Landgoed Clingendael

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Clingendael ist ein Landgut aus dem 17. Jahrhundert, es liegt in der holländischen Gemeinde Wassenaar an der Grenze zu Den Haag[1]. Seit 1982 ist Clingendael Sitz des Clingendael Institute (the Netherlands Institute of International Relations). Das Anwesen ist Eigentum der Gemeinde Den Haag.

Huys Clingendael, Urheber G.Lanting

Im 16. Jahrhundert stand auf dem Grund des heutigen Landguts Clingendael nur ein Bauernhof. Das Gebiet hieß Clinge (Tal zwischen den Dünen)[2]. 1591 kaufte Philips Doubleth die Ländereien. Sein Enkel Philips Doubleth III (1633-1707) riss den Hof ab, baute an der Stelle ein Landhaus und nannte es 'Clingendael'. Er ließ sich von der französischen klassizistischen Gartenarchitektur des zwischen 1670 und 1680 berühmt gewordenen Le Nôtre-Stils inspirieren und legte nach eigenem Entwurf einen Garten im Barockstil an, mit vielen Buchsbaumhecken und symmetrischen Elementen[3][4]. Das Haus wurde zum Zentrum von Kunst und Kultur. Philips Doubleths Mutter Geertruid und sein Onkel und Schwiegervater Constantijn Huygens spielten dabei eine wichtige Rolle.

1804 kam Clingendael in die Hände von W.J. Baron van Brienen van de Groote Lindt[5]. 1839 kaufte sein Sohn Arnoud das angrenzende Anwesen Oosterbeek, das nur durch einen gewundenen Kanal von Clingendael getrennt ist[6]. Er beauftragte Jan David Zocher mit der Landschaftsgestaltung beider Ländereien, die zeitgemäß angelegt werden sollten[7]. Die Urenkelin von Arnoud van Brienen, Marguérite Baroness van Brienen, genannt Freule (Freiin) Daisy (Den Haag 1871 - 1939), lebte bis zu ihrem Tod auf Clingendael. Durch ihre guten Kontakte in den Niederlanden und in England wurde Clingendael (wieder) international bekannt. Nach einem Japanaufenthalt im Jahr 1911 ließ sie auf dem Anwesen einen japanischen Garten in einem Teil des Jagdstern-Gebiets anlegen und nach 1915 nach eigenem Entwurf den altniederländischen Garten, der anfangs 'Dutch Garden' genannt wurde. Freule Daisy wohnte regelmäßig im Gästehaus, um Heizkosten zu sparen, aber auch, um das Haupthaus temporär an Diplomaten zu vermieten[3]. 1914 wurde das Gebäude renoviert und 1915 ausgebaut.

Freule Daisy van Brienen

Im Zweiten Weltkrieg wohnte Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart auf Clingendael. Zusätzlich zu den Luftschutzkellern ließ er einen als Bauernhof getarnten Bunker an der Grenze zu Oosterbeek sowie mehrere Bunker auf dem benachbarten Anwesen bauen.

Am 14. März 1942 wurden u. a. der Widerstandskämpfer Pim Boellaard, der im Oranjehotel gevangen genommen war, von Seyß-Inquart und Heinrich Himmler auf dem Gelände befragt. Auf einem ehemaligen Kutschenhaus gegenüber dem Haupthaus wurde zum Andenken daran eine Gedenktafel angebracht[8].

1943 wurde Clingendael Teil des Atlantikwalls, dafür wurde jedoch ein freies Schussfeld benötigt. Es wurden Bäume gefällt, Bunker gebaut und Häuser abgerissen[9]. Auch der Den Haager Zoo wurde dafür geopfert. Clingendael durfte stehenbleiben und wurde zu einer Festung ausgebaut.

Nach dem Krieg wohnten die Erben von Marguérite van Brienen in dem Haus. 1954 wurde Clingendael an die Gemeinde Den Haag verkauft und nach 1979 von Grund auf renoviert. Seit 1983 ist dort dasClingendael Institute (the Netherlands Institute of International Relations) untergebracht.

Verkauf des Landguts

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2004 zog die Gemeinde in Erwägung, auf dem Grundstück die neue Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika zu errichten, was auf großen Protest der Anwohner stieß[10]. Ende 2006 einigte man sich über den endgültigen Standort der Botschaft: Sie wurde angrenzend an das Landgut und unweit des Huis ten Bosch gebaut[11].

Dieses Gebiet gehört nun zur Gemeinde Wassenaar, die das Grundstück 2010 der Gemeinde Den Haag abkaufte. 2018 verließ die Botschaft die Innenstadt von Den Haag, weil die Sicherheitsmaßnahmen dort zu viele Probleme verursachten. Der Umzug auf das Grundstück neben dem Landgut Clingendael stieß aufgrund seiner Lage inmitten eines gefährdeten Naturschutzgebiets bei Anwohnern und Umweltschutzgruppen auf großen Widerstand. 2013 wurde jedoch planmäßig mit dem Bau der Botschaft begonnen, die 2018 offiziell eröffnet wurde.

