Leopold Ružička

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Leopold Ružićka
Das Grab von Leopold Ružička und seiner Ehefrau Gertrud Frei auf dem Friedhof Fluntern in Zürich

Leopold Ružička (Lavoslav Stjepan Ružička; * 13. September 1887 in Vukovar, Königreich Kroatien und Slawonien, Österreich-Ungarn; † 26. September 1976 in Mammern, Kanton Thurgau, Schweiz) war ein kroatisch-schweizerischer Chemiker und Hochschullehrer.

Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule Karlsruhe und ETH Zürich, wurde er später an letzterer zum Professor für Chemie ernannt und erhielt 1939 den Nobelpreis für Chemie.[1]

Ružička war der Sohn des Küfers Stjepan Ružička und dessen Ehefrau Ljubica Sever, zu seinen Vorfahren zählten unter anderem Donauschwaben, Tschechen und Österreicher.[2] Seine Urgroßeltern umfassten einen Tschechen, von dem der Name Ružička stammt, einen Oberösterreicher und seine Frau aus Württemberg, die anderen fünf waren Kroaten.[3] Obwohl bereits 1891 sein Vater starb, schaffte es Ružička, in Osijek (in Slawonien) die Matura (Abitur) zu erreichen. 1906 immatrikulierte er sich an der Technischen Hochschule Karlsruhe für das Fach Chemie, wobei er sich hauptsächlich für die organische Chemie interessierte. Sein Doktorvater Hermann Staudinger nahm ihn nach der erfolgreichen Promotion 1910 als Assistenten auf.

Gedenkmuseum von Leopold Ružička in seinem Geburtshaus, Vukovar, Kroatien.

Im Oktober 1912 folgte Ružička Staudinger, der einen Ruf an die ETH Zürich erhalten hatte, als Assistent nach Zürich. Im selben Jahr heiratete er Anna Hausmann. 1918 erhielt er das Bürgerrecht von Zürich. Als er sich 1916 für seine Habilitation einem eigenen Forschungsgebiet zuwandte, kam es zum Bruch mit Staudinger. Ružička musste sich seinen Lebensunterhalt und die benötigten Hilfsmittel bei der chemischen Industrie suchen. Schließlich entstand eine modellhafte Zusammenarbeit zwischen akademischer und industrieller Forschung. Dabei arbeitete er mit einer der ältesten Parfümfabriken Europas zusammen; Haarmann & Reimer in Holzminden. 1918 konnte er an der ETH seine Habilitation vorlegen und schon wenige Wochen später interessierte sich die Fa. CIBA aus Basel dafür. 1920 wurde er auch Privatdozent an der Universität Zürich, was er bis 1925 blieb. 1921 boten ihm die Parfumeure Chuit, Naef & Firmenich aus Genf eine äußerst lukrative Zusammenarbeit an. 1923 wurde er an der ETH zum Titularprofessor ernannt. Wegen mangelnder Unterstützung an der ETH und besserer Arbeitsmöglichkeiten in der Genfer Industrie siedelte Ružička 1926 nach Genf über. Noch im gleichen Jahr erhielt er eine Berufung an die Universität Utrecht, wo er von Oktober 1926 bis 1929 als Professor für organische Chemie lehrte und forschte.

1929 nahm er das Angebot an, als Nachfolger von Richard Kuhn an die ETH zurückzukehren. Nun ließ er sich definitiv in Zürich nieder, wo er in der Nähe der Hochschule ein Grundstück kaufte und ein Haus bauen ließ. An der ETH widmete er sich zunächst dem Ausbau des von seinen Vorgängern vernachlässigten Laboratoriums. Das fruchtbare wissenschaftliche Umfeld und der steigende Bedarf der chemischen Industrie an Spezialisten sorgte für regen Zustrom ans Institut. Unter seinen Mitarbeitern ist besonders Tadeus Reichstein zu erwähnen, der 1938 an die Universität Basel wechselte und 1950 den Nobelpreis für Medizin erhielt. 1951 heiratete Ružička in zweiter Ehe Gertrud Acklin. 1957 ging er in den Ruhestand von seiner Professur der Chemie an der Eidgenossische Technische Hochschule. Er starb im September 1976 im Alter von 89 Jahren und wurde auf dem Friedhof Fluntern beigesetzt.

Ružička genoss durch seine Arbeiten über vielgliedrige Ringe (er galt als Herr der Kohlenstoffringe, wobei er sich vor allem mit nicht-aromatischen (alicyclischen) Ringstrukturen befasste) und Terpene sowie seine Untersuchungen über Steroide und männliche Sexualhormone hohes wissenschaftliches Ansehen. Dabei erweiterte er die Kenntnis ungewöhnlicher Ringstrukturen in der organischen Chemie um Ringe von bis zu 17 Gliedern, was zuvor für unmöglich gehalten wurde, ähnlich wie seinerzeit Ringe mit sehr wenigen Kohlenstoffatomen (weniger als sechs) bis zur Arbeit von William Henry Perkin junior, die Ruzicka als Inspiration diente.[4] Versuche zur Synthese von Ringen mit 9 Kohlenstoffatomen durch Nikolai Dmitrijewitsch Selinski und Richard Willstätter waren zuvor gescheitert und man hielt acht Kohlenstoffatome für eine obere Grenze.

