Ladislav Štoll
Ladislav Štoll (* 26. Juni 1902 in Gablonz an der Neiße, heute Jablonec nad Nisou, Böhmen, Österreich-Ungarn; † 6. Januar 1981 in Prag) war ein tschechoslowakischer Literatur- und Kunstkritiker, der die stalinistische Linie vertrat. Als Politiker der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gehörte er von 1953 bis 1960 der tschechoslowakischen Regierung an.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ladislav Štoll wurde 1902 im böhmischen Gablonz an der Neiße geboren. Sein Vater fiel im Ersten Weltkrieg. 1926 trat Ladislav Štoll in die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) ein.[1] Ab 1929 betätigte er sich als Journalist,[1] wobei er auch deutschsprachige Literatur rezensierte.[2] Von 1934 bis 1937 weilte er in Moskau und übersetzte die Schriften von Marx und Engels aus dem Deutschen ins Tschechische. Ab 1937 arbeitete er für die tschechischen Druckerzeugnisse Tvorba, eine Kulturzeitschrift, und Rudé právo, ein kommunistisches Parteiblatt. Während der deutschen Besatzung in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 verrichtete er illegale Parteiarbeit.[1]
1946 wurde er Professor, später Rektor an der Hochschule für Politik und Sozialwissenschaften in Prag. 1953 war er tschechoslowakischer Minister für Hochschulwesen und von 1954 bis 1960 Minister für Kultur. Als Rektor des Instituts für Gesellschaftswissenschaften war er von 1957 bis 1961 dem Zentralkomitee (ZK) der KSČ unterstellt. 1960 wurde Štoll Mitglied der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, 1962 Direktor des Instituts für tschechische Literatur in derselben und schließlich Vizepräsident dieser Institution. Außerdem war er in den 1960er und 1970er Jahren Mitglied des ZK der KSČ und Vorsitzender des Ausschusses für sozialistische Kultur.[1]
Sein Sohn Ivan Štoll ist ein in der Tschechischen Republik bekannter Physiker.
Kunstauffassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ladislav Štoll war der oberste stalinistische Kulturwächter seines Landes, dessen marxistischem Kunstgeschmack sich die Künstler zu unterwerfen hatten.[3][4][5][6] Im Formalismus und der Abstraktion sah er Indizien für eine sich zersetzende Gesellschaft. Er unterstellte den Vertretern dieser Richtungen Talentlosigkeit und Schwindel oder zumindest einen Mangel an ästhetischem Empfinden. Die Menschen einer „voranschreitenden Epoche“ seien dagegen der „objektiven Schönheit“ zugewandt.[7] Seiner Auffassung nach müsse der Künstler „hinter seinem Werk verschwinden“, denn der Rezipient wolle nicht über die Probleme des Künstlers nachdenken und über Kohärenzen spekulieren.[8]
Werke in deutscher Sprache
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Künstler und Wirklichkeit. [Deutsche Übersetzung von Josefa Lenková.] Orbis, Prag 1948.
- Dreißig Jahre Kampf für eine tschechische sozialistische Poesie. (Enthält auch: Die Wissenschaft geht mit dem Volke und Künstler und Wirklichkeit.) Dietz Verlag, Berlin 1953.
- Kunst und ideologischer Kampf (= Studienbibliothek der marxistisch-leninistischen Kultur- und Kunstwissenschaften). Herausgegeben von Ilse Seehase. Dietz Verlag, Berlin 1975.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Klappentext zu Kunst und ideologischer Kampf.
- ↑ Ladislav Štoll: Teurer Arnold Zweig. In: Deutsche Akademie der Künste (Hrsg.): Sinn und Form. Beiträge zur Literatur. Sonderheft Arnold Zweig. Rütten & Loening, Berlin 1952, S. 20.
- ↑ Natascha drubek-Meyer: Der Leichenverbrenner (1968) von Ladislav Fuks und seine Verfilmung durch Juraj Herz im Kontext der tschechischen Nachkriegsprosa über den Holocaust. In: Peter Kosta, Holt Meyer, Natascha Drubek-Meyer (Hrsg.): Juden und Judentum in Literatur und Film des slavischen Sprachraums. Die geniale Epoche (= Jüdische Kultur. Studien zur Geistesgeschichte, Religion und Literatur. Band 5). Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04170-6, S. 58.
- ↑ Peter Steiner: The Deserts of Bohemia. Czech Fiction and its Social Context. Cornell University Press, Ithaca/London 2000, ISBN 0-8014-3717-2, Politics or Poetics: An Introduction, S. 3.
- ↑ Peter Hames: Czech and Slovak Cinema. Theme and Tradition. Edinburgh University Press, Edinburgh 2005, ISBN 978-0-7486-2081-4, Kapitel 5. The Holocaust, S. 95–111.
- ↑ Nikolaus Lobkowicz: Marxismus-Leninismus in der ČSR. Die Tschechoslowakische Philosophie seit 1945 (= Sovietica). D. Reidel Publishing Company, Dordrecht 1961, ISBN 978-94-010-3648-1, Kapitel 4. Allgemeine Charakteristik b. Die Rangordnung der Autoritäten, S. 94 (keine ISB-Nummer 10 angegeben).
- ↑ Ladislav Štoll: Kunst und ideologischer Kampf. Hrsg.: Ilse Seehase (= Studienbibliothek der marxistisch-leninistischen Kultur- und Kunstwissenschaften). Dietz Verlag, Berlin 1975, Abstraktionismus und Ideologie, S. 248–266.
- ↑ Ladislav Štoll: Künstler und Wirklichkeit. Orbis, Prag 1948, S. 61 f.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jaroslava Heřtová: Ladislav Štoll. Horizont, Prag 1986. (Tschechisch)
- Drahomíra' Kořínková, Štěpán' Vlašín: Bibliografie díla Ladislava Štolla. Praha Státní Pedagogické Nakladatelství, Prag 1974. (Tschechisch)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Personendaten | |
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NAME | Štoll, Ladislav |
KURZBESCHREIBUNG | tschechoslowakischer Literaturkritiker, Kunstkritiker und Politiker |
GEBURTSDATUM | 26. Juni 1902 |
GEBURTSORT | Jablonec nad Nisou, Böhmen |
STERBEDATUM | 6. Januar 1981 |
STERBEORT | Prag |
- Minister (Tschechoslowakei)
- KSČ-Mitglied
- Zeitungsjournalist
- Journalist (Tschechoslowakei)
- Kunstkritiker
- Literaturkritiker
- Übersetzer aus dem Deutschen
- Übersetzer ins Tschechische
- Hochschullehrer (Prag)
- Rektor einer Hochschule
- Mitglied der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste
- Person (tschechoslowakischer Widerstand 1939–1945)
- Person (Königreich Böhmen)
- Person (Cisleithanien)
- Tschechoslowake
- Geboren 1902
- Gestorben 1981
- Mann