Luftangriffe auf Münster

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Die Luftangriffe auf Münster während des Zweiten Weltkrieges forderten in Summe etwa 1600 Menschenleben. In den Jahren zwischen 1939 und 1945 gab es insgesamt 1.128 Luftalarme in Münster. In rund 102 Luftangriffen durch alliierte Bomber[1] wurde ein Großteil des Gebäudebestandes in der Stadt zerstört. Besonders verheerend war der Angriff vom 10. Oktober 1943, zugleich der erste Tagesangriff auf eine deutsche Stadt.

Militärische Situation

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Die Stadt Münster als Garnisons-, Verwaltungs- und Handelsstadt mit bedeutender Infrastruktur wie dem Dortmund-Ems-Kanal zwischen Ruhrgebiet und dem Norden und der Mitte Deutschlands bot ein lohnendes Angriffsziel.[1]

In den Jahren zwischen 1939 und 1945 gab es insgesamt 1128 Luftalarme[1] (532 Tages-, 596 Nachtalarme). Dabei fiel die erste Hälfte der Alarme auf die ersten 40 Monate des Krieges in die Zeit von September 1939 bis Dezember 1943 und die zweite Hälfte auf die letzten 15 Monate von Januar 1944 bis Mai 1945.

Am 22. Januar 1942 gingen offiziellen Angaben zufolge 102 Sprengbomben auf die Stadt Münster nieder, deren Einschläge sich vor allem im Bereich der Salzstraße sowie dem Servatiiplatz befanden.[2] An der Lingener Straße in der Nähe des Stadthafens begannen tags darauf französische Kriegsgefangene mit den Aufräumarbeiten.[2]

Insgesamt wurden auf Münster etwa 32.000 Sprengbomben, ca. 642.000 Stab-Brandbomben und mehr als 8100 Phosphorbomben abgeworfen. Aber auch von Münster aus wurde der Bombenkrieg geführt, vom Stützpunkt Münster-Handorf wurden verschiedene Bomberverbände koordiniert, die Einstäze gegen England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden flogen.

Luftangriff am 10. Oktober 1943

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Anflug Richtung Niederrhein

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Der schwerste Angriff auf Münster durch die Eighth Air Force fand am Sonntagnachmittag des 10. Oktober 1943 statt. Die Militärstrategen der 8. Luftflotte waren entschlossen, den Luftkrieg gegen das Deutsche Reich aufrechtzuerhalten. Die Wettervorhersage sagte ein großes Hochdruckgebiet über Westeuropa voraus, das Deutschland einen wolkenlosen Oktobertag bescheren würde. Der Befehl zum Angriff auf Münster kam aus dem Hauptquartier der Eighth Air Force in High Wycombe, Buckinghamshire. Ein Ziel des Angriffs bestand darin, den gesamten deutsche Schienenverkehr in Nordwestdeutschland zu stören, indem Wohnungen für Zug-, Wartungs- und Reparaturpersonal als auch das Zugmaterial und ein wichtiges Betriebswerk vernichtet werden sollte.

Mehr als 200 Bomber der United States Army Air Forces waren am Sonntagmorgen vom Stützpunkt Royal Air Force Thorpe Abbotts in Diss (Norfolk) über Rotterdam zunächst Richtung Ruhrgebiet geflogen, hatten bei Haltern abgedreht und steuerten das ca. 450 km entfernte Münster an, wo es bisher keine Tagangriffe gegeben hatte. Dieser folgte der Area Bombing Directive vom 14. Februar 1942, die erstmalig dezidiert Angriffe auf zivile Ziel vorsah. In der Stadt hielten sich bedingt durch das schöne Spätsommerwetter viele Sonntagsausflügler auf, auch aus dem Umland. Diese Änderung der Angriffstrategie löste bei den beteiligten Piloten und bei dem beteiligen Personal der Angriffe teilweise Entsetzen aus.

