Ligue communiste (1930)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Leo Trotzki

Die Ligue communiste war eine französische trotzkistische Partei während der Dritten Republik. Sie bestand von 1930 bis 1936.

Die im April 1930 als interne Tendenz innerhalb der Parti communiste français (PCF) gegründete Ligue Communiste organisierte sich um die im August 1929 gegründete Zeitschrift La Vérité, die von Alfred Rosmer geleitet wurde. Dieser wurde von Leo Trotzki selbst beauftragt, die beiden rivalisierenden Tendenzen des französischen Trotzkismus zu vereinen. Diese Rivalitäten bestanden vor allem aus personellen Gründen zwischen der Gruppe der Surrealisten um Pierre Naville und Gérard Rosenthal[1] auf der einen Seite und der Gruppe um Raymond Molinier[2] und Pierre Frank[3] auf der anderen Seite.[4]

Der junge Yvan Craipeau[5] traf sich daraufhin mit seinen wenigen Aktivisten mit einem halben Dutzend Führer um Pierre Naville und Raymond Molinier. Naville, Rosmer und Rosenthal entfernten Molinier und Frank schnell aus der Führung der Ligue communiste und erregten damit Trotzkis Zorn, der die ausländischen Delegierten, die Mitte 1931 nach Paris gekommen waren (darunter Andreu Nin, Amadeo Bordiga, Trotzkis Sohn Lew Lwowitsch Sedow und der Amerikaner Max Shachtman), aufforderte, zwischen den rivalisierenden Tendenzen zu schlichten.[4]

Alfred Rosmer trat im Dezember 1930 aus der Ligue communiste aus und unterstützte anschließend die kleine Splittergruppe „La Gauche communiste“ (Die kommunistische Linke). Mehrere Aktivisten, die sich später zur Ultralinken entwickelten (Albert Treint[6], Marc Chirik[7] usw.), nahmen an der Ligue communiste teil, aber 1933 kam es zu einer Spaltung, die zur Gründung der Union communiste führte, die sich in Richtung Rätekommunismus entwickelte. Ab 1932 begann die Ligue communiste, Mitglieder zu rekrutieren und profitierte dabei von der „Klasse gegen Klasse“-Linie, die die PCF vor dem Hintergrund des aufkommenden Faschismus verfolgte. Trotzki selbst gelang es, nach der Wahl des Cartel des gauches ein Visum für die Einreise nach Frankreich zu erhalten.[4]

Entretismus zur SFIO

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Unruhen vom 6. Februar 1934 veröffentlichte Trotzki den ersten Artikel über „Entrismus“ in La Vérité (10. Juli 1934), ohne ihn jedoch zu unterzeichnen. Am 3. August 1934 unterschrieb auch Raymond Molinier einen Text mit dem Titel „Unité organique? Oui!“, (Organische Einheit? Ja!) in dem er eine Fusion zwischen der SFIO und der PCF in Betracht zog.[8] Unter der Führung von Raymond Molinier und Pierre Frank folgte eine kleine Mehrheit Trotzkis Anweisungen und trat in die SFIO ein, wo sie die „bolschewistisch-leninistische Gruppe“ (BL) bildete.[8] Die Ligue communiste selbst wurde zwar nicht offiziell aufgelöst, aber auf ein Sekretariat reduziert, das für die Verbindungen zu anderen kommunistischen Ligen im Ausland zuständig war, um die Gründung der Vierten Internationale vorzubereiten.[8] Andere, wie der spätere Anarchismushistoriker Jean Maitron, zogen es 1935 sogar vor, zur PCF zurückzukehren, anstatt diese Taktik zu billigen.[9]

Diese „Französische Wende“[A 1] wurde in anderen Ländern nachgeahmt: Die Workers Party of the United States trat 1936 der Socialist Party of America bei, und die Communist League of the UK gründete die Marxist Group[A 2] innerhalb der Independent Labour Party.

Auf dem Mülhausener Kongress der SFIO im Juni 1935 wurden die Trotzkisten jedoch überstimmt, da Léon Blum erklärte, dass er die „organische Einheit“ mit der KPF der mit dieser Gruppierung eindeutig vorziehe.[10] Im Sommer wurden Fred Zeller[11], David Rousset, Yvan Craipeau und ihre linken Freunde aus dem Mouvement des Jeunes Socialistes, also der SFIO, ausgeschlossen.[10] Marceau Pivert gründete darauf die Gauche révolutionnaire (Revolutionäre Linke).

