Leihgestern

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Leihgestern
Gemeinde Linden
Koordinaten: 50° 32′ N, 8° 41′ OKoordinaten: 50° 31′ 43″ N, 8° 40′ 35″ O
Höhe: 176 (170–205) m
Einwohner: 5610 (Mai 2011)[1]
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 35440
Vorwahl: 06403

Leihgestern ist einer der beiden Stadtteile von Linden im mittelhessischen Landkreis Gießen und liegt im historischen Hüttenberger Land. Der Ort ist Sitz der Stadtverwaltung.

Geografische Lage

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Leihgestern grenzt im Westen direkt an Großen-Linden in Mittelhessen sowie die Main-Weser-Bahn (Kassel-Frankfurt am Main). Im Ort treffen sich die Landesstraßen 3129 und 3130.

Gießen
Großen-Linden Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Watzenborn-Steinberg
Langgöns
Ev. Kirche in Leihgestern

Historische Ortsnamen

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Die älteste bekannte Erwähnung des Dorfes stammt aus einer Urkunde von 802/817 des Codex Eberhardi des Klosters Fulda. In erhaltenen Urkunden wurde Leihgestern unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[2]

  • in villa Leizgestre (802/817) [XII Codex Eberhardi 1 I S. 271 = Dronke, Traditiones Capitulum 6 Nr. 67]
  • in Letkestre (Leizkestre) marca (805) [XII Jh. Codex Laureshamensis III, Nr. 3128=3724a]
  • in Leitkastre marca (in Leizcastro) (822) [XII Jh. Codex Laureshamensis III, Nr. 3130=3724c]
  • in Leitcastre (Letcastre) (825) [XII Jh. Codex Laureshamensis III, Nr. 3131=3731a, 3129=3767d]
  • in Leigesteren (1141) [Fälschung XIII Wyss, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei 3, Nr. 1332]
  • de Leikestere (1150) [Wyss, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei 3, Nr. 1336]
  • de Leitgestere (1171) [Mainzer Urkundenbuch 2, 1, Nr. 337]
  • in Legesteren (1237) [Wyss, Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei 3, Nr. 1348]
  • Leitgestirin (1322) [Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3, Nr. 550]
  • von Leykesteren (1474) [Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3, Nr. 1199]

Leihgestern gehörte zu dem Teil des Amtes Hüttenberg, einem nassauisch-hessischen Kondominat, der bei der Teilung von 1703 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt fiel. Hier gehörte es dann zum hessischen Amt Hüttenberg.[3]

1803 fasste die Landgrafschaft ihre nördlich des Mains gelegenen Gebiete in dem Fürstentum Oberhessen (später: Provinz Oberhessen) zusammen, wo nun auch Leihgestern lag. 1806 wurde die Landgrafschaft von Napoleon zum Großherzogtum Hessen erhoben. Dieses führte 1821 eine Verwaltungsreform durch, in der das Amt Hüttenberg aufgelöst wurde. Übergeordnete Verwaltung war nun der Landratsbezirk Gießen,[4] zuständiges Gericht das Landgericht Gießen.[4]

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Leihgestern:

„Leihgestern (L. Bez. Giessen) evangel. Pfarrdorf; liegt 112 St. von Giessen, hat 154 Häuser und 845 Einwohner, die außer 2 Katholiken, 1 Mennoniten und 46 Juden evangelisch sind. Sodann hat der Ort 1 Kirche, 1 Rathhaus, 1 Synagoge, 1 Mahlmühle, so wie eine Mineralquelle, die aber nicht benutzt wird. – Die Leihgesterner Mark, so wie das Dorf Leihgestern (Leucastre, Leitkestre, Leizcastrum etc.) kommt schon zu den Zeiten Carls des Großen vor. Später war der Ort zwischen Hessen und Nassau Weilburg gemeinschaftlich; durch die Aufhebung der Gemeinschaft im Jahr 1703 kam Leihgestern ausschließend an Hessen.“[5]

Leihgestern gehörte zum Gebiet des Gemeinen Rechts, das hier ohne die Überlagerung von Partikularrecht galt. Dieses behielt seine Geltung auch während der Zugehörigkeit zum Großherzogtum Hessen im 19. Jahrhundert, bis es zum 1. Januar 1900 von dem einheitlich im ganzen Deutschen Reich geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst wurde.[6]

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurden zum 1. Januar 1977 durch das Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen die bis dahin selbstständige Gemeinde Leihgestern mit der Stadt Großen-Linden zur neuen Stadt Linden zusammengeschlossen.[7] Ortsbezirke wurden nicht gebildet. Zu Leihgestern zählen die Ortsteile Mühlberg und das Gut Neuhof.