Luftabwehr über dem Münsterland

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Der Luftangriff war durch deutsche Radarstellungen in den Niederlanden bereits früh erkannt worden, als sich diese noch über East Anglia befanden. Die 237 beteiligten B-17 Bomber wurden zum Schutz vor deutschen Jägern durch 217 schwere Begleitjäger vom Typ P-47 Thunderbold begleitet und geschützt. Diese hatten jedoch nur begrenzte Reichweite und mussten vor dem Ziel im Bereich zur niederländischen Grenze abdrehen. Da die Luftwaffenführung einen Angriff auf Rüstungsstandorte im Ruhrgebiet erwartete, wurden zahlreiche Kräfte der Luftwaffe mobilisiert.

Im Bereich Niederrhein und Westmünsterland erlitten die US-Verbände dadurch bereits heftige Verluste durch Tagjäger der deutsche Luftwaffe. Beteiligt waren schätzungsweise 350 Jäger: Messerschmitt Me 109, Focke-Wulf 190, zweimotorige Raketenjäger vom Typ Me 110 (ausgerüstet mit 210mm Luft-Luft-Raketen), Me 410 und Junkers 88.[3] Es wurden sogar Dornier 217 mit Raketenwerfern eingesetzt, dazu kam Flak-Feuer im Südwesten von Münster.[4] Die B-17 war durch ihre massive Bewaffnung, Panzerung aber auch Bombenlast recht langsam und bei Tagangriffen sehr leicht auszumachen - und damit ein relativ einfaches Ziel für die schnelleren Jäger.

Zerstörung von Münsters Altstadt

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Mit schweren Angriff im Zweiten Weltkrieg hatte die Stadt anfangs nicht gerechnet, da es in Münster keine Schwerindustrie gegeben hatte. Nach den ersten schweren Angriffen Anfang 1942 blieb die Stadt 18 Monate lang von schweren Bombenangriffen verschont. Erst in der Nacht zum 12. Juni 1943 griffen wieder US-Bomberverbände die Stadt an, die verheerende Schäden anrichteten. Mit dem ersten Tagesangriff auf Münster am 10. Oktober 1943 trat der Bombenkrieg allerdings in eine neue Dimension.

Jede Boeing B-17 hatte am Morgen auf einem Fliegerhorst in Südengland fünf Tonnen Bomben geladen. Kurz vor ihrem Ziel reduzierten die Bomber kurz vor 15 Uhr am Nachmittag ihre Flughöhe um etwa 2000 Meter, um mit erhöhter Geschwindigkeit schneller durch den Abwehrbereich der Flak zu kommen.[5] Sie nutzten bei ihrem Anflug die Stufen des Westportals des St.-Paulus-Doms als Orientierungsmarke[6] und warfen von 15:03 bis 15:20 schätzungsweise 2200 Sprengbomben, 20 000 Stabbrandbomben und 660 Phosphorbomben ab. Volltreffer gingen auf den Luftschutzbunker Mariensäule (79 Tote), das Clemensschwesternhaus Loerstraße Ecke Stubengasse (52 Tote einer Oberinnen-Tagung), das Apollo Kino, den Hauptbahnhof sowie die Ludgeristraße, Aegidiistraße, Rothenburg, Prinzipalmarkt und Salzstraße. Die überwiegende Zahl der Treffer befand sich innerhalb der Promenade. Der Angriff galt dem Stadtzentrum, das Stadtinnere glich nach der Bombardierung einem Trümmerfeld, in der Stadt entstanden zahlreiche Großbrände.

Nach offiziellen Angaben starben 473 Zivilisten und knapp 200 Soldaten, darunter Paul Krückmann. Die Zahl der ums Leben gekommenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter ist nicht bekannt.[1]

Im gesamten Stadtzentrum von Münster hatte es schwere Gebäudeschäden gegeben. Neben vielem anderem ging das Vinnenberger Gnadenbild verloren. Die letzten Brandherde wurden noch Wochen später entdeckt und gelöscht. Der Waldfriedhof Lauheide wurde nach dem Angriff zum Zweck der Massenbeerdigung eingeweiht.[7]

Durch verirrte Bomberverbände wurden neben Münster versehentlich Rheine, Coesfeld und darüber Enschede in den Niederlanden angegriffen: Alleine hier gab es rund 150 zivile Opfer.

Verluste der 100th Bomb Group Foundation

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B-17 der 100th Bomb Group Foundation

Die beteiligen US-Bomberverbände erlitten teilweise heftige Verluste. Mitunter waren rund 600 Flugzeuge gleichzeitig in der Luft und in das Kampfgeschehen verwickelt: Ein Pilot beschrieb die Situation während des Luftangriffs später wie folgt: "It was as flying into an areal junkyard."

