Komödie Winterhuder Fährhaus
Die Komödie Winterhuder Fährhaus ist ein Privattheater in Hamburg. Es liegt in Winterhude an der Hudtwalckerstraße, Ecke Winterhuder Kai, unmittelbar an der Alster. Das Theater wurde 1988 von Jürgen Wölffer gegründet. Der Standort ist vor Errichtung des Theaters seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Ausflugslokal und Veranstaltungsstätte über die Grenzen des Stadtteils bekannt geworden, hat aber nie als Fährhaus im eigentlichen Sinne gedient.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das heutige Komödienhaus steht an der Stelle des historischen Winterhuder Fährhauses, das 1854 von dem Kohlenhändler Carl Friedrich Jacobs zunächst als Wohnhaus mit Kohlenschuppen errichtet worden war.[1] Auf der gegenüberliegenden Straßenseite warteten oftmals Passagiere, die mit dem Alsterdampfer einen Ausflug machen wollten. Da es lediglich einen primitiven Steg gab und keine Möglichkeit, sich vor Wind und Wetter zu schützen, wurde Jacobs zuweilen gefragt, ob es möglich sei, in seinen Räumen auf das Schiff zu warten. So beantragte der Kohlenhändler eine Konzession, um eine „feine Wirtschaft“ zu betreiben. 1867 kam das Gebäude in den Besitz des Verwalters des Logenhauses an der Drehbahn. Das „Fährhaus“ wurde zu einem attraktiven Ausflugsziel, das ab 1876 zudem über eine Erlaubnis verfügte, Tanzveranstaltungen anzubieten.[2] Um 1890 wurde ein neuer Saalbau im Jugendstil errichtet. Mit veränderten Besitzverhältnissen und Programmen war es als Schankwirtschaft, Ausflugs- und Tanzlokal, als Kulturhaus für Versammlungen, Tagungen und Feste eine Institution in Winterhude und ganz Hamburg.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm im Mai 1946 Otto Friedrich Behnke, der später auch das Fährhaus Schulau betrieb, das Winterhuder Traditionshaus.[3] Es fanden bald darauf im Fährhaus wieder Kostümfeste statt.[4] Allein im Jahr 1951 fanden 67 Faschingsbälle dort statt.[5] Aber auch Fachmessen[6] und Sportveranstaltungen[7] wurden dort in der Nachkriegszeit veranstaltet. Zudem wurden im Haus auch politische Kundgebungen abgehalten. Zum Beispiel führten die KPD und der Vaterstädtische Bund Hamburg ihre Wahlkampfauftaktveranstaltungen für die Bürgerschaftswahl 1949 im Saal des Hauses durch.[8][9] Auch Bundesminister wie Anton Storch und Hans-Christoph Seebohm waren dort zu Gast.[10][11] Von 1949 bis 1966 fand das literarische Kabarett Die Wendeltreppe von Dirks Paulun seine Heimstatt im Winterhuder Fährhaus.
