Lernzieltaxonomie

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Eine Lernzieltaxonomie (engl. taxonomy of educational objectives) ist ein Klassifikationsschema, das Lernziele unterschiedlichen Expertisestufen bzw. Kompetenzebenen zuordnet.

Lernzieltaxonomien helfen Lehrenden dabei, Lernziele kompetenzorientiert so zu beschreiben, dass Lehrenden und Lernenden gleichermaßen klar wird, welche Arten von Fähigkeiten durch eine Lehr-Lerneinheit bei den Lernenden entwickelt werden sollen. Insbesondere machen sie deutlich, dass als gewünschtes Lernergebnis meist nicht alleine die Fähigkeit zur reinen Reproduktion von Faktenwissen angestrebt wird, sondern höherwertige Fähigkeiten im Sinne eines aktiven, eigenverantwortlichen Einsatzes des Gelernten.

In der Praxis haben sich verschiedene Lernzieltaxonomien etabliert, die sich in der Anzahl und der Ausprägung der betrachteten Kompetenzebenen unterscheiden. Diese werden im Folgenden gegenübergestellt.

Etablierte Modelle

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Derzeit sind insbesondere dreistufige und sechsstufige Modelle gebräuchlich. In der medizinischen Ausbildung kommt auch ein vierstufiges Modell zum Einsatz.

Sechsstufige Modelle

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Für die Beschreibung kognitiver Lernziele weit verbreitet ist die sechsstufige Lernzieltaxonomie von Bloom et al.[1], die heute überwiegend in der überarbeiteten Version von Anderson et al.[2] verwendet wird.

Ebenen der Lernzieltaxonomie von Bloom in der Überarbeitung nach Anderson und Krathwohl et al.; Flächengrößen in der Darstellung spiegeln die zunehmende Komplexität der Kompetenzen wider
Nr Ebene nach Anderson et al.[2] Ebene nach Bloom et al.[1] Merkmal
1 Erinnern (Remember) Wissen (Knowledge) Wissen reproduzieren
2 Verstehen (Understand) Verständnis (Comprehension) Wissen erläutern
3 Anwenden (Apply) Anwendung (Application) Wissen (schematisch) umsetzen in strukturell bekanntem Kontext
4 Analysieren (Analyze) Analyse (Analysis) Bestandteile, Zusammenhänge und Eigenschaften identifizieren
--- 5 Synthese (Synthesis) Elemente zu neuen Strukturen zusammenfügen
5 Bewerten (Evaluate) 6 Evaluation (Evaluation) Sachverhalte beurteilen und dafür adäquate Kriterien festlegen
6 Kreieren bzw. Erschaffen (Create) --- Ein Problem bzw. eine Aufgabe lösen und dabei etwas Neuartiges erarbeiten

Die Verwendung der sechsstufigen Modelle erfordert von den Lehrenden eine klare, detailgenaue Differenzierung der angestrebten Kompetenzen und ist in der Handhabung entsprechend aufwändig.

Sechstufiges Modell nach Bloom, modifiziert nach Anderson&Krathwohl

Dreistufige Modelle

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Um die Definition von Lernzielen im Lehr-Lernalltag praktikabel zu vereinfachen, wurden verschiedene dreistufige Modelle eingeführt, welche die sechs Stufen der Taxonomien nach Bloom[1] bzw. Anderson[2] auf drei Stufen reduzieren.

Hauer[3] greift eine Idee von Wilfried Schneider auf und differenziert die drei Stufen Reproduktion, Anwendung und Übertragung. Dabei entspricht Reproduktion der Ebene 2, Anwendung der Ebene 3 nach Anderson et al. Als Übertragung wird der Transfer einer Anwendung auf neuartige Situationen klassifiziert.

