Lex Iulia municipalis

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Die Lex Iulia municipalis war ein Gesetz Caesars mit Bezug auf die kommunalen Einrichtungen aus dem Jahr 45 v. Chr.[1] Nachdem die Landstädte Italiens zuvor mit vollem Bürgerrecht ausgestattet zu Munizipien erhoben und so die „italischen Landstädte“ entstanden waren, erhielten diesen Rechtsstatus nun auch außerhalb Italiens belegene Städte in den Provinzen. Das Gesetz, insgesamt von unsicherem Inhalt und unsicherer Tragweite, regelte eine Kommunalordnung mit eigener Gerichtsbarkeit,[2] möglicherweise wurden auch die ädilizischen Befugnisse der örtlichen Magistrate neu organisiert. Caesar hatte die lex im Rahmen mehrerer iulischer Gesetze selbst rogiert und sie galt bis in die Kaiserzeit.[3]

Das Gesetz ist auf zwei 1732 in Herakleia gefundenen Bronzetafeln teilweise erhalten. Die beiden zusammengehörigen Bruchstücke wurden anfänglich als tabula Heracleensis bezeichnet.[4][5]

Die Bestimmungen verfolgten ein föderalistisches Ziel, denn nicht alle Fäden sollten mehr in Rom zusammenlaufen. Die Provinzstädte sollten sich nicht in allen Belangen Rom unterordnen, sondern selbstständiger werden. Die Kommunalverfassung gewährte das Recht zur Bildung eigener urbaner Volksversammlungen, eines eigenen Senats und eigener Behörden. Die Verfassung regelte letztlich den gesamten städtischen Betrieb. Der städtische Zensus, ebenfalls zuletzt Rom unterstellt, wurde lokalisiert und bei den Munizipialmagistraten angesiedelt. Sie fertigten die Zensuslisten an und lieferten sie in Rom ab. Rom ermittelte und regelte sodann die Tributleistungen,[6] rekrutierte für den Kriegsdienst und stellte die Voraussetzungen für die Stimmberechtigung in den Gremien der Zenturiats- und Tributkomitien sicher.

Da die Städte eigene Gerichtsbarkeiten erhielten, konnten – vorbehaltlich der originären Aufgabenstellung des Stadtprätors (praetor urbanus)[7] – viele straf- und zivilrechtliche Angelegenheiten in eigener Kompetenz und durch gleichgestellte Beamte (IV viri, II viri iure dicundo) ausgeübt werden. Den Maßstab für die Zuordnung bildete der Streitwert der Rechtssache. Die lokalen Beamten hatten kein imperium inne, handelten aber selbstständig. Quaestorische Strafprozesse unterlagen weiterhin stets dem prätorischen Vorbehalt.[8] Wer sich in seiner Heimatstadt eines öffentlich verfolgten Vergehens (iudicium publicum) schuldig gemacht hatte, war von den Ämtern der Munizipalmagistrate und der Position eines Decurio ausgeschlossen.[9] Analog wurden zivilrechtlich Verurteilte behandelt, soweit ein Urteil Infamie zur Folge hatte.[10]

Die lex regelte außerdem verwaltungsrechtliche Maßnahmen zum Komplex der Wahrung der öffentlichen Ordnung. Dazu gehörte die den Ädilen obliegende Aufsicht über die Straßen und öffentlichen Plätze.[11] Heute ungeklärt ist, ob diese Anordnungen nicht bereits auf die Zeit des Bundesgenossenkrieges zurückzuführen sind, zu Caesars Zeit noch Bestand hatten und er sie wiederholen ließ. Eine Verbotsnorm wies die Privaten an, den öffentlichen Raum von Einbauten und Anlagen frei zu halten.[12] Auch hierüber wachten die Ädile.[13]

Den leges Iulia municipalis und Rubria verdankt die Rechtsgeschichte die wichtigsten Quellen zum Verständnis einer italischen Städteverfassung.[14]

  1. Marcus Tullius Cicero, epistulae ad familiares 6,18,1.
  2. CIL I n. 206.
  3. Digesten 50,9,3 und vgl. auch Codex Iustinianus 7,9,1.
  4. Zum Gesetz: Theodor Marezoll: Fragmentum legis Romanae in aversa tabulae Heracleensis parte, Göttingen 1816. S. 8; Heinrich Eduard Dirksen, in Civilistische Abhandlungen, Band 2, Berlin 1820. S. 145 ff.
  5. Die Zuordnung der „Herakleischen Tafel“ zur lex Iulia municipalis, vgl. Friedrich Carl von Savigny, in Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, Band 9 (1838); Otto Karlowa: Römische Rechtsgeschichte. Band 1: Staatsrecht und Rechtsquellen. Leipzig 1885. Als Reprint: Keip, Goldbach 1997, ISBN 978-3-8051-0677-1. S. 439 f.
  6. Eingezahlt wurde wohl nicht in die Staatskasse unmittelbar, eher waren Mittler in den Tribus am Werk; vgl. insoweit Cato bei Aulus Gellius 6,10.
  7. Dieser konnte sich bei Abwesenheit und ausweislich Tabula Heracleenis Z. 7 ff. vom Peregrinenprätor vertreten lassen.
  8. Vgl. Cicero, pro A. Cluentio 64–66; Ulpian, Digesten 2,1,12.
  9. Tabula Heracleenis Z. 119 (Voraussetzung war, dass dem Verurteilten der Aufenthalt in Italien untersagt war, Z. 117 f.).
  10. Tabula Heracleenis Z. 110 ff.
  11. Fons Iuris Romani ante Iustiniani I Nr. 13, Z. 20–23; 29 ff.
  12. Tabula Heracleenis Z. 68 ff.
  13. Tabula Heracleenis Z. 62 ff.
  14. Johannes Emil Kuntze: Institutionen und Geschichte des römischen Rechts. Band 2. Leipzig 1869, S. 188.