So verlor die 100th Bomb Group Foundation von initial achtzehn eingesetzten Maschinen bereits sechs Bomber über der Nordsee durch Maschinenschäden. Von den am Angriff beteiligten dreizehn B-17 kehrte nur eine einzige mit schwerem Raketenbeschuss nach Südwestengland zurück, die B-17 "Royal Flush" (S/N 42-6087), die an diesem Tag von Robert Rosenthal kommandiert und von seiner Stammbesatzung geflogen wurde. Durch riskante Flugmanöver schaffte Rosenthal es jedoch den deutschen Jagdflugzeugen zu entkommen und nach England zurückzukehren. Die Maschine kehrte mit nur noch zwei funktionierenden Motoren und beiden schwer verwundet Bordschützen nach Thorpe Abbotts zurück. Die anderen zwölf zur Bomberstaffel gehörenden Maschinen wurden abgeschossen.

Das Bodenpersonal, welches auf die Rückkehr der Bomber wartete, war schockiert, als sie nur eine einsame, ramponierte B-17 zurückkehren sahen. Ein Viertel der 100th Bomb Group, nämlich 120 Besatzungsmitglieder, kehrten nicht mehr aus dem Einsatz in Münster zurück. Die Gruppe war vier Monate vor dem Angriff auf Münster mit 140 fliegenden Offizieren in England eingetroffen; nach dem Angriff auf Münster waren nur drei von der initialen Gruppe übrig geblieben.

Diese Einsatzwoche der US-Bomberverbände (neben Münster wurden auch Bremen und Schweinfurt angegriffen) wurde als „Black week of Münster“ bekannt.[8] Der Luftangriff der "bloody" 100th Bomb Group auf Münster wurde in 2024 in der US-amerikanische Miniserie Masters of the Air behandelt, die unter anderem von Steven Spielberg produziert wurde.[9]

Münster wurde zwar auch stark zerstört, jedoch nicht so stark wie andere Städte in Nordrhein-Westfalen, die teils deutlich höhere Verluste zu verzeichnen hatten. Hier wären z. B. Düren (99 Prozent), Wesel (97 Prozent) und Paderborn (96 Prozent) zu nennen[10]. Die Altstadt war derart zerstört, dass es am Ende des Krieges möglich war, vom Hauptbahnhof zum Schloss zu schauen. Fachleute schätzen, dass rund 15 bis 20 Prozent der abgeworfenen Bomben nicht explodiert sind und als Blindgänger in Wohngebieten, Industrie- sowie Gewerbeanlagen und freien Flächen liegen.

  • Willi Riegert: Heimat unter Bomben: Der Luftkrieg im Raum Steinfurt und in Münster und Osnabrück 1939–1945, Münster 2013, ISBN 3-89960-235-8.
Commons: Luftangriffe auf Münster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d Stadt Münster: Ausstellungen: 10. Oktober 1943 – Bombenangriff, abgerufen am 26. Juni 2020
  2. a b Westfälische Nachrichten: Fotoausstellung im Stadtmuseum zeigt „Das untergegangene Münster“, Münster, 21. Januar 2015
  3. Disaster In A Bright Blue Sky
  4. When Only One B-17 Came Home
  5. Westfälische Nachrichten: Als das alte Münster unterging: Schwerer Bombenangriff am 10. Oktober 1943, Welt/Kultur, Münster, Johannes Loy, 10. Oktober 2013
  6. Im Weltkrieg erlitt er die schwersten Schäden seiner Geschichte, Gotteshaus/Geschichte, Bischöfliche Pressestelle, abgerufen am 27. Juni 2020
  7. Westfälische Nachrichten: Ein ohrenbetäubendes Bersten: Der Bombenangriff auf Münster am 10. Oktober 1943, Münster, Bernd Riekötter, 10. Oktober 2013
  8. Black week Münster – 10 Oct 1943
  9. Masters of the Air - Münster Raid
  10. Kriegsende 1945: So zerstörten Bomben deutsche Städte – eine Liste - WELT. Abgerufen am 11. Februar 2023.