Lex Cornelia de sicariis et veneficiis
Die Lex Cornelia de sicariis et veneficiis (hergeleitet aus „Dolchträger“; von lat. sica = Dolch und „Giftmischer“; von lat. veneficium = Giftmischerei, Vergiftung) war Bestandteil des sullanischen Reformpakets zur Strafrechtspflege (81 v. Chr.). Im Kern behandelte die lex Kapitalverbrechen, etwa Tötungsdelikte, worunter insbesondere Fälle des Meuchelmords und der Giftmischerei fielen, weiterhin Fälle von Brandstiftung und Fälle von kriminellen Bandenbildung. Der Katalog der Straftatbestände ging über die genannten Delikte noch hinaus. Der Straftatbestand erfasste neben der Tatvollendung auch das Deliktsstadium des Versuchs und die Tatteilnahme.
Das Gesetz stand den Strafbestimmungen der lex Cornelia de maiestate gegenüber, die Anwendung für politische Straftaten fand.[1] Die Abgrenzung der beiden Gesetze erfolgte darüber, dass man zwischen Privat- und Offizialdelikten unterschied und die lex Cornelia de sicariis et veneficiis der Ahndung von Privatdelikten vorbehalten war. Ausnahmen von der Regel können bezüglich der gracchischen Strafrechtsreform beobachtet werden, die trotz ihres öffentlichen Charakters durch die lex Cornelia de sicariis et veneficiis erfasst wurden, so die sempronischen Tatbestände der lex ne quis iudicio circumveniatur. Dazu lässt Cicero uns wissen, dass das Gesetzesbündel als Bestandteil der lex Sempronia de capite civis, bekannt auch als lex de provocatione („Gesetz über die Berufung“). Hauptinhalt der Regelung war das Provokationsrecht des Bürgers gegenüber magistratischer Rechtsverletzungen.[2] Die Transformation musste insoweit zu dogmatischen Überschneidungen führen.
Ciceros rhetorischer Kunstfertigkeit bei der Auslegung von Gesetzen entnimmt Wolfgang Kunkel, dass politisch motivierte Straftaten, so die „aktive Richterbestechung“ oder das „Ablegen falschen Zeugnisses“, als Tatbestände eines neu geschaffenen Teils der lex Cornelia de sicariis et veneficiis betrachtet werden müssen.[3] Ciceros Auslegung folgend, war vormals allein die „passive Richterbestechung“ strafbar.[4] In allen Fällen war die Kapitalquästion vorgesehen.
Das Gesetz stellte selbst teilweise auch strafprozessuale Regeln auf. Die fehlerhafte Auslosung der Geschworenen oder die Verletzung von Vorschriften für den zu leistenden Eid zeitigten Konsequenzen. Friedrich Schulin, ein Vertreter der älteren rechtgeschichtlichen Forschung, geht davon aus, dass die lex Cornelia de iniuriis als einzelnes Kapitel Bestandteil der lex Cornelia de sicariis et veneficiis war.[5]
Rechtsfolgen der Verurteilung waren für Freie zumeist die Landesverweisung (aquae et ignis interdictio), aber auch der Tod, und für Sklaven regelmäßig der Tod. Auf Verwandtenmord (parricidium) stand auch die Hinrichtung durch Säcken (poena cullei).[5] Um die Todesstrafe zu sichern, nahm der Magistrat den Verurteilten in Vollstreckungshaft, damit er nicht fliehen konnte.[6][7]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann: Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik. Zweiter Abschnitt. Die Magistratur. München 1995, ISBN 3-406-33827-5 (von Wittmann vervollständigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes). S. 163; 645–646; 709.
- Wolfgang Kunkel: Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit. München 1962. S. 53 f.; 60.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Cicero, pro A. Cluentio 97; siehe auch Cicero, in L. Pisonem 50 und Asconius p. 59 Cl.
- ↑ Cicero, pro A. Cluentio 151, 154.
- ↑ Eine entgegenstehende Auffassung, die die Tatbestände bereits der lex Sempronia ne quis iudicio circumveniatur zuordnet, wurde vertreten von E. J. Weinrib: Historia 19, 1970. S. 420 ff.
- ↑ Cicero, pro A. Cluentio 153.
- ↑ a b Friedrich Schulin: Lehrbuch der Geschichte des Römischen Rechtes. Stuttgart 1889. S. 140 f.
- ↑ Rhetorica ad Herennium 1,23.
- ↑ Cicero, De inventione 2, 149.