1979 musste nach fast 90 Jahren das sogenannte „zweite“ Winterhuder Fährhaus abgerissen werden. Die Holzpfähle, auf denen das Fährhaus stand, waren im nassen Boden an der Alster vermodert.[12] Während der Hamburger Senat vorschlug, die freigewordene Fläche mit Wohnungen zu bebauen, sprachen sich die Fraktionen von SPD, CDU und FDP in der zuständigen Bezirksversammlung Hamburg-Nord (allerdings mit unterschiedlichen Konzepten) dafür aus, wieder ein Kommunikationszentrum zu errichten.[13] Bau- und Hausherr Uwe Spranger plante das „dritte“ Winterhuder Fährhaus als Mehrzweckhaus wieder aufzubauen. Nach einem Treffen mit Theaterdirektor Jürgen Wölffer war er jedoch sofort von der Idee angetan, ein Theater daraus zu machen. Das Theater wurde von dem Architekten Peter Schweger entworfen. Es wurde auf 750 Betonpfähle gestellt, die dem Bau weit mehr als 90 Jahre ein festes Fundament geben sollen. Es hat einen großen Saal mit 586 Plätzen und einen kleinen Saal mit 103 Plätzen. Auch im Neubau befindet sich ein gastronomischer Betrieb. Auf das langjährige „Allegria“ folgte 2009 das „Cocco“[14] und später das „Angels Barcelona“.[15] Seit 2015 trägt das Lokal den Namen des Hauses und nennt sich „Winterhuder Fährhaus Restaurant & Café“.[16]
Der erste Leiter Rolf Mares gab im August 1988 die Direktion der Hamburgischen Staatsoper ab und nahm mit dem Aufbau der Komödie Winterhuder Fährhaus eine neue Herausforderung an.[17] Nach elf Jahren übergab Rolf Mares seinen Posten 1999[18] an Michael Lang, der bis August 2017 die Komödie leitete. Seine Nachfolge trat Britta Duah an, die zuvor den Vertrieb der Komödie Winterhuder Fährhaus leitete.[19] 2017 übergab Jürgen Wölffer zunächst die künstlerische Leitung an seinen Sohn Martin Woelffer, bis im Januar 2020, wie schon 2004 in Berlin, auch die Übergabe der Direktion an Martin Woelffer erfolgte.
Programm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Eröffnung fand am 2. September 1988 mit dem Stück Stürmische Überfahrt von Tom Stoppard statt. Der Spielplan spannt einen weiten Bogen vom heiteren Boulevard[18], über moderne wie klassische Komödien, bis hin zu Volksstücken und Lustspielen.
In der Komödie Winterhuder Fährhaus werden pro Spielzeit mindestens sechs Produktionen (Hauptstücke) für sechs bis neun Wochen en suite gespielt. Seit der Spielzeit 1990/1991 spielt die Komödie Winterhuder Fährhaus als eines der ersten Hamburger Theater ohne Sommerpause das ganze Jahr durch. Die Stücke werden gemeinsam mit den Komödien-Bühnen in Berlin konzipiert und realisiert. Ziel ist es, die Produktionen möglichst an zwei Bühnen (plus Tourneen) zeigen zu können, um die Produktionskosten auf mehrere Häuser zu verteilen. Nur so ist es möglich, ein Theater ohne Subventionen mit einem hohen Aufgebot an bekannten Schauspielern an einem exponierten Standort zu führen. So stehen zahlreiche Stars aus Film und Fernsehen wie Tanja Wedhorn, Saskia Valencia, Nina Bott, Barbara Wussow, Marion Kracht, Nora von Collande, Herbert Herrmann, Walter Plathe, Marek Erhardt, Oliver Mommsen, Jochen Busse, Hugo Egon Balder, Bürger Lars Dietrich u.v.m. dort regelmäßig auf der Bühne.
Im Rahmen der Komödie-Extra wird das Programm durch Sonderveranstaltungen aus den Bereichen Literatur, Musik und Kleinkunst ergänzt, bei denen etablierte Größen ebenso auftreten wie junge Nachwuchskünstler. Außerdem gibt es Familientheater aus der Hand von Christian Berg, Deutschlands bekanntestem Spezialisten auf diesem Gebiet.[20]
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2004: Pegasus-Preis
- 2013: Monica-Bleibtreu-Preis in der Sparte Komödie für die Inszenierung von Folke Braband des Stückes Eine Sommernacht von David Greig und Gordon McIntyrebei bei den 2. Privattheatertagen in Hamburg
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Komödie Winterhuder Fährhaus (Hrsg.): Spielzeit. seit 1990, OCLC 935890429 (Programmheft).
- Rolf Mares: 10 Jahre Komödie Winterhuder Fährhaus. Druckhaus Dierichs, Kassel 1998, OCLC 246065974.
- Daniela Brinkmann: Marketingmaßnahmen an privaten Theatern dargestellt an einem Vergleich zwischen der Komödie Winterhuder Fährhaus und Schmidts Tivoli. Hamburg 2002, OCLC 935023433.