Verwaltungsgeschichte im Überblick

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Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Leihgestern angehört(e):[2][8][9]

Einwohnerstruktur 2011

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Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Leihgestern 5610 Einwohner. Darunter waren 354 (6,3 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 879 Einwohner unter 18 Jahren, 2481 zwischen 18 und 49, 1170 zwischen 50 und 64 und 1080 Einwohner waren älter.[1] Die Einwohner lebten in 2733 Haushalten. Davon waren 1167 Singlehaushalte, 633 Paare ohne Kinder und 672 Paare mit Kindern, sowie 198 Alleinerziehende und 60 Wohngemeinschaften. In 504 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 2010 Haushaltungen lebten keine Senioren.[1]

Einwohnerentwicklung

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 Quelle: Historisches Ortslexikon[2]

• 1502: 46 Männer
• 1577: 84 Hausgesesse
• 1630: 16 zweispännige, 32 einspännige Ackerleute, 22 Einläuftige, 3 Witwen, 15 Vormundschaften
• 1677: 98 Hausgesesse, davon 11 freie
• 1742: 2 Geistliche/Beamte, 139 Untertanen, 49 Junge Mannschaften
• 1800: 746 Einwohner[16]
• 1806: 762 Einwohner, 159 Häuser[13]
• 1829: 845 Einwohner, 154 Häuser[5]
• 1867: 989 Einwohner, 179 bewohnte Gebäude[17]
• 1875: 1004 Einwohner, 189 bewohnte Gebäude[18]
Leihgestern: Einwohnerzahlen von 1800 bis 2011
Jahr  Einwohner
1800
  
746
1806
  
762
1829
  
845
1834
  
886
1840
  
951
1846
  
1.033
1852
  
1.040
1858
  
1.028
1864
  
956
1871
  
969
1875
  
1.004
1885
  
1.080
1895
  
1.157
1905
  
1.364
1910
  
1.504
1925
  
1.727
1939
  
1.936
1946
  
2.809
1950
  
2.917
1956
  
2.765
1961
  
2.815
1967
  
3.437
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
5.610
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [2]; Zensus 2011[1]

Historische Religionszugehörigkeit

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• 1829: 997 evangelische, 2 römisch-katholische Einwohner, 1 Mennonit, 46 Juden[5]
• 1961: 2268 evangelische, 519 römisch-katholische Einwohner[2]

Historische Erwerbstätigkeit

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• 1961: Erwerbspersonen: 271 Land- und Forstwirtschaft, 605 Prod. Gewerbe, 235 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 237 Dienstleistungen und Sonstiges.[2]

Bis zum Zusammenschluss mit der damaligen Stadt Großen-Linden zur neuen Stadt Linden im Jahr 1977 wurde die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinde Leihgestern durch die von den Bürgern direkt gewählte Gemeindevertretung einerseits und den Gemeindevorstand unter dem Vorsitz des Bürgermeisters andererseits wahrgenommen. Nach dem Zusammenschluss wurde für den Stadtteil Leihgestern davon abgesehen, einen Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher zu bilden. Bis 1976 wurde die Gemeindeverwaltung von folgenden Bürgermeistern geleitet:

Hüttenberger Heimatmuseum im alten Rathaus
Amtszeiten der Bürgermeister
  • 1842–1871 Johannes Heß (Vater)
  • 1871–1904 Johannes Heß (Sohn)
  • 1904–1933 Johannes Heß (Enkel)
  • 1934–1937 Hans Will
  • 1938–1945 Wilhelm Damm
  • 1945–1948 Wilhelm Funk (SPD)
  • 1948–1952 Karl Textor (SPD)
  • 1952–1956 Wilhelm Seipp (SPD)
  • 1956–1969 Karl Pfeffer (SPD)
  • 1969–1976 Helmut Jung (SPD)

Sehenswürdigkeiten

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Anmerkungen und Einzelnachweise

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Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Infolge der Rheinbundakte.
  3. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Gießen) und Verwaltung.
  4. Der Norddeutsche Bund war der erste deutsche Bundesstaat unter der Führung Preußens. Er war die geschichtliche Vorstufe des Deutschen Reichs. Infolge des Deutschen Krieges wurde die Provinz Oberhessen dort zwangsweise Mitglied.
  5. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Oberhessen aufgelöst.
  6. Infolge des Zweiten Weltkriegs.

Einzelnachweise

  1. a b c d Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 48, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  2. a b c d e f Leihgestern, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. Januar 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  3. L. Ewald: Beiträge zur Landeskunde. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Jonghaus, Darmstadt 1862, S. 54.
  4. a b Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (407–408) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  5. a b c Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt August 1830, OCLC 312528126, S. 162 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Arthur B. Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893, S. 100, Anm. 6 und S. 9, 11.
  7. Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen (GVBl. II 330–28) vom 13. Mai 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 17, S. 237 ff., § 10 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
  8. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  9. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Die Zugehörigkeit des Amtes Hüttenberg anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
  11. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 16, § 28 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. a b Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1806. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1806, S. 262 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  14. Neuste Länder und Völkerkunde, Band 22, S. 419, Weimar 1821
  15. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  16. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 217 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  17. Wohnplätze 1867. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 116 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  18. Wohnplätze 1875. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 11 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).