Legisaktionenverfahren

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Das Legisaktionenverfahren (lat.: legis actio: (von lege agere) Vorgehen aus Recht, Spruchformelklage) stellte im frührepublikanischen Recht Roms die erste bekannte zivilprozessuale Verfahrensform dar. Der Prozess umfasste ein Handeln im Ritual und nach festen Spruchformeln.

Verfahrensgeschichte

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In seiner ursprünglichen vorrepublikanischen Form wurde das Prozessverfahren als einheitliches ausgetragen und fand unter Leitung eines Magistraten vor Geschworenen statt. Später, in der Zeit des Zwölftafelgesetzes, wurde es in zwei Verfahrensschritte aufgeteilt und der Begriff der legis actio eingeführt.[1] Dem Gerichtsmagistraten oblag nunmehr nicht mehr der Prozess in Gänze, sondern lediglich das Prozesseröffnungsverfahren (in iure). Der römische Prozesstyp wurde damit in zwei Verfahrensschritte aufgeteilt. Für das Eröffnungsverfahren formulierte der Magistrat den Prozessgegenstand, die iudicii quaestio, wobei er aus einem Bestand fertiger Begriffe schöpfte.[2] In Form eines Abgleichs überprüfte er, inwieweit das Vorbringen der Parteien einem der gewünschten Angriffs- beziehungsweise Verteidigungsmittel zugeordnet werden konnte. Die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen wurde in einem anschließenden Verfahrensschritt von einem ehrenamtlichen Laienrichter (iudex) im Prozess (apud iudicem) geprüft. Er ermittelte den Tatbestand (quaestio facti) und entschied den Rechtsstreit. Bestellt wurde der Prozessrichter vom Kläger. Ob die Verfahrenszweiteilung den Zweck hatte, die Magistrate lediglich in ihrem Aufwand zu entlasten, oder ob die Herkunft der in iure-Prozesse aus dem archaischen Prinzip der privaten Schiedsgerichtsverfahren herzuleiten sind, die später einer „staatlichen Kontrolle“ unterworfen wurden, liegt im Dunklen und ist in der modernen Literatur lebhaft umstritten.[3] Mit der organisatorischen Verfahrenstrennung nahm jedenfalls die Unterscheidung in Rechts- und Tatsachenfragen ihren Anfang.[4]

Als Gerichtsmagistraten fungierten zunächst Konsuln, ab 367 v. Chr. Prätoren. Sie überprüften, welche Rechtsquellen für die geltend gemachten Ansprüche einschlägig waren. Dafür kamen vornehmlich kodifiziertes Zwölftafelrecht und (ungeschriebenes) Gewohnheitsrecht in Betracht – Rechtsquellen, die dem ius civile unterlagen. Nach modernem Verständnis handelte es sich am ehesten um eine Art von Zulässigkeitsprüfung, denn der Magistrat konnte den Prozess entsprechend der befundenen Voraussetzungen sowohl verweigern (actionem denegare) als auch gewähren (actionem dare). Ließ er den Prozess zu, hatte sich der Beklagte auf ihn einzulassen und daran mitzuwirken (Streitfestsetzung: litis contestatio). Für das festgelegte Prozessprogramm wählte der Magistrat sodann die Geschworenen aus und gab seinen Vorsitz bekannt, im Rahmen der späteren zweigeteilten Verfahrensformen, den des Richters aus der Richterliste. Das Anforderungsprofil des Prozessprogramms soll bereits bei den pontifices entwickelt worden sein.[3][5] Der ermächtigte Richter hatte strikt nach den vorgegebenen Prozessformeln (iudicia stricta) zu verhandeln. Seine Kompetenz erschöpfte sich im Abgleich des geltend gemachten Anspruchs mit der Prozessformel. Diese musste sich wiederfinden oder zumindest umschrieben sein. Um zu einem Urteil kommen zu können, durfte er Beweiserhebungen durchführen und Schätzungen (aestimationes) vornehmen. Im letzteren Fall fungierte der Richter als Schiedsrichter (arbiter).[6] Überliefert sind als klassische Spruchformelverfahren die Mancipation, zur Frage der verbindlichen Regelung von Eigentumsübertragungen und die Stipulation, die rechtsverbindliche förmliche Erklärungen zum Gegenstand hatte.

