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Konvergenzinsuffizienz

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Konvergenzinsuffizienz ist eine Störung des beidäugigen Nahsehens gekennzeichnet durch eine verringerte Fähigkeit der Bewegungsmuskeln beider Augenäpfel (Bulbus oculi) eine ausreichende Adduktionsbewegung (Einwärtsbewegung) durchzuführen oder aufrechtzuerhalten[1]. Diese Einwärtsbewegung ist notwendig, um die Sehachsen beider Augen im angeblickten Nahobjekt zu kreuzen (Konvergenzstellung) und somit ein beidäugiges Einfachsehen in der Nähe zu ermöglichen [2]. Die Ursachen für eine Konvergenzschwäche können vielfältig sein und reichen von senso-motorischen Störungen der Fusion bis zu neurogen Störungen oder Läsionen (Augenmuskellähmungen).

Wesentliche Differenzialdiagnose Exophorie

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Unter Exophorie versteht man einen Ruhestellungfehler des Augenpaares beim Blick in die Ferne. Fixiert also ein Augenpaar einen Objektpunkt in der Ferne, also mindestens 5 Meter Objektentfernung, dann stehen die Sehachsen beider Augen zueinander parallel - Othostellung des Augenpaares. Der Objektpunkt wird in beiden Augen im Zentrum der Fovea abgebildet und somit binokular einfach gesehen. Unterbricht man nun die Fusion – oder wird kein Objekt dargeboten –, dann geht das Augenpaar in Ruhestellung. Ist das Augenpaar in Ruhestellung nach Außen gedreht und bei Fixieren eines Objektes aber in Orthostellung, dann liegt eine Exophorie vor[3].

Eine Exophorie ist also eine auf den Fernblick bezogene Abweichung des Augenpaares und Konvergenzinsuffizienz eine binokulare Nahstörung des Augenpaares.

Die mit der Konvergenzinsuffizienz verbundenen Symptome und Anzeichen gehen häufig einher mit einer visuellen Tätigkeit in der Nähe bzw. Nahfixation. Sie können unter anderem Diplopie (Doppeltsehen), Asthenopie, vorübergehendes verschwommenes Sehen, Ermüdung, Kopfschmerzen und anormale Haltungsanpassung umfassen.

Die Diagnose einer Konvergenzinsuffizienz wird von einem Orthoptist oder einem Augenarzt gestellt. Konvergenzinsuffizienzen können einhergehen mit einer teils ausgeprägten Exophorie, bei der der Nahschielwinkel in der Regel größer ist als die Abweichung in der Ferne. Ein gestörtes akkommodatives Konvergenz- / Akkommodationsverhältnis (AC/A-Quotient), ein in die Ferne verschobener Konvergenznahpunkt, herabgesetzte Fusionsbreite und Akkommodationsstörungen können ebenfalls festgestellt werden.

Eine motorisch bedingte Konvergenzinsuffizienz kann unter bestimmten Voraussetzungen mit Konvergenzübungen behandelt werden. Einige Fälle von Konvergenzinsuffizienz werden erfolgreich durch Brillenverordnung behandelt, unter anderem mit therapeutischen Prismenbrillen. Nicht selten ist eine Augenmuskeloperation Therapie der Wahl.

Im Jahr 2005 veröffentlichte die Convergence Insufficiency Treatment-Studie (CITT) zwei randomisierte klinische Studien.[4] Die erste, in Archives of Ophthalmology veröffentlichte Studie, zeigte, dass Computerübungen in Kombination mit einer amtsbasierten Vision / Orthoptik im Vergleich zu „Bleistift-Liegestützen“ oder Computerübungen allein bei Konvergenzinsuffizienz bei Kindern zwischen 9 und 18 Jahren wirksam waren. Die zweite ergab ähnliche Ergebnisse für Erwachsene zwischen 19 und 30 Jahren. In einer bibliographischen Übersicht aus dem Jahr 2010 bestätigte das CITT seine Auffassung, dass die bürobasierte Akkommodations-/Vergence-Therapie die wirksamste Behandlung von Konvergenzinsuffizienz ist und dass es ganz oder teilweise durch andere Augentrainingsansätze wie die Therapie zu Hause ersetzt werden kann bieten Vorteile bei den Kosten, aber nicht beim Ergebnis. Eine spätere Studie aus dem Jahr 2012 bestätigte, dass orthoptische Übungen zu einer dauerhaften Verbesserung der asthenopischen Symptome der Konvergenz-Suffizienz sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern führten. Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2011 hat bestätigt, dass die Therapie am Arbeitsplatz wirksamer ist als die Therapie zu Hause, obwohl der Nachweis der Wirksamkeit für Kinder viel stärker ist als für die erwachsene Bevölkerung.

In der fünften und sechsten Klasse liegt die Konvergenzinsuffizienz bei Kindern bei 13 %. In Studien, in denen standardisierte Definitionen der Konvergenzinsuffizienz verwendet wurden, haben Ermittler in Schulen und Kliniken eine Prävalenz von 4,2 % bis 6 % angegeben.

  • Herbert Kaufmann: Strabismus. 4. grundlegend überarbeitete und erweiterte Auflage, mit Heimo Steffen., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2012, ISBN 3-13-129724-7.
  • Wolfgang Dusek: WVAO Bibliothek, 1. Auflage, Band 25. Mainz 2024, ISBN 978-3-9814839-5-6

Einzelnachweise

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  1. J Cooper, R Duckman: Convergence insufficiency: incidence, diagnosis, and treatment. In: PubMed. National Libarary of Medicine, Juni 1978, abgerufen am 15. September 2023 (englisch).
  2. Wolfgang A Dusek, Barbara K Pierscionek and Julie F McClelland: An evaluation of clinical treatment of convergence insufficiency for children with reading difficulties. In: Biomedcentral.com. BMC Ophthalmology, 2011, abgerufen am 14. Oktober 2024 (englisch).
  3. Wolfgang Dusek: Optometrische Messungen bei Kindern mit Lese-Schreibstörung. In: Wissenschaftliche Vereinigung für Augenoptik und Optometrie (Hrsg.): WVAO Bibliothek. 1. Auflage. Band 25. Mainz 2024, ISBN 978-3-9814839-5-6, S. 164–180.
  4. U.S. National Library of Medicine - ClinicalTrials.gov: Convergence Insufficiency Treatment Trial (CITT)