Lex imperfecta

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Von einer Lex imperfecta (lateinisch „unvollständiges Gesetz“) wird gesprochen, wenn ein gesetzlicher Tatbestand im Sinne des Wenn-Dann-Schemas (ausnahmsweise) keine Rechtsfolge vorsieht. In seltenen Ausnahmen knüpft die Gesetzgebung keine Rechtsfolge an den Tatbestand der Rechtsvorschrift. Sofern es sich hier nicht um redaktionelle Versehen des Gesetzgebers handelt, kommen Tatbestände ohne Rechtsfolge etwa bei Vorkehrung sanktionsfreier Ordnungsvorschriften vor.

Erhalten ist im römischen Recht eine Textstelle bei Ulpian, die eine Dreiteilung von Verbotsgesetzen zum Ausdruck brachte. Danach wurde unterschieden in leges perfectae, welche anordneten, dass gesetzeswidrige Rechtsakte nichtig waren, leges minus quam perfectae, bei denen der gesetzeswidrige Rechtsakt zwar gültig blieb, aber strafsanktioniert war und schließlich leges imperfectae, wonach keine dieser Folgen resultierte.[1] Einzelheiten zum Strafandrohungspotential sind in der Forschung jedoch umstritten, da Ulpians Textstelle die allein zum Themenblock überlieferte ist.[2] Ein frühes Beispiel für ein möglicherweise als lex imperfecta auszulegendes Plebiszit liefert die mittlere Republik mit der lex Cincia, mittels derer übertrieben ausgelebter Luxus eingeschränkt werden sollte.[3] Teilweise werden auch die ersten Repetundengesetze für die Provinzen, so etwa die lex Calpurnia, dieser Fallgruppe zugeordnet.[4] Deutlich später, nämlich erst in der frühen Kaiserzeit, traten Senatskonsulte mit ihren Verbotsanordnungen hinzu, so das SC Velleianum oder das SC Macedonianum. Auch die in den Konsulten gemaßregelten Geschäfte waren nicht per se unwirksam.[5]

Ein Beispiel neuerer Zeit war etwa das österreichische Tabakgesetz, das bis 2009 zwar ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden vorsah, daran jedoch keinerlei Sanktionen knüpfte. Ein aktuelles Beispiel ist die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung in Deutschland. Ein kompliziertes Beispiel ist die Regelung zur Abtreibung im deutschen oder österreichischen Strafgesetzbuch, die unter bestimmten Umständen rechtswidrig, aber nicht strafbewehrt ist.

Ein weiteres Beispiel ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), Universal Declaration of Human Rights der UNO.[6][7] Auch wenn universelle Menschenrechte tituliert sind, so bleibt die AEMR eine lediglich unverbindliche Empfehlung der UNO, welche nicht justiziabel ist, also nicht einklagbar. Dem steht nicht entgegen, dass in Art. 6 AEMR das Recht auf Rechtsfähigkeit explizit aufgeführt ist. Es sind nur diejenigen Bestimmungen der AEMR indirekt einklagbar, welche in verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen,[8] so beispielsweise dem Zivilpakt (BPR) oder dem Sozialpakt (WSKR) übernommen worden sind.

Einzelnachweise

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  1. Ulp. Epitome Ulpiani 1.
  2. Max Kaser: Über Verbotsgesetze und verbotswidrige Geschäfte im römischen Recht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte Band 312, Wien 1977, S. 9 ff.
  3. Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 144.
  4. Felix Senn: Leges perfectae minus quam perfectae et imperfectae. 1902, S. 47 ff.
  5. Max Kaser: Über Verbotsgesetze und verbotswidrige Geschäfte im römischen Recht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Philosophisch-Historische Klasse, Sitzungsberichte Band 312, Wien 1977, S. 29 ff (30 f.).
  6. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
  7. Universal Declaration of Human Rights
  8. völkerrechtliche Verträge