Insgesamt sind fünf Formen des Legisaktionenverfahrens bekannt. Drei bezogen sich auf das Erkenntnisverfahren, zwei auf die Zwangsvollstreckung. Die beiden im Folgenden erstgenannten Klagetypen sind bereits älter als die XII Tafeln.[3]

Die älteste Legisaktion war die – vom hochklassischen Juristen Gaius noch als actio generalis bezeichnete – legis actio sacramento. In ihr war nicht der zu verhandelnde Streitgegenstand selbst abgebildet; die Klage ordnete eher kultisch-religiöse „Prozesswetten“ (sacramenta) an, die im Laufe ihrer Weiterentwicklung dann zunehmend säkularisiert wurden. Über Streitgegenstand und Rechtsfolgen wurde mittelbar mitentschieden, was Züge eines Indizienprozesses in sich trug. Allerdings geriet dieser archaische Klagetyp irgendwann ins Abseits, da das Prinzip von Inzidentfeststellungen einer sich zunehmend kaiserlich gestaltenden römischen Wirtschaft kaum mehr gerecht wurde.

Parallel entwickelte sich die legis actio per iudicis arbitrive postulationem für Streitigkeiten, die sich aus feierlich versprochenen Gelöbnissen (sponsiones) oder Darlehensgeschäften (certae pecuniae) ergaben. Nach Auskunft Gaius’ war die Klage in den XII Tafeln geregelt. Da neue gesetzliche Regelungen diese Entwicklung begleiteten, wandelte sich auch die Funktion des Richters, der nicht mehr nur iudex, sondern auch arbiter war. Ihm oblag alsbald die Hoheit, neben seiner Richtertätigkeit als Schlichter und Schätzer aufzutreten. Von besonderem Belang war diese Doppelfunktion insbesondere bei Teilungsanordnungen, die bei der Auseinandersetzung von Eigentumsverhältnissen erwuchsen. In Abweichung zum vorbeschriebenen Klagetyp, betraf das Urteil die Rechtsfolgen unmittelbar, denn der Beklagte wurde hier zu einer Leistung „verurteilt“. Ähnlichen Typs war die legis actio per condictionem, die einen nicht weiter bekannten Anwendungsbereich hatte und durch „jüngere“ Gesetze ins Leben gerufen worden sein soll.

Für das Vollstreckungsverfahren kamen die legis actio per manus iniectionem und die legis actio per pignoris capionem zum Einsatz. Im ersteren Fall fand der Vollstreckungszugriff in iure durch manus iniectio, Handanlegen an die Person des Beklagten, statt. Die Vollstreckungshandlung des Ergreifens des Beklagten beruhte auf vorangegangenem Urteil. Einen ursprünglich sehr engen Anwendungsbereich hatte die legis actio per pignoris capionem, denn mit ihr wurden Urteile vollstreckt, die auf die Leistung des Wehrsolds abzielten. Später erweiterte sich ihr Anwendungsbereich auf alle sakralen oder öffentlichen Forderungen gegen Dritte, die einer Pfandsicherung bedurften.

Spätere Entwicklungen

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Im Laufe des 2./1. Jh. v. Chr. wurde das Legisaktionenverfahren mit seinen festen Spruchformeln zunehmend vom Formularprozess verdrängt und von Augustus 17 v. Chr. (mit wenigen Ausnahmen) abgeschafft.[7] In der weiteren Entwicklung der römischen Prozessgeschichte wurde dann auch der Formularprozess wieder abgelöst, denn ab dem 3. Jahrhundert trat sukzessive der Kognitionsprozess in Erscheinung. 342 n. Chr. löste dieser Prozesstyp den Formularprozess dann endgültig ab.[8]

Einzelnachweise

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  1. Marie Theres Fögen: Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-58155-4, S. 127 f.
  2. Folker Siegert: Charakteristika des römischen Rechts. Aus dem Buch Band I Einleitung. Arbeitsmittel und Voraussetzungen, hrsg. von Folker Siegert. Berlin, Boston, De Gruyter, 2023. S. 56.
  3. a b c Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht. Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 368–374 (368).
  4. Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4, § 1 Rnr. 2 und 22.
  5. Gaius: Institutiones, 4,11–29.
  6. Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5. Auflage, Springer, Zürich 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 84–86 (85).
  7. Max Kaser, Karl Hackl [Bearb.]: Das römische Zivilprozessrecht. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. / neu bearb. von Karl Hackl. 2. Auflage. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40490-1.
  8. Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4, § 1 Rnr. 22; Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht. Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 386–388.