Kylindrit
Kylindrit | |
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Kylindrit aus der Mina San Francisco, Poopó, Bolivien (Größe: 3,0 cm × 2,5 cm × 1,5 cm) | |
Allgemeines und Klassifikation | |
IMA-Symbol |
Cy[1] |
Andere Namen |
Cylindrit |
Chemische Formel | |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfide und Sulfosalze |
System-Nummer nach Strunz (8. Aufl.) Lapis-Systematik (nach Strunz und Weiß) Strunz (9. Aufl.) Dana |
II/B.13 II/C.17-080 2.HF.25a 03.01.04.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | triklin |
Kristallklasse; Symbol | triklin-pedial; 1 |
Raumgruppe | P1 (Nr. 1)[3] |
Gitterparameter | siehe Kristallstruktur |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,5 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 5,42 bis 5,49; berechnet: 5,443[4] |
Spaltbarkeit | sehr vollkommen nach {100}[4] |
Farbe | bleigrau bis schwarz |
Strichfarbe | schwarz |
Transparenz | undurchsichtig |
Glanz | Metallglanz |
Kylindrit (engl. Cylindrite; IMA-Symbol Cy[1]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung FePb3Sn4Sb2S14[2] und damit chemisch gesehen ein Eisen-Zinn-Blei-Antimon-Sulfosalz.
Kylindrit kristallisiert im triklinen Kristallsystem, ist in jeder Form undurchsichtig und entwickelt ungewöhnliche Kristallformen, die aus einzelnen, übereinandergerollten Schalen mit zylindrischem oder konischem, selten auch kugeligem Habitus bestehen und oft in büscheligen oder fächerförmigen Aggregaten von bis zu fünf Zentimetern Größe angeordnet sind. Seine Farbe variiert zwischen bleigrau und schwarz, seine Strichfarbe ist dagegen rein schwarz. Frische Proben weisen einen metallischen Glanz auf.
Etymologie und Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erstmals entdeckt wurde Kylindrit in der „Mina Santa Cruz“ (Grube Santa Cruz) nahe Poopó im bolivianischen Departamento Oruro und beschrieben 1893 durch Friedrich August Frenzel, der das Mineral aufgrund seiner charakteristischen zylindrischen bis walzenförmigen Gestalt nach dem altgriechischen Wort κυλίνδειν [kylíndein] für rollen oder wälzen benannte.
Klassifikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Kylindrit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis M : S = 1 : 1“, wo er zusammen mit Franckeit im Anhang der „Herzenbergit-Reihe“ mit der System-Nr. II/B.13 und den Hauptmitgliedern Herzenbergit und Teallit eingeordnet ist.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/C.17-80. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te ≈ 1 : 1“, wo Kylindrit zusammen mit Abramovit, Coirait, Franckeit, Herzenbergit, Lévyclaudit, Merelaniit, Mohit, Stistait, Suredait, Teallit und Znamenskyit die unbenannte Gruppe II/C bildet.[5]
Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[6] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kylindrit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort allerdings in die Abteilung der „Sulfosalze mit SnS als Vorbild“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen bzw. der Struktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit SnS- und PbS-Archetyp-Struktureinheiten“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Kylindritgruppe“ mit der System-Nr. 2.HF.25a und den weiteren Mitgliedern Abramovit und Lévyclaudit bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kylindrit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfosalze“ ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der „Kylindritgruppe“ mit der System-Nr. 03.01.04 und den weiteren Mitgliedern Abramovit, Franckeit und Coirait sowie den inzwischen als Varietäten von Franckeit diskreditierten Incait und Potosíit innerhalb der Unterabteilung der „Sulfosalze mit dem Verhältnis z/y > 4 und der Zusammensetzung (A+)i(A2+)j[ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.
Kristallstruktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kylindrit kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 1) mit einer sehr komplexen Kristallstruktur, bestehend aus zwei triklinen Untergittern mit der gemeinsamen Ebene (100), der Achse a0 und den Gitterparametern:
- hC: a = 11,73 Å; b = 3,67 Å; c = 6,32 Å; α = 91°; β = 91° und γ = 91°[3]
Strukturell besteht Kylindrit aus gewellten Schichten, in denen sich die pseudotetragonal (tC) kristallisierende Verbindung MeS (Me= Pb, Sn, Ag, Fe) mit deformierter PbS-Struktur und die pseudohexagonal (hC) kristallisierende Verbindung SnS2 mit Sn in oktaedrischer Koordination abwechseln.[7]
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von kalten Säuren wird Kylindrit kaum angegriffen. Heiße Salzsäure und Salpetersäure lösen ihn dagegen allmählich auf. Vor dem Lötrohr auf Kohle schmilzt Kylindrit leicht zur Kugel und gibt Schweflige Säure sowie einen Beschlag aus Bleioxid und Zinnoxid ab.[8]
Bildung und Fundorte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kylindrit bildet sich hydrothermal in zinnhaltigen Gängen. Begleitminerale sind unter anderem Boulangerit, Franckeit, Galenit, Incait, Jamesonit, Kassiterit, Potosíit, Pyrit, Sphalerit, Stannit und Teallit.[4]
Als seltene Mineralbildung konnte Kylindrit bisher nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 20 Fundstätten dokumentiert sind (Stand 2022).[9] Neben seiner Typlokalität „Grube Santa Cruz“ trat das Mineral in Bolivien noch in der ebenfalls bei Poopó gelegenen „Grube San Francisco“ sowie innerhalb der Provinz Poopó noch in der „Grube Trinacria“ auf. Diese Bergwerke sind auch durch ihre reichhaltigen Mineralfunde mit Kristallgrößen bis etwa 5 cm Länge bekannt.[10] Daneben fand sich Kylindrit noch in mehreren weiteren Bergwerken in dem Departamento Oruro und dem Departamento Potosí.
Weitere Fundorte ist unter anderem das Oploca-Ader-System der „Grube Oploca“ in der Pirquitas-Lagerstätte der argentinischen Provinz Jujuy, die Sukhoi Log Lagerstätte bei Bodaibo in der russischen Oblast Irkutsk (Ostsibirien) sowie die Nikitovka-Lagerstätte im Donezbecken nahe Donezk in der Ukraine.[11]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- A. Frenzel: Ueber den Kylindrit. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaontologie. Band 2, 1893, S. 125–128 (rruff.info [PDF; 519 kB; abgerufen am 13. Dezember 2022]).
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 215–216.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kylindrit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung
- Cylindrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy (englisch).
- David Barthelmy: Cylindrite Mineral Data. In: webmineral.com. (englisch).
- search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF) (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 13. Dezember 2022]).
- ↑ a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
- ↑ a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 132 (englisch).
- ↑ a b c Cylindrite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 52 kB; abgerufen am 13. Dezember 2022]).
- ↑ Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- ↑ Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
- ↑ Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 215–216.
- ↑ A. Frenzel: Ueber den Kylindrit. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaontologie. Band 2, 1893, S. 125–128 (rruff.info [PDF; 519 kB; abgerufen am 13. Dezember 2022]).
- ↑ Cylindrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. Dezember 2022 (englisch).
- ↑ Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 37.
- ↑ Fundortliste für Kylindrit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 13. Dezember 2022.