Nr Stufe nach Schneider gemäß[3] Merkmal
1 Reproduktion Gelernte Informationen wiedergeben
2 Anwendung Gelerntes schematisch umsetzen
3 Übertragung Transfer der Anwendung auf neuartige Situationen

Die Taxonomie von Metzger et al. differenziert nach dem Kriterium des eigenen kognitiven Beitrages der Lernenden (gering, mittel oder hoch) und klassifiziert so die Stufen Informationserinnerung, Informationsverarbeitung und Informationserzeugung.[4] Metzger und Nüesch entwickelten 2004 diesen Ansatz weiter, indem sie diese Bezeichner der Stufen so aufweiten, dass sie sich nicht mehr ausschließlich auf Informationen beziehen, zu Wiedergeben, Wissen und Anwenden sowie Probleme bearbeiten.[5]

Nr Stufe nach Metzger et al.[4] Stufe nach Metzger und Nüesch[5] Merkmale[5][4]
1 Informationserinnerung Wiedergeben
  • Gelernte Informationen in einem unveränderten Umfeld wiedererkennen
  • Gelernte Informationen unverändert reproduzieren
2 Informationsverarbeitung Wissen und Anwenden
  • Gelernte Informationen sinngemäß abbilden (d. h. beschreiben bzw. begründen)
  • Gelernte Struktur auf einen sprachlich neuartigen, aber strukturell gleichen Inhalt übertragen
3 Informationserzeugung Probleme bearbeiten
  • Einen Sachverhalt umfassend und systematisch untersuchen, wobei die dazu nötige Kriteriumsstruktur neu zu schaffen ist
  • Einzelne Informationen zu einem neuartigen Ganzen verknüpfen

Vierstufiges Modell

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In der medizinischen Ausbildung ist das vierstufige Modell nach Miller verbreitet, das sich der Klassifizierung von Lernzielen aus der Perspektive der Leistungserhebung bzw. Prüfung im klinischen Kontext annähert.[6]

Nr Stufe nach Miller[6] Komponente Leitfrage
1 Weiß (Knows) Descriptives Wissen (Knowledge) Hat der Behandelnde das notwendige Wissen?
2 Weiß wie (Knows how) Prozedurales Wissen (Competence) Weiß der Behandelnde, wie dieses Wissen anzuwenden ist?
3 Zeigt (Shows how) Leistung „in vitro“ (Performance) Kann der Behandelnde die Fähigkeit konkret anwenden, unter Laborbedingungen?
4 Tut (Does) Handlung „in vivo“ (Action) Kenn der Behandelnde die Fähigkeit in einer realen Situation anwenden?

Gegenüberstellung

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Die einzelnen Stufen der verschiedenen Modelle lassen sich wie folgt zueinander in Beziehung setzen.

Stufe nach Anderson et al.[2] Stufe nach Bloom et al.[1] Stufe nach Metzger et al.[4] Stufe nach Metzger und Nüesch[5] Stufe nach Miller[6]
1 Erinnern (Remember) 1 Wissen (Knowledge) 1 Informationserinnerung 1 Wiedergeben 1 Weiß (Knows)

2 Weiß wie (Knows how)

2 Verstehen (Understand) 2 Verständnis (Comprehension) 2 Informationsverarbeitung 2 Wissen und Anwenden --
3 Anwenden (Apply) 3 Anwendung (Application) 3 Zeigt (Shows how)
4 Analysieren (Analyze) 4 Analyse (Analysis) 3 Informationserzeugung 3 Probleme bearbeiten 4 Tut (Does)
5 Bewerten (Evaluate) 5 Synthese (Synthesis)

6 Evaluation (Evaluation)

6 Kreieren bzw. Erschaffen (Create) -- --

Die Ebenen 5 und 6 nach Bloom et al.[1], Synthese und Evaluation, wurden im überarbeiteten Modell nach Anderson et al. zu einer Ebene zusammengefasst und unter Bewerten subsumiert.[7]

Die Stufen 1 und 2 nach Miller[6], Weiß und Weiß wie, entsprechen beide der Ebene 1 Erinnern nach Anderson et al.[2] Stufe 1 Weiß adressiert dabei deskriptives Faktenwissen, Stufe 2 Weiß wie dagegen deskriptives Prozesswissen. Auffällig ist, dass in der Taxonomie nach Miller die Ebene Verstehen nicht explizit adressiert wird.

Des Weiteren decken die Taxonomien nach Bloom et al.[1] und nach Miller[6] jeweils nicht die Ebene Kreieren bzw. Erschaffen ab.

