. Fragen und Antworten Kraftwerk Moorburg. (PDF) In: Vattenfall GmbH. 5. Dezember 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. Januar 2018; abgerufen am 7. Januar 2018: „Der Bau dieser Anlage kostet rund 3 Milliarden Euro. […] Bei einem durchschnittlichen Betrieb mit 7500 Volllaststunden im Jahr erzeugt das Kraftwerk rund 11,5 Terawattstunden (TWh) Strom und setzt dabei rund 8,7 Mio. Tonnen CO2 frei.“
  5. Die Stromkonzerne wollen schnell raus. In: Süddeutsche Zeitung, 1. Dezember 2020. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
  6. Eines der modernsten Kohlekraftwerke der Welt wird zur deutschen Investitionsruine
  7. a b c Bundesnetzagentur - Gebotstermin 1. September 2020. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
  8. a b c § 51 KVBG - Einzelnorm. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
  9. a b Energy Charts. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, abgerufen am 10. Juli 2021.
  10. Vattenfall – ein Unternehmen zerfällt. welt.de, 27. Dezember 2014
  11. Kraftwerk Moorburg: Eine Chronologie. ndr.de, 19. Dezember 2014
  12. Blickpunkt Moorburg – So haben Sie das Kraftwerk noch nie gesehen. Website von Vattenfall Europe, abgerufen am 22. März 2011
  13. Gemeinsame Pressemitteilung NA, Hamburg, Berlin, den 4. Mai 2007 t (Memento vom 21. Februar 2014 im Internet Archive)
  14. a b Vattenfall tauscht schlechten Stahl aus. In: Hamburger Abendblatt, 16. April 2012, abgerufen am 16. April 2012
  15. Moorburgtrasse-stoppen. Abgerufen am 30. Dezember 2021.
  16. Windkraftspeicher soll Kohlemeiler ersetzen. In: Hamburger Abendblatt, 9. Februar 2012, abgerufen am 11. Februar 2012
  17. Hamburg: CDU will Abwärme von Moorburg doch nutzen, 30. März 2016
  18. Rebecca Kresse: Moorburg geht erst stark verspätet ans Netz. Hamburger Morgenpost, 11. April 2011
  19. Fernwärmekraftwerk Moorburg geht erst 2014 ans Netz. In: Hamburger Abendblatt, 26. Januar 2012.
  20. Kraftwerk-Probelauf. Den Moorburgern stinkt es gewaltig. In: Hamburger Abendblatt, 21. Juni 2013, abgerufen am 30. Juni 2013
  21. Kohlekraftwerk. Moorburgs rauchender Nachbar (Memento vom 29. Juni 2013 im Webarchiv archive.today) In: Harburger Anzeigen und Nachrichten, 20. Juni 2013, abgerufen am 30. Juni 2013
  22. Eckhard-Herbert Arndt: Schramm Group „unter Strom“. In: Täglicher Hafenbericht vom 3. September 2013, S. 3
  23. Moorburg-Kraftwerk geht ans Netz (Memento vom 7. März 2014 im Internet Archive). In: Hamburg1, 28. Februar 2014, abgerufen am 1. März 2014
  24. Frank Drieschner: Die Schlotlösung. In: Zeit online, 13. Februar 2015, abgerufen am 17. Februar 2015
  25. Eckhard-Herbert Arndt: Moorburg stärkt Kohle-Bilanz · Zweiter Kraftwerksblock ging jetzt ans Netz. In: Täglicher Hafenbericht vom 2. September 2015, S. 15
  26. Stefan Schultz: Festakt für das CO2-Monster. In: Spiegel. 19. November 2015, abgerufen am 30. Dezember 2021.
  27. a b Zeitschrift für Umweltrecht 7–8/2017, Seite 404–405
  28. europa.eu
  29. Urteil: Genehmigung für Vattenfalls Kohlekraftwerk Moorburg nicht korrekt. iwr.de, 28. April 2017, abgerufen am 1. Mai 2017.
