Kreishaus Erbach
Das Kreishaus Erbach ist das ehemalige Dienstgebäude des Kreisrates des Kreises Erbach in Erbach und gehört heute zum Landratsamt des Odenwaldkreises.
Geografische Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gebäude entstand an der Stelle der Gerichtsstätte der Erbacher Zent. Später arbeitete hier eine gräflich-erbachische Ziegelei.[1] Es liegt auf einer leichten Erhebung und ist der beherrschende Bau im nördlichen Teil der Stadt. Zum Zeitpunkt des Baus lag der Bauplatz auf freiem Gelände, weit vor der Stadt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Amtssitz der Land- und späteren Kreisräte in Erbach war zunächst das Tempelhaus[2], ab 1825 das neu erbaute Gerbich’sche Haus und ab 1845 das Haus Luck / Eichhofer. Ab den 1880er Jahren reichen die Räume für die wachsende Verwaltung nicht mehr aus und der bauliche Zustand des angemieteten Hauses Luck / Eichhofer war schlecht.[3] Einen Sitzungsraum gab es nicht, der Kreistag trat in dem Raum einer von dem Grafen Erbach subventionierte[n] Handarbeitsschule zusammen.[4] Es dauert aber fast 20 Jahre, bevor der Neubau in Angriff genommen wurde, von 1899 bis 1901 erstrecken sich dann Verhandlungen über und schließlich der Kauf des Baugeländes.[5] Baubeginn war im Juni 1902[6], die Bauleitung lag beim Großherzoglichen Hochbauamt Dieburg.[7]
Die Pläne für das neue Kreishaus stammten von dem Großherzoglich Geheimen Oberbaurat Karl Hofmann, der damals Professor an der Technischen Hochschule Darmstadt war.[8]
Im Dezember 1903 war das Gebäude so weit fertiggestellt, dass erste Dienststellen einziehen konnten. Der Umzug erfolgt sukzessive und der Mietvertrag über das alte Kreisamt lief am 31. März 1904 aus.[9] Eine offizielle Einweihung scheint nicht stattgefunden zu haben. Das Gebäude umfasste 1529 m² Fläche, die Kosten lagen bei 134.405 Mark und etwas unter dem Kostenvoranschlag.[10]
Bauwerk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gebäude ist ein repräsentatives, schlossartiges Bauwerk im Stil der Neurenaissance. Das Gebäude besteht aus zwei Flügeln, die zueinander in einem Winkel von 45° angeordnet sind. In dem „Scharnier“ der beiden Flügel sind der Haupteingang und das Treppenhaus angeordnet. Der linke Flügel ist nur etwa halb so lang wie der rechte. Durch Giebel in geschweiften Renaissance-Formen und eine reiche Gliederung der mit Schiefer gedeckten Dächer wirkt der Baukörper komplex. Heute wäre eine derartige Architektur, welche nur um der Schönheit Willen riesige Dachräume geschaffen hat, aufgrund fehlender Finanzmittel undenkbar.[11] Das Äußere ist aus rustikal behauenem, roten Odenwälder Buntsandstein gestaltet, den der Bauunternehmer und Steinmetz Adam Hild aus seinem Steinbruch in Hetzbach lieferte.[12]
Das Gebäude hat ein Sockelgeschoss und zwei Obergeschosse. Dem Sockelgeschoss des rechten Flügels war eine Terrasse vorgelagert, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Garagen umgestaltet wurde. Über eine Freitreppe an einem Ende gelangten Besucher auf die Terrasse, die sie komplett überqueren mussten, um an den Haupteingang zu gelangen, der im ersten Obergeschoss lag. Hier befanden sich die Amtsräume des Kreisrats und der anderen Beamten. Im zweiten Obergeschoss lagen im linken Flügel der Sitzungssaal, ein Beratungszimmer und ein Warteraum, im rechten Flügel die Dienstwohnung des Kreisrates.[13]
1952 wurden in die großen Dachräume weitere Diensträume eingebaut[14], wofür in das Dach auch neue Schleppgauben eingefügt wurden.[15]
1959 wurde neben dem historischen Kreishaus ein zweistöckiger Neubau ausgeführt. Bereits 1964 musste er aufgestockt werden und wurde mit dem historischen Gebäude durch einen Zwischenbau – dem heutigen Eingang zum Landratsamt – verbunden.[16] 1987 wurde das Landratsamt erneut erweitert.[17]
Heute ist das historische Kreishaus aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen ein Kulturdenkmal aufgrund § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz.[18]
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hochbauamt Dieburg: Baubeschreibung = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Signatur G34 Nr. 4942.
- Reimund Bechtold und Anja Hering: Bauherr, Architekt, Bauleitung und Steinmetzmeister. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 27–32.
- Ingeborg Diersch: Skizzen und Pläne. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 33–47.
- Ingeborg Diersch und Anja Hering: Mühsamer Anfang. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 19–26.
- Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN.
- NN: Bühne frei für das Großherzogliche Kreisamt. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S.
- NN: Historische Gesamtansichten. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 13–18.
- NN: Kreisamt Erbach 1903–2003 mit den Kreisräten und Landräten. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 62–67.
- Horst Schnur: 181 Jahre Odenwaldkreis. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 7–11.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Odenwaldkreis / Erbach / Michelstädter Straße 12 in der Denkmaldatenbank denkxweb.de des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen.
Koordinaten: 50° 8′ 3,1″ N, 8° 55′ 29,8″ O
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Diersch: Skizzen und Pläne, S. 33.
- ↑ Schnur, S. 8.
- ↑ Diersch / Hering: Mühsamer Anfang, S. 21.
- ↑ Diersch / Hering: Mühsamer Anfang, S. 22.
- ↑ Diersch / Hering: Mühsamer Anfang, S. 23f.
- ↑ Diersch / Hering: Mühsamer Anfang, S. 26.
- ↑ Bechtold / Hering: Bauherr, S. 27.
- ↑ Odenwaldkreis / Erbach / Michelstädter Straße 12 (Weblinks); Bechtold / Hering: Bauherr, S. 27.
- ↑ NN: Bühne frei, S. 53.
- ↑ NN: Statistik der hessischen Staatsbauten. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 56f. (57).
- ↑ NN: Historische Gesamtansichten, S. 13.
- ↑ Bechtold / Hering: Bauherr, S. 31.
- ↑ NN: Historische Gesamtansichten.
- ↑ NN: Stimmen zum Neubau. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 58f. (59).
- ↑ NN: Impressionen. In: Kreisausschuss des Odenwaldkreises (Hg.): 100 Jahre Kreisamt zu Erbach. Erbach 2003. Ohne ISBN, S. 68–92 (69).
- ↑ NN: Kreisamt Erbach 1903–2003, S. 66.
- ↑ NN: Kreisamt Erbach 1903–2003, S. 67.
- ↑ Odenwaldkreis / Erbach / Michelstädter Straße 12 (Weblinks).