Die Nebengebäude

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Das Kutschenhaus

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Gegenüber dem Haupthaus steht ein altes Kutschenhaus. Es ist teils bewohnt und dient teils Kunstschaffenden als Atelierraum.

Gärtnerhäuser

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Am Eingang des Parks stehen zwei kleine, rietgedeckte Häuser, deren Fensterläden in den Farben des Familienwappens (rot und weiß) bemalt sind. Links von der Einfahrt stehen die Häuser für das Personal. An der Van Alkemadelaan stehen noch zwei „norwegische“ Holzhäuser aus dem Jahr 1931.

Vor dem Zweiten Weltkrieg lag das Gästehaus näher am Haupthaus. Im Krieg ließ Seyß-Inquart es verlegen. Nach dem Krieg wurde daraus eine Teestube[3].

Landgüter hatten oft einen Eiskeller. Im Winter wurden Eisblöcke aus dem Kanal herausgeschlagen und in einem Eiskeller im Wald gelagert. Der Keller wurde mit Sägemehl ausgelegt, damit die Eisblöcke nicht aneinander festfrieren konnten. Der Eiskeller befand sich in der Nähe des altniederländischen Gartens.

Eiskeller von Clingendael, Urheber Gerard Dukker

Baron van Brienen ließ den Garten von Jan David Zocher im englischen Landschaftsstil anpassen[7]. Nach Zocher kümmerten sich die Landschaftsgärtner Springer und Petzold um den Garten.

Japanischer Garten

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Der berühmteste Teil der Gartenanlage ist zweifellos der japanische Garten. Er ist nur acht Wochen im Jahr der Öffentlichkeit zugänglich, 6 Wochen im Frühjahr (vom letzten Aprilwochenende bis Anfang Juni) und 2 Wochen im Herbst (die letzten zwei Oktoberwochen)[12], da er bereits sehr alt ist und nicht zu stark zu belastet werden sollte. Freule Daisys Interesse für japanische Gärten ist sehr wahrscheinlich auf ihre intensiven Kontakte nach England zurückzuführen, japanische Gärten waren dort damals sehr populär[13]. 1911 reiste Freule Daisy nach Japan und ließ von dort Steinlaternen in vielen verschiedenen Formen, einen Wasserbrunnen in Form einer Lotusblüte und einen weiteren mit 4 Buddha-Abbildungen nach Clingendael verschiffen, um dort einen japanischen Garten anzulegen[14]. 1913 wurde der Garten fertiggestellt. Mit einer Fläche von 6800 m² ist er der größte japanische Garten in den Niederlanden[14]. Der Garten ist seit 2001 ein Nationaldenkmal. 2020 und 2021 war der Garten aufgrund der Corona-Pandemie ganz geschlossen.

Im April 2013 wurde das 100-jährige Jubiläum des Gartens mit einem japanischen Fest gefeiert.

Japanischer Garten, Urheber G.Lanting

Auch der dichtbewachsene Jagdstern stammt aus der Zeit von Freule Daisy. Die Bepflanzung besteht aus Azaleen und Rhododendren.

Geschlängelte Mauer

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Die geschlängelte Mauer (Obstmauer) wurde 1730 errichtet und ist 20 m lang. Ihre Nischen sollten Obstbäumen wie Aprikosen-, Birnen-, Pfirsich- und Pflaumenbäumen und deren Früchten Schutz bieten. 2014 wurde sie restauriert und neu mit Obstbäumen bepflanzt[15]. Sie wird oft fälschlicherweise als Serpentinenmauer bezeichnet, deren Konstruktion jedoch etwas anders ist: Sie muss nicht gestützt werden und die Mauer ist nur einen Ziegel dick.

Geschlängelte Mauer, Urheber Pvt pauline

Altniederländischer Garten

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Die Steintreppe wurde im französischen Stil von Springer (1887) angelegt[16] Zusammen mit Buchsbaumhecken und Blumenbeeten rundet sie den Garten ab. In der Mitte stand die Bronzestatue des ‚Tanzenden Mädchens‘ von dem Künstlerpaar Jean und Marianne Bremers, das 2009 gestohlen wurde.[17]

Holländischer Garten, Urheber G. Lanting

Freule Daisy hatte ihr ganzes Leben über immer Hunde gehalten. Sie ließ sie unter einer Linde begraben, einem solitären Baum im Garten, der vom Haus gut zu sehen ist. Die 14 Grabsteine standen damals aufrecht, aber Seyß-Inquart ließ sie flach auf den Boden legen. Das geschah vermutlich aus Angst, dass sich niederländische Scharfschützen hinter ihnen hätten verschanzen können; es gab aber auch Gerüchte, dass Seyß-Inquarts Frau sich an dem markanten Anblick der aufrecht stehenden Grabsteinen gestört hat.[18]

