Kosmologisches Entfernungsmaß

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In der Astronomie werden viele verschiedene Längenmaße verwendet, um eine Vorstellung von der räumlichen Anordnung astronomischer Objekte zu bekommen. Diese Längenmaße werden auch als Entfernungsmaß bezeichnet.[1] Ein spezielles Entfernungsmaß ist dabei das kosmologische Entfernungsmaß, weil im Rahmen der Kosmologie Abstände besonders stark von dem verwendeten theoretischen Modell und damit von der theoretischen Beschreibung des Universums abhängen. In einem Universum, dessen globale Entwicklung beispielsweise durch die Friedmann-Gleichungen beschrieben wird, existiert auch kein eindeutiges Entfernungsmaß mehr. Dies widerspricht zwar der Alltagserfahrung in einem statischen euklidischen Raum, ist in einer dynamischen und gekrümmten Raumzeit wie bei unserem beobachtbaren Universum aber unvermeidbar. Dort wird die Lichtausbreitung durch die zu Grunde liegende raumzeitliche Geometrie und Dynamik ganz wesentlich beeinflusst.

In der Kosmologie werden also verschiedene Methoden zur Entfernungsmessung verwendet, die aber alle auf das gleiche Ergebnis führen, obwohl die zugrunde liegenden Messmethoden scheinbar sehr unterschiedlich sind. Eine Veranschaulichung der verwendeten Messmethoden kann dem Alltag auf der Erde entnommen werden. Beispielsweise kann bei bekannter Signalgeschwindigkeit aus der Laufzeit eines reflektierten Signals die Entfernung des angepeilten Objekts bestimmt werden. Dieses Prinzip wird bei Radarvermessungen oder dem sogenannten „Laser ranging“ verwendet. Andere Möglichkeiten bestehen darin, aus der scheinbaren Winkelgröße oder der scheinbaren Helligkeit eines Objekts dessen Entfernung abzuleiten. Hierfür müssen die wahre Größe beziehungsweise die wahre Helligkeit aber bekannt sein. Die genannten Prinzipien sind auch in der Astrophysik anzutreffen, allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang. So werden die beschriebenen Messmethoden auch dazu benutzt, die tatsächliche Helligkeiten oder Größen astronomischer Objekte zu bestimmen. Über die Laufzeit des Lichtes kann auch berechnet werden, wann das beobachtete Objekt das Licht ausgesendet hat.

In der Astrophysik werden die wichtigsten und in der Kosmologie am häufigsten verwendeten Entfernungsmaße entsprechend Helligkeitsentfernung, Winkeldurchmesserentfernung und Laufzeitentfernung genannt. Dazu gibt es auch noch die mitbewegte Entfernung. Als gemeinsames Prinzip kann die Rotverschiebung verwendet werden, welche bei bekanntem kosmologischen Modell auch die Umrechnung der genannten Entfernungen ineinander erlaubt.

Laufzeitentfernung

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Die Definition der Laufzeitentfernung (engl.: light travel time distance) basiert auf der Lichtlaufzeit zwischen zwei Ereignissen mit den Rotverschiebungen , gegeben durch

Substituiert man die kosmologische Zeit als Integrationsvariable durch die beobachtbare Rotverschiebung, so ergibt sich

Hierbei ist der kosmologische Skalenfaktor, normiert auf den Wert 1 zur heutigen Zeit. Es gilt (siehe die relativistische Herleitung der kosmologischen Rotverschiebung)

Schreibt man dann die Hubble-Funktion für das Universum explizit aus, dann erhält man den geläufigen Ausdruck für die Laufzeitentfernung

Für ein flaches () und materiedominiertes () Universum kann dieses Integral analytisch gelöst werden:

, und stellen hierbei die Strahlungsdichte-, Materiedichte- und den Vakuumenergiedichteparameter (kosmologische Konstante) dar. Nach Messungen mit dem Planck-Weltraumteleskop betragen diese , und . Die Hubble-Konstante beträgt km s−1Mpc−1.

Mitbewegte Entfernung

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Die Evolution des Universums und seiner Horizonte in mitbewegten Koordinaten

In Analogie zur Laufzeitentfernung erhält man die mitbewegte Entfernung (engl.: comoving distance). Dies ist die Distanz zwischen der Quelle und dem Beobachter auf einer raumartigen Hyperfläche, definiert durch Ereignisse mit gleicher kosmologischer Zeit (heute). Ausgehend vom Linienelement (siehe auch Friedmann-Gleichungen) ergibt sich

und damit

Der Unterschied zwischen Laufzeitentfernung und mitbewegter Entfernung besteht darin, dass Erstere eine Entfernung über Raum und Zeit hinweg ist. Die mitbewegte Entfernung ist hingegen die Distanz, die der Beobachter und das Objekt zum gleichen Weltalter zueinander aufweisen, das heißt eine Entfernung auf einer raumartigen Hyperfläche. In diesem Zustand kann der Beobachter das Objekt allerdings nicht sehen, da das Licht gerade eben vom Objekt zu ihm ausgesandt wurde.