Er arbeitete für die Duftstoffindustrie (wo vielfach Terpene Anwendung finden) und synthetisierte Moscin (der Hauptbestandteil von Moschus) und Zibet (Hauptbestandteil des Dufts von Zibetkatzen), die vorher sehr teure Naturstoffe waren und die Tiere bedrohten, von denen sie stammten. Er bestimmte die Struktur der männlichen Sexualhormone Testosteron und Androsteron und synthetisierte diese. Er war einer der wichtigsten Pioniere auf dem Gebiet der Terpene neben Otto Wallach und Adolf von Baeyer und formulierte 1922 die schon Wallach bekannte Biogenetische Terpenregel (der Name stammt von ihm).

Ružička fand und synthetisierte aus der Chrysanthemenart Chrysanthemum cinerariifolium (früher Pyrethrum cinerariaefolium, einer dalmatinischen Insektenpflanze) wirksame Insektizide (vom Typ der Pyrethrine).

1939 wurde ihm zusammen mit Adolf Butenandt für seine Arbeiten über Polymethylene[5] und höhere Terpenverbindungen der Nobelpreis für Chemie verliehen.

Neben vielen anderen Ehrungen wurden Ružička insgesamt acht Ehrendoktorwürden verliehen.

Er war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Akademien. 1932 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina[6] und 1936 der Königlichen Akademie von Belgien[7] gewählt.

1938 wurde Ružička in die American Academy of Arts and Sciences[8] gewählt, 1940 in die Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften und 1944 in die National Academy of Sciences.

Die ETH verleiht jährlich den von der chemischen Industrie gestifteten Ružička-Preis an in der Schweiz arbeitende junge Chemiker.[9]

Ružička engagierte sich auch politisch (u. a. im Schweizerisch-Jugoslawischen Hilfsverein und gegen Kernwaffen) und machte sich einen Namen als Kunstsammler: Er schenkte dem Kunsthaus Zürich eine Reihe von Gemälden niederländischer Meister und rief eine Ružička-Stiftung ins Leben, die das Ziel verfolgte, diese Sammlung im Zürcher Kunsthaus zu ergänzen.

  • L. Ruzicka: Zur Kenntnis der Wagnerschen Umlagerung. Einleitung und Zusammenfassung. In: Helvetica Chimica Acta. Band 1, Nr. 1, 1918, S. 110–133, doi:10.1002/hlca.19180010111.
  • L. Ruzicka, E. Capato: Höhere Terpenverbindungen XXIV. Ringbildungen bei Sesquiterpenen. Totalsynthese des Bisabolens und eines Hexahydro‐cadalins. In: Helvetica Chimica Acta. Band 8, Nr. 1, 1925, S. 259–274, doi:10.1002/hlca.19250080144.
  • Über den Bau der organischen Materie, Antrittsrede am 10. Dezember 1926 in der Aula der Reichsuniversität zu Utrecht, J. van Druten, Utrecht [um 1926], DNB 361659598, (Habilitationsschrift Universität Utrecht, 26 Seiten, 8).
  • mit M. Stoll, H. W. Huyser, A. Boekenoogen: Herstellung und physikalische Daten verschiedener C-Ringe bis zum 32-Ring, Helvetica Chimica Acta, Band 13, 1930, S. 1152–1185
  • Konstitution des Cholesterins und der Gallensäuren, Helvetica Chimica Acta, Band 16, 1932, S. 216–227;
  • Synthese einer Verbindung von den Eigenschaften des Testikelhormons, Helvetica Chimica Acta, Band 17, 1934, S. 1389–1394;
  • Synthese des Testikelhormons (Androsteron) und Stereoisomerer desselben, Helvetica Chimica Acta, Band 17, 1934, S. 1395–1406;
  • Derivate des synthetetischen Androsterons und einiger seiner Stereoisomeren, Helvetica Chimica Acta, Band 18,|1935, S. 210–218;
  • The Isoprene Rule and the Biogenesis of Terpenic Compounds, Experientia, Band 9, 1953, S. 357–367
  • History of the Isoprene Rule, in: Proceedings of the Chemical Soc. 1959, S. 341–360
  • In the Borderland between Bioorganic Chemistry and Biochemistry, Annual Review of Biochemistry, Band 42, 1973, S. 1–20
Commons: Leopold Ružička – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Berühmte Alumni: Leopold Ruzicka. Archiviert vom Original am 10. Februar 2018; abgerufen am 10. Februar 2018.
  2. Ruzicka, Leopold. In: Ostdeutsche Biografie (Kulturportal West-Ost)
  3. The Nobel Prize in Chemistry 1939. Abgerufen am 20. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  4. Siehe seine Nobel-Vorlesung, Multimembered rings, higher terpene compounds and male sex hormones, pdf
  5. Damit sind Derivate des Tridecans (linearen Strukturen, aufgebaut aus Methylengruppen) gemeint, die ihm als Ausgangsstoffe für die Synthese von Ringstrukturen dienten. Heute bezeichnet der Begriff Polymethylen allerdings Polymere (Polyethylen) mit sehr vielen Methylen-Gruppen.
  6. Mitgliedseintrag von Leopold Ruzicka (mit Bild) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 23. Juni 2016.
  7. Académicien décédé: Stephan Léopold Ruzicka. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 20. Dezember 2023 (französisch).
  8. Book of Members 1780–present, Chapter R. (PDF; 503 kB) In: amacad.org. American Academy of Arts and Sciences, abgerufen am 6. Februar 2018 (englisch).
  9. ETH Zürich: Ružička-Preis. (Memento vom 19. März 2017 im Internet Archive) Abgerufen am 18. März 2017