Hundefriedhof, Urheber Pvt pauline
Commons: Landgoed Clingendael – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Beschrijving in monumentenregister monumentenregister.cultureelerfgoed.nl, bezocht 6-2-2013. Gearchiveerd op 5 April 2023.
  2. Clingedael. In: The City, The Beach, The Hague. denhaag, abgerufen am 19. Juni 2024 (niederländisch, englisch, deutsch).
  3. a b c Joost S.H. Gieskes: GESCHIEDENIS VAN CLINGENDAEL IN KORT BESTEK. In: CASCADE, Bulletin voor tuinhistorie, 18e jaargang (2009). Nr. 1, 2009, S. 38.
  4. Landgoed Clingendael: historische tuin- en parkaanleg in Wassenaar. In: rijksmonumenten. Abgerufen am 30. August 2024 (niederländisch).
  5. DE HISTORIE VAN HUYS CLINGENDAEL: DE FAMILIE VAN BRIENEN. In: Clingendael 40 years of top knowledge and training. Clingendael, 9. März 2023, abgerufen am 19. Juni 2024 (englisch, niederländisch).
  6. Buitenplaats Oosterbeek. In: Buitenplaatsen in Nederland. 26. März 2024, abgerufen am 3. September 2024 (niederländisch).
  7. a b Landgoed Clingendael. In: visitacity. Abgerufen am 3. September 2024.
  8. DEN HAAG, MONUMENT OP HET LANDGOED ‘CLINGENDAEL’. In: Nationaal Comité 4 en 5 mei. Nationaal Comité 4 en 5 mei, abgerufen am 19. Juni 2024 (niederländisch).
  9. Christian Quist: Geschichte des Atlantikwalls. In: Geschiedenis van Zuid-Holland. Erfgoedhuis Zuid-Holland, abgerufen am 19. Juni 2024.
  10. Amerikaanse Ambassade verhuist naar Clingendael. In: wijkbelangenuilennest. 2004, abgerufen am 19. Juni 2024 (niederländisch).
  11. Ambassade VS niet naar Clingendael. In: rd reformatorisch dagblad. 22. Juni 2005, abgerufen am 19. Juni 2024 (niederländisch).
  12. Japanse Tuin. In: www.denhaag.nl. Den Haag, abgerufen am 13. Juni 2024 (niederländisch).
  13. Joost S.H. Gieskes: De Japanse tuin van Clingendael honderd jaar. In: Tuinhistorisch Genootschap Cascade. 21. März 2013, abgerufen am 24. Juni 2024 (niederländisch).
  14. a b Japanse Tuin. In: take the hague. take the hague, abgerufen am 13. Juni 2024 (englisch, niederländisch).
  15. Landgoed Clingendael. In: Espalier.org. Abgerufen am 24. Juni 2024 (niederländisch, englisch).
  16. Restauratie van Clingendael’s Dutch Garden of Oud-hollandse tuin (1). In: TUINHISTORISCH GENOOTSCHAP CASCADE. 18. September 2008, abgerufen am 27. Juni 2024 (niederländisch).
  17. Buitenkunst Den Haag. In: Buitenkunst Den Haag. Abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch, niederländisch).
  18. Joost Gieskes: De hondjes van de freule. In: avn. März 2020, abgerufen am 27. Juni 2024 (niederländisch).
  • Bezemer-Sellers,V., Clingendael, a Le Nôtre style garden, Journal of Garden History Vol.7 no.1, London 1981.
  • Doorn, M. van, en Vaillant, C., Clingendael, het huis, de tuinen, de bewoners, Den Haag 1982.
  • Gieskes, J.S.H., De landschappelijke ontwikkeling van Clingendael en Oosterbeek, Den Haag 1994.
  • Gieskes, J.S.H., De Japanse tuin in Clingendael, Den Haag 2005
  • Hardenberg, H., Het Oude Benoordenhout, Den Haag 1974, pp.
  • Familiearchief Michiels van Kessenich, Regionaal Historisch Centrum Limburg,
  • Nijkamp, J.A., Natuurlijk Den Haag, Den Haag 1976, pp.
  • Scheffer, C., ‘Buitenplaatsen’, Jaarboek Monumentenzorg, Zeist1998, pp.
  • Sellers-Bezemer,V., ‘The Formal Garden of the Estate Clingendael, 1680-1830’, Congresbundel Symposium Werkgroep Achttiende Eeuw, plaatsnaam 1985, pp.
  • Stal, K., Den Haag in kaart gebracht, Den Haag 1998, pp.
  • Strien, T. van en Leer, K. van der, Hofwijck, het gedicht en de buitenplaats van Constantijn Huygens, Zutphen 2002, pp.
  • Wijsenbeek, Th., Het Lange Voorhout, Den Haag 1998, pp.
  • Handelingen Gemeenteraad Den Haag 1954, pp 891-909, Haags Gemeentearchief.
  • Nederlands adelsboek, Centraal Bureau voor Genealogie, Den Haag 1954 (‘Rode Boekje’).
  • Wassenaar in de Tweede Wereldoorlog van F.R. Hazenberg, A.N.W. Kenens, W.P. van der Krogt, R. van Lit en C.N.J. Neisingh. (Wassenaar, Stichting Wassenaar ’40-’45, 1995), ISBN 90-802362-1-7

Koordinaten: 52° 6′ 0″ N, 4° 19′ 49″ O