Winkeldurchmesserentfernung

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Die Evolution des Universums und seiner Horizonte in physikalischen Koordinaten

Die Winkeldurchmesserdistanz (engl.: angular size distance) ergibt sich aus einer bekannten Näherungsformel der Sinusfunktion. Für kleine Funktionsargumente gilt . Diese Näherungsformel zeigt, warum die Winkeldurchmesserentfernung gemäß

benutzt werden darf.[2] Dabei ist die tatsächliche Größe des Objektes senkrecht zur Blickrichtung des Beobachters und die gemessene Winkelausdehnung des Objektes im Bogenmaß, unter dem das Objekt dem Beobachter erscheint.

Bei bekannter Rotverschiebung und bekanntem kosmologischen Modell gilt auch:

So kann dann von der Rotverschiebung auf die tatsächliche Größe eines Objektes geschlossen werden.

Unter Verwendung der mitbewegten Entfernung gilt:

mit

Die Funktion unterscheidet zwischen dreidimensionalen raumartigen Hyperflächen konstanter Zeit mit positiver, verschwindender oder negativer Krümmung .

Leuchtkraftentfernung

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Ebenso ergibt sich die Leuchtkraftentfernung (engl.: luminosity distance) aus der Analogie zur Euklidischen Geometrie. Berücksichtigt man die verspätete Ankunft der Photonen beim Beobachter durch die dazwischen liegende Ausdehnung des Universums, ihre Rotverschiebung sowie die Photonenzahlerhaltung, so erhält man

Allgemeine Eigenschaften der verschiedenen Entfernungsdefinitionen

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Durch die Vorfaktoren von und die Nichtlinearität von , besitzen weder die Winkeldurchmesserentfernung noch die Leuchtkraftentfernung eine additive Eigenschaft. Betrachtet man zwei Objekte 1 und 3, mit einem dazwischen liegenden Objekt 2, dann ist die Entfernung zwischen 1 und 3 nicht gleich der Summe der Entfernungen zwischen Objekt 1 und 2, und Objekt 2 und 3:

Die Laufzeitentfernung und die mitbewegte Entfernung hingegen sind additiv.

In einem flachen Universum gilt mit der konformen Zeit η:

Zahlenbeispiele

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Für die folgenden Rotverschiebungen ergeben sich die verschiedenen Distanzen (in Milliarden Lichtjahren) zum Beobachter ():

0,1 0,5 01,0 03,0 006,0
Laufzeitentfernung 1,280 4,970 07,600 11,190 012,370
Mitbewegte Entfernung 1,340 6,070 10,620 20,430 026,510
Winkeldurchmesserentfernung 1,220 4,050 05,310 05,110 003,790
Leuchtkraftentfernung 1,480 9,110 21,240 81,710 185,540

Hierbei fällt auf, dass die Winkeldurchmesserdistanz keine monotone Funktion der Rotverschiebung ist, sondern für ein Maximum aufweist, um danach wieder kleiner zu werden. Dies bedeutet, dass dasselbe Objekt für wachsende Rotverschiebungen immer kleiner erscheint, bei ein Minimum erreicht, und für größere Entfernungen dem Beobachter wieder größer erscheint.

Die Laufzeitentfernung strebt für unendlich große Rotverschiebungen einen konstanten Wert an (der Zahlenwert des Alters des Universums, in Lichtjahren). Die Leuchtkraftentfernung strebt hingegen gegen unendlich, das heißt, die scheinbare Helligkeit eines Objektes nimmt mit zunehmender Rotverschiebung sehr stark ab. In der Tat sinkt die Flächenhelligkeit mit .

Anwendungsbeispiele

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Eine Galaxie habe die Rotverschiebung 0,5. Ihr Licht war demnach bis zum Beobachter 5,0 Milliarden Jahre unterwegs. Ihre Laufzeitdistanz beträgt damit 5,0 Milliarden Lichtjahre. Möchte man aus der scheinbaren Helligkeit der Galaxie (z. B. Magnitude = 22) auf ihre tatsächliche Helligkeit schließen, so muss die Leuchtkraftentfernung verwendet werden. Diese beträgt dann 9,1 Milliarden Lichtjahre. Ähnlich funktioniert die Größenbestimmung. Ermittelt ein Beobachter für die scheinbare Größe der Galaxie eine bestimmte Winkelausdehnung, so muss die Winkeldurchmesserdistanz verwendet werden, um ihre tatsächliche Größe zu bestimmen.

  • C. Misner, K. S. Thorne, J. A. Wheeler: Gravitation. W. H. Freeman, San Francisco 1973, ISBN 0-7167-0344-0.
  • J. A. Peacock: Cosmological Physics. Cambridge University Press, 2001, ISBN 0-521-42270-1.

Einzelnachweise

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  1. www.spektrum.de.
  2. Tutorial Part 2 Ned Wright's cosmology calculator