Lonchodraconidae

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Lonchodraconidae

Silhouette von Lonchodraco giganteus mit Hervorhebung der bekannten Schnauzenspitze.

Zeitliches Auftreten
Unterkreide (Albium) bis Oberkreide (Cenomanium oder Turonium)
112,9 bis 92,19 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Flugsaurier (Pterosauria)
Pterodactyloidea
Ornithocheiroidea
Ornithocheiromorpha
Lonchodraconidae
Wissenschaftlicher Name
Lonchodraconidae
Rodrigues & Kellner, 2013
Gattungen

Die Lonchodraconidae sind eine ausgestorbene Familie von Flugsauriern aus der Kreide Eurasiens. Die Familie wurde im Jahr 2013 von den Paläontologen Taissa Rodrigues und Alexander Kellner als Alternative zur Familie Lonchodectidae benannt. Letzterer Name wurde in Zweifel gezogen, da die Fossilien des namensgebenden Lonchodectes als nicht näher bestimmbar angesehen wurden. Rodrigues und Kellner ordneten ursprünglich nur die Gattung Lonchodraco der Lonchodraconidae zu.[1] Spätere Analysen fanden Ikrandraco als weiteres Mitglied.[2][3]

Einige Wissenschaftler lehnen den Begriff Lonchodraconidae ab und behandeln Lonchodraco und Ikrandraco als Teil der Lonchodectidae.[4][5]

Schädel und Hals von Ikrandraco avatar.

Lonchodraconiden hatten wie die meisten anderen Flugsaurier eine verlängerte Schnauze, die Kiefer trugen Zähne.[6]

Zu ihren charakteristischen Merkmalen gehören die durchgängig etwa gleich breiten Zähne. Diese sitzen in relativ kleinen (<4 mm), gleichmäßig angeordneten Zahnfächern, wobei etwa eine Zahnbreite zwischen den einzelnen Zahnfächern liegt. Die Zahnfächer stehen in Relation zu den Kieferknochen etwas erhöht. Das Gaumenbein wurde von einer tiefen Furche durchzogen. Auf der Unterseite des Unterkiefers befand sich ein knöcherner Kamm. Bei Lonchodraco findet sich ein weiterer Knochenkamm auf der Oberseite des Oberkiefers.

Weitere für die Familie charakteristische Merkmale könnten sich bei den besser erhaltenen Fossilien von Ikrandraco finden. Es lässt sich allerdings nicht sagen, ob diese typisch für die gesamte Lonchodraconidae sind.[1][5]

Innere Systematik

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Aktuell werden nur Ikrandraco und Lonchodraco in die Familie gestellt. Beide Gattungen umfassen je mindestens zwei Arten, deren verwandtschaftliche Stellung und Gültigkeit allerdings von Autor zu Autor variiert.

Ikrandraco avatar, die Typusart ihrer Gattung, ist anhand von zwei Teilskeletten aus der Unterkreide Chinas bekannt.[6] Eine weitere Art, Ikrandraco machaerorhynchus aus der Unterkreide Englands, wurde ursprünglich Lonchodraco zugeordnet.[1][5]

Die Typusart Lonchodraco giganteus wiederum ist aus der Oberkreide Englands anhand einer Schnauzenspitze und weiterer Knochenfragmente überliefert. Eine weitere Art könnte Lonchodraco microdon aus der Unterkreide von England sein, die jedoch von manchen als Synonym von I. machaerorhynchus gesehen wird.[1][5] Zuletzt fand eine Analyse Lonchodraco denticulatus aus der Unterkreide von England als weitere Art.[7] Ein mögliches Fossil von Lonchodraco wurde außerdem in der Oberkreide von Russland geborgen.[5]

Äußere Systematik

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Die meisten Wissenschaftler sind heute der Ansicht, dass die Arten der Lonchodraconidae verwandtschaftlich in die Ornithocheiromorpha zu stellen sind.[7][3][8] Je nach Analyse stehen sie dabei entweder nah an der Basis dieser Klade oder sind „fortschrittlichere“ Mitglieder innerhalb der Lanceodontia.

Verwandtschaftliche Stellung von Lonchodraco und Ikrandraco nach Andres (2021):[7]

 Ornithocheiromorpha 


Serradraco


   

Aussiedraco



   


Hongshanopterus


   

Targaryendraco


   

Lonchodectes




   

Lanceodontia


   
 Ikrandraco 

I. machaerorhynchus


   

I. avatar



 Lonchodraco 

L. giganteus


   

L. denticulatus


   

L. microdon








Verwandtschaftliche Stellung der Lonchodraconidae nach Richards et al. (2024):[3]

 Lanceodontia 


Boreopteridae


 Ornithocheirae 

Ornithocheirus


   

Targaryendraconia


   

Anhangueria





 Istiodactyliformes 


Haopterus


   

Hongshanopterus


   

Istiodactylidae




 Lonchodraconidae 

Ikrandraco


   

Lonchodraco





Lonchodraconiden ernährten sich wahrscheinlich von Fischen und anderen kleinen Wassertieren.