Im August 1935 (nach schweren Unruhen in Toulon und Brest) entschied sich Trotzki für eine Umkehr und beschloss die Errichtung einer autonomen, von der SFIO abgekoppelten Partei.[12][13]

Naville organisierte den Austritt der Bolschewisten-Leninisten aus der SFIO und gründete mit der Parti ouvrier révolutionnaire eine eigene, bedeutungslos bleibende Partei.[10][14] Craipeau gründete die Jeunesses socialistes révolutionnaires (JSR), der sich auch Zeller, Jean Rous[15] und Pierre Boussel[16] anschlossen. Molinier und Frank gründeten die Groupes d’action révolutionnaire (Revolutionäre Aktionsgruppen, GAR).[14]

Auf Druck Trotzkis schlossen sich die JSR und GAR zur Parti ouvrier internationaliste (POI) zusammen, aus der Molinier und Frank aber nach kurzer Zeit wieder ausgeschlossen wurden.[14] Diese gründeten darauf die Parti communiste internationaliste (Internationalistische Kommunistische Partei, PCI).[14]

  • Christophe Nick: Les trotskistes. Fayard, 2002, ISBN 978-2-213-61155-6.
  • Claude Pennetier: Le dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français. In: Genèses. Sciences sociales et histoire. 1994 (persee.fr).
  • Michel Roger: Envers et contre tout, de l’opposition de gauche à l’union communiste (1924–1939). Editions Ni patrie ni frontières, 2017.
  1. Dazu liegt ein Artikel in der anglophonen Wikipedia vor, siehe French Turn.
  2. Siehe zu diesen Parteien Workers Party of the United States, Communist League (UK, 1932) und Marxist Group (UK) in der englischsprachigen Wikipedia.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Jean-Michel Brabant: Rosenthal Gérard, François, Louis. Pseudonyme : Gérard Francis. In: Maitron. Abgerufen am 13. September 2024 (französisch).
  2. Rodolphe Prager: Molinier Raymond (Molinier Louis, Raymond). Pseudonymes : RAY ou REY, Linier, Remember. In: Maitron. Abgerufen am 13. September 2024 (französisch).
  3. Angaben zu Pierre Frank in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
  4. a b c Nick 2002, S. 181 f.
  5. Jean-Michel Brabant: Craipeau Yvan, Adrien, Benjamin. Pseudonymes : Auger, Francis, Thomas. In: Maitron. Abgerufen am 13. September 2024 (französisch).
  6. Michel Dreyfus: Treint Albert, Édouard. In: Maitron. Abgerufen am 13. September 2024 (französisch).
  7. Philippe Bourrinet: Chirik Mordkhal, ou Chiric Marc, dit Marc; Marco; Juan M. In: Maitron. Abgerufen am 13. September 2024 (französisch).
  8. a b c Nick 2002, S. 199
  9. Pennetier 1994, S. 124–135
  10. a b c Nick 2002, S. 204 f.
  11. Jean-Michel Brabant: ZELLER Fred (ZELLER Frédéric, Victor dit Fred). Pseudonymes : Kermovar, Kermover ou Kermorver. In: Maitron. Abgerufen am 14. September 2024 (französisch).
  12. Leo Trotzki, Brief vom 11. August 1935 mit dem Titel „Après les événements de Toulon“ (Nach den Ereignissen in Toulon), abgedruckt in Nick 2002, S. 206
  13. Œuvres - Novembre 1935 Léon Trotsky Front Populaire et Comités d’action 26 novembre 1935. In: Marxists. Abgerufen am 14. September 2024 (französisch).
  14. a b c d Nick 2002, S. 208 f.
  15. Pierre Chevalier: ROUS Jean (Pseudonyme militant : CLART ; pseudonymes dans la presse : CIVIS, Jean PRADES, ROUCLÈS, ROUGLAS). In: Maitron. Abgerufen am 14. September 2024 (französisch).
  16. Pierre Broué: BOUSSEL Pierre dit LAMBERT Pierre, dit Andréi Pierre, Temansi, Lejeune, Lepage Victor, Lamotte. Abgerufen am 14. September 2024 (französisch).