- Michael Lang, Steffi Ruhbach, Komödie Winterhuder Fährhaus (Hrsg.): So war’s Geschichten und Anekdoten aus 20 Jahren Komödie Winterhuder Fährhaus. 1988–2008. Komödie Winterhuder Fährhaus, Hamburg 2008, OCLC 502423531.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website der Komödie Winterhuder Fährhaus
- Literatur von und über Komödie Winterhuder Fährhaus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Das Hamburg Abendblatt vermeldete 1950, dass das Lokal bereits 400 Jahre bestehe („Faschings- und Sommerfreude“, erschienen am 25. Februar 1950, abgerufen am 24. September 2023). Dies wird von anderen Quellen aber nicht bestätigt.
- ↑ Dierk Strothmann: Das Winterhuder Fährhaus. In: Hamburger Abendblatt. 8. August 2009, abgerufen am 19. April 2016.
- ↑ „HAMBURGER RUNDBLICK“, in: Hamburger Abendblatt vom 21. Mai 1951, abgerufen am 28. September 2023.
- ↑ „Nette Leute“, in: Hamburger Abendblatt vom 16. Februar 1949, abgerufen am 22. September 2023.
- ↑ „Der große Motor Karneval“, in: Hamburger Abendblatt vom 15. Januar 1949, abgerufen am 27. September 2023.
- ↑ „HAMBURGER RUNDBLICK“ (mit Hinweis auf die Hamburger Schuhfach-Messe), in: Hamburger Abendblatt vom 26. Februar 1949, abgerufen am 22. September 2023.
- ↑ „Mit großen und kleinen Bällen“ (mit Hinweis auf die Hamburger Tischtennis-Meisterschaften), in: Hamburger Abendblatt vom 19. März 1949, abgerufen am 22. September 2023.
- ↑ „SPD antwortet nicht“ (KPD), in: Hamburger Abendblatt vom 24. September 1949, abgerufen am 22. September 2023.
- ↑ „Sozialpolitik ohne Phrase“ (VBH), in: Hamburger Abendblatt vom 7. Oktober 1949, abgerufen am 22. September 2023.
- ↑ „Das schlechte Beispiel“ (Storch), in: Hamburger Abendblatt vom 19. Januar 1950, abgerufen am 24. September 2023.
- ↑ „Wenn die Heimat ruft“ (Seebohm), in: Hamburger Abendblatt vom 29. September 1950, abgerufen am 26. September 2023.
- ↑ „Keine Chance mehr für das Fährhaus“, in: Hamburger Abendblatt vom 2. März 1979, abgerufen am 5. August 2023.
- ↑ „Kampf der Politiker im Fährhaus-Schutt“, in: Hamburger Abendblatt vom 8. August 1979, abgerufen am 5. August 2023.
- ↑ „Mediterrane Küche“, in: Hamburger Abendblatt vom 4. Mai 2009, abgerufen am 15. August 2023.
- ↑ „Spanien in schmackhaften Häppchen serviert“, in: Hamburger Abendblatt vom 21. März 2013, abgerufen am 19. August 2023.
- ↑ „Norddeutsche Spezialitäten im Winterhuder Fährhaus“, in: Hamburger Abendblatt vom 12. August 2015, abgerufen am 22. August 2023.
- ↑ Rolf Mares Gründungs-Intendant
- ↑ a b Komödie Winterhuder Fährhaus Theater in Hamburg – Privattheater. theaterverzeichnis.de, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 19. April 2016; abgerufen am 19. April 2016.
- ↑ Stefan Reckziegel: Britta Duah, von der Kassiererin zur Theaterleiterin. In: Hamburger Abendblatt online. 11. Oktober 2016, abgerufen am 3. August 2017.
- ↑ Christian Berg: Christian Berg: Der Märchenmacher. Abgerufen am 9. März 2020.
Koordinaten: 53° 35′ 37,5″ N, 9° 59′ 38,7″ O