Lombarde (Schmuckbuchstabe)
Die Lombarden (auch Lombardischen Versalien oder Lombardische Majuskeln genannt) sind eine Schriftauszeichnung.
In der Buchgestaltung zählen Lombarden zum Buchschmuck. Sie sind Schmuck- und Gliederungsbuchstaben in spätmittelalterlichen Handschriften und Inkunabeln, die sich deutlich von Kapitel-Initialen unterscheiden. Lombarden („Absatz-Initialen“) sind größer als die normalen Buchstaben, die sich sogar über zwei oder drei Verszeilen erstrecken können. Ein Versal (ein Großbuchstabe) kennzeichnete damit den Anfang einer Vers-Zeile.[1]
Nach Karin Schneider sind Lombarden ein Begriff aus der Inkunabelkunde über den Buchschmuck (also ein typografischer Begriff): „Zur Rubrizierung gehören auch die gerundeten unverzierten Initialen zu Text- und Kapitelbeginn, die als Lombarden bezeichnet werden.“[2]
Bernhard Bischoff erwähnt die paläografische Herkunft der Lombarden: „Bescheidenere Anfangsbuchstaben haben die schweren, bauchigen Formen der gotischen Majuskel (Lombarden); die fast ausschließlich verwendeten Farben sind Blau und Rot, im Wechsel …“[3]
František Muzika beschreibt die „sogenannten“[4] Lombarden mit dem Begriff ältere gotische Buchmajuskel (für Überschriften) oder, noch treffender, Gotische Unziale.[5]
Ursprung und Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Handschriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert wurden neben reich geschmückten Initialen zusätzlich Lombarden für Hervorhebungen in den Texten der gotischen Minuskel verwendet. Bei diesen Lombarden handelt es sich um relativ kleine, schmucklose oder nur wenig verzierte Unzialbuchstaben in roter oder blauer Farbe. Sie wurden mit einer Rohrfeder oder einem Gänsekiel geschrieben. Die Tinte wurde aus Mennige (minium) oder aus blauen (lazurium) Pigmenten in Wasser, unter Zusatz von Eiweiß oder Eigelb, angesetzt.
Es sind bauchige (unziale) Buchstaben in Form von „Majuskeln im gotischen Stil“ wie die Gotische Majuskelschrift auf Grabplatten (Epitaphen), Taufbecken oder Glocken. Die Buchstaben passten sich der äußeren Kontur eines Quadrates oder Rechtecks an. Im Gegensatz zu den umfangreichen Initialen sind sie nicht oder nur spärlich verziert: mit groben Ornamenten, z. B. Fleuronnés (stilisierte Maiglöckchen, Blätter und Blüten), schlichten Schleifen oder mit senkrechten (bei C oder E) bzw. waagrechten Strichen (bei M oder U). Einfache Lombarden wurden in wenigen Zügen gezeichnet und direkt mit der Feder ausgemalt (die „Auszeichnung“). Rötliche Lombarden werden als „rubrizierte Lombarden“ bezeichnet.[1] Auch bei heutigen Kalligrafen ist diese gotische Zier-Unziale beliebt.
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Textura mit Lombarden im Sachsenspiegel, frühes 14. Jahrhundert
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Beispiel einer Rubrizierung mit Lombarden (14. Jh.)
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Psalter in Textura mit Initial „R“ und Lombarden (15. Jh.)
In Buchdrucken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Verbreitung der Schriftauszeichnung erlebte im 15. Jahrhundert in Frankreich einen Höhepunkt (mit Fleuronné-Ornamenten[6]) und in Deutschland mit den „Maiglöckchen-Initialen“ von Günther Zainer.[7] Moderne Typografen wie William Morris und Frederic Goudy machten sie wieder populär („Uncial Gothic Capitals“).
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Gutenberg-Bibel: Überschrift GENESIS mit Lombarden gestaltet
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Aus dem Psalterium Benedictinum, 1457 von Peter Schöffer
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Psalmengebete aus der Kelmscott Press mit viermaliger A-Initiale
Die Auszeichnungen in der Gutenberg-Bibel entstanden im Anschluss an den Buchdruck. Sie waren die Aufgabe des Rubrikators. Gutenbergs Nachfolger, Peter Schöffer, druckte den Psalter 1457 bereits mit roten, einzeiligen und zweizeiligen Lombarden (Q) in zwei Druckdurchgängen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lombarde im Typolexikon von Wolfgang Beinert
- Hubert Leonhard Graf: Lombardische Versalien
- Norbert Bartz: Lombardische Majuskel (mit PC-Font)
Einzelhinweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Lombarde im Typolexikon von Wolfgang Beinert.
- ↑ Karin Schneider: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten: Eine Einführung. 3. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-037308-0, S. 155.
- ↑ Bernhard Bischoff: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters. 4. Auflage, Erich Schmidt, Berlin 2009, ISBN 978-3-503-09884-2, S. 298.
- ↑ František Muzika: Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets. Artia, Prag 1965. Band I, S. 339: „... in den Katalogen der Schriftgießereien, wo Initialschriften dieses Typus aus unerfindlichen Gründen als lombardische Versalien bezeichnet werden, obwohl man sie schwerlich mit der Lombardei und umso weniger mit dem lombardischen oder gar langobardischen Schriftschaffen in Beziehung bringen kann.“
- ↑ František Muzika: Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets. Artia, Prag 1965. Band I, S. 335: Gotische Unziale.
- ↑ Wolfgang Augustyn, Christine Jakobi-Mirwald, Christine Sauer, Martin Roland: Fleuronné, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte IX (1996), Sp. 1113–1196.
- ↑ Albert Kapr: Schriftkunst. Geschichte, Anatomie und Schönheit der lateinischen Buchstaben. Verlag der Kunst, Dresden 1971, S. 67 und Abbildung auf S. 144.