Nicht-kognitive Lernziele

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Bloom hatte ursprünglich Taxonomien für kognitive, affektive und psychomotorische Lernziele vorgesehen. Lediglich die affektiven wurden noch erarbeitet, wurden aber deutlich weniger rezipiert als die kognitiven.[8]

Taxonomien haben eine ordnende und klärende Funktion. Deren Kehrseite ist, dass sie in der Regel recht abstrakt formuliert sind. Für den konkreten Einsatz bei der Planung und Gestaltung von Lernsettings sind sie deswegen meist zu unspezifisch und müssen noch deutlich konkretisiert werden.[9] Primär ist das darauf zurückzuführen, dass Lernen durch intensive Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Personen (Lernende und Lehrende), Inhalten und Kontextvariablen gekennzeichnet ist.[8] Das hat auch Bloom selbst schon so gesehen.[1] Empirisch lassen sich vor allem höhere Taxonomiestufen schlecht voneinander trennen.

Die Unterscheidung zwischen höheren und niedrigeren Lernzielen ist implizit normativ. Die Ausführung als Klassifikationsschema lenkt zudem davon ab, dass es zwischen den Ebenen Wechselbeziehungen gibt. „Taxonomien suggerieren einen linearen Lernpfad (von unten nach oben), ohne zu erkennen, dass viele didaktische Ansätze vor allem diese Linearität des Lernens durchbrechen und es beim Lernen oftmals hilfreich ist, wenn Problemstellungen anhand von komplexen und realitätsnahen Situationen gezeigt und erst beim Lösungsprozess die erforderlichen Grundlagen erlernt werden.“[10]

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Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Bloom, B.; Engelhart, M.B; Furst, E.J.; Hill, W.H.; Krathwohl, D.R.: Taxonomy of educational objectives – The classification of educational goals. David McKay Company, New York 1956.
  2. a b c d e Anderson, L.W.; Krathwohl, D.R.; Airasian, P.W.; Cruikshank, K.A.; Mayer, R.E.; Pintrich, P.R.; Raths, J.; Wittrock, M.C.: A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing – A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Longman, New York 2001.
  3. a b Hauer, Erich: Wird dumm geprüft, wird dumm gelernt – Plädoyer für den Einsatz anwendungsorientierter Prüfungsaufgaben im Hochschulbereich. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Band 2011, Nr. 12, 2011, doi:10.25656/01:7418, urn:nbn:de:0111-opus-74182.
  4. a b c d Metzger, Christoph; Waibel, Roland; Henning, Corinna; Hödel, Markus; Luzi, Richard: Anspruchsniveau von Lernzielen und Prüfungen im kognitiven Bereich. Hrsg.: Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen. St. Gallen 1993.
  5. a b c d Metzger, Christoph; Nüesch, Charlotte: Fair prüfen – Ein Qualitätsleitfaden für Prüfende an Hochschulen. Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen, St. Gallen 2004.
  6. a b c d e Miller, George E.: The assessment of clinical skills/competence/performance. In: Academic Medicine. Band 65, Nr. 9, 1990, S. 63–67.
  7. Lernzieltaxonomien im Vergleich. In: Lehre Laden – Downloadcenter für inspirierte Lehre. Ruhr-Universität Bochum, 5. Dezember 2019, abgerufen am 23. Juni 2023.
  8. a b D. R. Krathwohl, B. S. Bloom, B. B. Masia: Taxonomy of educational objectives: The classification of educational goals, handbook II: Affective domain. David Mckay, New York 1964.
  9. Balthasar Eugster: Leistungsnachweise und ihr Ort in der Studiengangentwicklung: Überlegungen zu einer Kritik des curricularen Alignments. In: Tobina Brinker, Peter Tremp (Hrsg.): Einführung in die Studiengangentwicklung. W. Bertelsmann, Bielefeld 2012, S. 45–62.
  10. Benno Volk: Ordnung von Lernzielen – Ordnung des Wissens. Die Bedeutung der Taxonomie von Bloom für die Wissenschaftlichkeit und Praxis der Hochschuldidaktik. In: Peter Tremp, Balthasar Eugster (Hrsg.): Klassiker der Hochschuldidaktik? Kartografie einer Landschaft. Wiesbaden, Springer VS, ISBN 978-3-658-28123-6, S. 219–234, 230.