  30. Jens Meyer-Wellmann: Moorburg darf kein Elbwasser zur "Durchlaufkühlung" nehmen. In: Hamburger Abendblatt vom 1. Juni 2017, abgerufen am 2. Juni 2017
  31. Vattenfall verkauft Heizkraftwerk Moorburg an Hamburger Energiewerke (HEnW). Abgerufen am 5. März 2023.
  32. Stillgelegtes Kohlekraftwerk in Hamburg wieder hochfahren? Vattenfall winkt ab. 28. Juni 2022, abgerufen am 28. Juni 2022.
  33. Hamburg: Doppel-Schornstein des Kraftwerks Moorburg gesprengt. In: Norddeutscher Rundfunk, 10. November 2024. Abgerufen am 10. November 2024.
  34. Vattenfall baut Klimamoster in Moorburg. Seiten von Robin Wood zum Neubaukraftwerk (Memento vom 3. März 2010 im Internet Archive)
  35. Hamburg Moorburg - Das Aus für den Klimaschutz? (Memento vom 21. Februar 2014 im Internet Archive), abgerufen am 17. Juni 2011
  36. Rebecca Kresse: Neue Kraftwerke bedrohen Hamburgs Klimabilanz. In: Hamburger Abendblatt. 20. April 2007, abgerufen am 2. April 2024 (Vom Internet Archive 2007 archiviert unter abendblatt.de/daten/2007/04/21/727950).
  37. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg: Drucksache 18/7431 – Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft : Volkspetition gegen das Kohlekraftwerk Moorburg
  38. Hamburger Abendblatt: Petition gegen Kraftwerk doch erfolgreich, 22. Dezember 2007
  39. a b Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt: Behörde genehmigt Kraftwerk mit Einschränkungen (Memento vom 9. Mai 2016 im Internet Archive), Pressemeldung, Stadt Hamburg, 30. September 2008
  40. Kraftwerk Moorburg viel teurer. In: Tagesspiegel. 25. Februar 2009 (Online).
  41. Spiegel online: „Machtkampf um Moorburg“. Abgerufen am 4. Oktober 2010.
  42. Nathalie Bernasconi: Background paper on Vattenfall v. Germany arbitration. (PDF; 555 kB) International Institute for Sustainable Development (IISD), Juli 2009, abgerufen am 5. Mai 2016 (englisch).
  43. Investment Treaty Arbitration: „Schiedsgerichtsspruch zum lCSID Case No. ARB/09/6“. (PDF) Abgerufen am 13. Dezember 2013.
  44. a b Neuentwürfe und BVT-Merkblatt Large Combustion Plants (Memento vom 15. Juli 2012 im Internet Archive), Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla
  45. BVT-Merkblatt „Großfeuerungsanlagen“ (2006, Teilübersetzung) (Memento vom 17. Juli 2013 im Internet Archive), Umweltbundesamt, Dessau
  46. Genehmigungsbescheid, Kapitel 4.2.1, Seite 20 (PDF; 914 kB) nach Bundes-Immissionsschutzgesetz, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Stadt Hamburg, 30. September 2008
  47. Aktuelle Informationen zum Informationsaustausch (Memento vom 30. Juli 2012 im Internet Archive) über Beste verfügbare Techniken, Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla
  48. tagesschau.de: Hamburg: Wasserstoff-Produktion in Moorburg verzögert sich um weiteres Jahr. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  49. Wasserstoffprojekt am Standort Hamburg-Moorburg. Vattenfall GmbH, 22. Januar 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021.
  50. Hamburg plant Großprojekt zur Wasserstofferzeugung. In: Spiegel. 22. Januar 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021.
  51. Vera Eckert, Tom Käckenhoff: ArcelorMittal, Vattenfall form hydrogen consortium with Shell, Airbus, others. Reuters, 26. April 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021 (englisch).
  52. Neu gegründeter Wasserstoffverbund plant, Hamburg grüner zu machen. In: www.hghh.eu. 25. April 2021, abgerufen am 30. Dezember 2021.