Xiaolin Wang et al. vermuten, dass der Unterkieferkamm von Ikrandraco den Tieren beim Abschöpfen von Beutetieren unterstützt haben könnte („skim feeding“). Ein hakenförmiger Fortsatz an diesem Kamm könnte außerdem auf das einstige Vorhandensein eines Kehlsacks nicht unähnlich dem heutiger Pelikane hinweisen. Die Autoren schließen aber auch nicht aus, dass der Knochenkamm eine Signalwirkung hatte und eine Rolle bei der Balz spielte. Der Kamm könnte dabei von einer auffällig gefärbten Haut überzogen gewesen sein, die durch Anheben des Kopfes zur Schau gestellt wurde. Wang et al. heben allerdings hervor, dass eine solche Struktur wahrscheinlich sinnvoller auf der Oberseite des Schädels gewesen wäre.[6]

David Martill und Kollegen konnten wiederum nachweisen, dass Lonchodraco an der Spitze des Unterkiefers und den Kieferseiten kleine kreisförmige Foramen besaß. Diese interpretieren sie als Mechanorezeptoren wie sie in ähnlicher Form auch an den Schnäbeln vieler Vögel vorkommen, darunter Schnepfenvögel, Löffler oder Enten. Vögel nutzen solche Rezeptoren bei der Nahrungssuche im Erdreich oder im Wasser. Die Schnabelform von Lonchodraco lässt sich allerdings nicht mit derer der genannten Vögel vergleichen, Martill und Kollegen vermuten jedoch, dass Lonchodraco diese Rezeptoren nutzte, um im flachen Wasser Fische und Wirbellose zu erbeuten.[9]

  1. a b c d Rodrigues, T., & Kellner, A. W. A. (2013). Taxonomic review of the Ornithocheirus complex (Pterosauria) from the Cretaceous of England. ZooKeys, (308), 1–112. doi:10.3897/zookeys.308.5559
  2. Kellner, A. W., Caldwell, M. W., Holgado, B., Vecchia, F. M. D., Nohra, R., Sayão, J. M., & Currie, P. J. (2019). First complete pterosaur from the Afro-Arabian continent: insight into pterodactyloid diversity. Scientific Reports, 9(1), 17875. doi:10.1038/s41598-019-54042-z
  3. a b c Richards, T. M., Stumkat, P. E., & Salisbury, S. W. (2024). A second specimen of the pterosaur Thapunngaka shawi from the Lower Cretaceous (upper Albian) Toolebuc Formation of North West Queensland, Australia. Cretaceous Research, 154, 105740. doi:10.1016/j.cretres.2023.105740
  4. Rigal, S., Martill, D. M., & Sweetman, S. C. (2018). A new pterosaur specimen from the Upper Tunbridge Wells Sand Formation (Cretaceous, Valanginian) of southern England and a review of Lonchodectes sagittirostris (Owen 1874), in Hone, D. W. E., Witton, M. P. und Martill, M. M., New Perspectives on Pterosaur Palaeobiology. doi:10.1144/SP455.5
  5. a b c d e Awerjanow, A. O. (2020). Taxonomy of the Lonchodectidae (Pterosauria, Pterodactyloidea). Proceedings of the Zoological Institute RAS, 324(1), 41–55. doi:10.31610/trudyzin/2020.324.1.41
  6. a b c Wang, X., Rodrigues, T., Jiang, S., Cheng, X., & Kellner, A. W. (2014). An early Cretaceous pterosaur with an unusual mandibular crest from China and a potential novel feeding strategy. Scientific Reports, 4(1), 6329. doi:10.1038/srep06329
  7. a b c Andres, B. (2021). Phylogenetic systematics of Quetzalcoatlus Lawson 1975 (Pterodactyloidea: Azhdarchoidea). Journal of Vertebrate Paleontology, 41(sup1), 203–217. doi:10.1080/02724634.2020.1801703
  8. Kellner, A. W., Caldwell, M. W., Holgado, B., Vecchia, F. M. D., Nohra, R., Sayão, J. M., & Currie, P. J. (2019). First complete pterosaur from the Afro-Arabian continent: insight into pterodactyloid diversity. Scientific Reports, 9(1), 17875. doi:10.1038/s41598-019-54042-z
  9. Martill, D. M., Smith, R. E., Longrich, N., & Brown, J. (2021). Evidence for tactile foraging in pterosaurs: a sensitive tip to the beak of Lonchodraco giganteus (Pterosauria, Lonchodectidae) from the Upper Cretaceous of southern England. Cretaceous Research, 117, 104637. doi:10.1016/j.cretres.2020.104637