Kontagionisten

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Der Ausdruck Kontagionisten (von lateinisch contagium ‚die ansteckende Berührung, die Ansteckung‘)[1] bezeichnet die historischen Anhänger der sogenannten Ansteckungstheorie.[2] Diese vertraten schon früh die später als richtig bewiesene Auffassung, dass Krankheiten durch die Übertragung von Krankheitssamen (seminaria) bzw. belebte Keime (contagia viva) durch Berührung (contagione) von Mensch zu Mensch oder durch infizierte Waren bzw. Gegenstände erfolgt. Ihre Ansicht blieb lange in der Minderheit.[3][4]

Die Idee von lebenden Krankheitserregern wurde erstmals von Marcus Terentius Varro im 1. Jahrhundert v. Chr. formuliert.[5] Im Gegensatz dazu glaubten die Anhänger der Miasmatologie, dass Verunreinigungen bzw. Gifte, die dem Erdreich entstiegen und unter anderem durch menschlichen Unrat verursacht wurden, Ursache von Seuchen seien. Die meisten Kontagionisten sahen keinen Widerspruch darin, ihre Theorie durch die des Miasmas zu ergänzen oder Elemente daraus zu übernehmen.[6] Es waren auf der anderen Seite radikale Miasmatiker oder Antikontagionisten, die grundsätzlich jede Ansteckung in Frage stellten und damit die Debatte eigentlich (und in der Folge immer wieder) auslösten. Die beiden epidemiologischen Grundausrichtungen legten unterschiedliche Maßnahmen bei der Bekämpfung und Vorbeugung der Pest nahe – mit jeweils anderen politischen Implikationen.[4]

Rudolf Virchow als bedeutender Mediziner des 19. Jahrhunderts gelangte erst nach anfänglichem Zögern zu der Erkenntnis, dass bestimmte Seuchen durch Ansteckung entstünden.[7] Diese Kontroverse wurde im 19. Jahrhundert durch die Forschungen von Louis Pasteur und Robert Koch beendet, welche die Ansteckungstheorie bewiesen.

  • Richard Mead: A short discourse concerning pestilential contagion, and the methods to be used to prevent it. Sam. Buckley & Ralph Smith, London 1720; archive.org. Diese Arbeit wurde anlässlich der Pestepidemie von Marseille geschrieben. Im Rahmen der damals neu aufgeflammten Kontroverse zwischen Kontagionisten und Antikontagionisten erklärte Mead sich darin als Anhänger der Kontagionisten.
  • Alexander Kocher: Die Pestepidemie zu Marseille, 1720–1722. Ihre Bedeutung für das medizinische Denken. Harder, Untersiggenthal 1967, OCLC 247391685.
  • Margitta Hamann: Zur Geschichte der Prophylaxe unter besonderer Berücksichtigung des Hundes. Dissertation, Freie Universität Berlin, Berlin 2004 (online).
  • René Gottschalk (Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene): Seuchenhygienische Aspekte. In: Wolfgang F. Caspary (Hrsg.): Infektiologie des Gastrointestinaltraktes mit 218 Tabellen; [Klinik, Diagnostik, Therapie; mit Antiinfektiva-Steckbriefen]. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-41359-2, S. 465–475 (online).

Einzelnachweise

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  1. Karl Ernst Georges: contāgium. In: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Band 1. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1913, Sp. 1589 (Digitalisat. zeno.org).
  2. Unheimliches Etwas. In: Die Zeit. Nr. 41/1970.
  3. Christian Cwik, Stefan Rabitsch, Mark Stieger: Was wir von Pest & Co. lernen können. ORF, 25. April 2020, abgerufen am 5. Mai 2020.
  4. a b Franz Mauelshagen: Neuerfindung einer medizinisch-politischen Kontroverse – Johann Jakob Scheuchzer und die Debatte der Kontagionisten und Antikontagionisten während der provenzalischen Pestepidemie von 1720–1722. In: Cardanus. Jahrbuch für Wissenschaftsgeschichte. 7. Auflage. Palatina-Verlag, Wiesloch 2007, ISBN 978-3-932608-26-1, S. 149–185 (researchgate.net).
  5. In seiner Schrift De re rustica. Buch I, Kapitel XII, 2, erwähnt er "gewisse Kleinlebewesen, die mit den Augen nicht erkennbar sind, über die Luft durch Mund und Nase in den Körper gelangen und dort schwere Krankheiten verursachen" ("animalia quaedam minuta, quae non possunt oculi consequi, et per aera intus in corpus per os ac nares perveniunt atque efficiunt difficilis morbos").
  6. Zur grundsätzlichen Vereinbarkeit des Konzepts der Kontagion mit der Miasmatheorie vgl. Vivian Nutton: Thee Reception of Fracastoro’s Theory of Contagion: The Seed that Fell among Thorns? S. 198: “The word contagion, especially if defined as involving indirect as well as direct transmission of harmful material, was far from incompatible with a theory of noxious air.
  7. "So sehr ich mich früher gesträubt habe, die Ansteckung als das gewöhnliche Mittel der Entwickelung typhoser Seuchen zuzulassen, so muss ich doch gestehen, dass auch mich, wie so viele frühere Beobachter, die fortgesetzte Erfahrung immer mehr in das Lager der Contagionisten zwingt." Quelle: Rudolf Virchow: Kriegstyphus und Ruhr. In: Virchow's Archiv. Band LII, 1871, S. 41; zitiert bei: Wilhelm Ebstein: Die Pest des Thukydides (Die Attische Seuche.) Eine geschichtlich-medicinische Studie. Stuttgart 1899, S. 43 (Digitalisat im Internet Archive).