Lutherkirche (Freiburg im Breisgau)
Die Lutherkirche im Stadtteil Stühlinger der Stadt Freiburg im Breisgau ist eine ehemalige protestantische Kirche.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Zuge des Bevölkerungswachstums im noch jungen Stadtteil Stühlinger wurde 1902 ein evangelisches Vikariat gegründet, das 1909 zur Pfarrei wurde. 1910 gehörten dieser schon fast 4800 Gläubige an. Damit war klar, dass ein eigenes Kirchengebäude benötigt wurde. Aus einem 1911 veranstalteten Architektenwettbewerb ging das Büro Schuster und Christen als Sieger hervor. Hans Christen entwarf einen Bau, bei dem Elemente des Klassizismus und des Jugendstils vereint waren.[1] Es war die letzte Kirche, die in der Amtszeit von Otto Winterer erbaut wurde.[2] Grundsteinlegung war 1913, Richtfest im Juli 1914. Dann aber begann der Erste Weltkrieg, in dessen Verlauf sich die Arbeiten zur Fertigstellung der Kirche lange hinzogen, so dass erst am 23. März 1919 die Einweihung gefeiert werden konnte.
Der Bombenangriff am 27. November 1944 im Verlauf des Zweiten Weltkriegs bedeutete dann schon wieder das Ende des Gebäudes – es wurde vollkommen zerstört, wobei der damalige Pfarrer auch seine Familie verlor: seine Frau und beide Kinder kamen ums Leben, weil der Turm auf das Pfarrhaus stürzte. Eine Baracke in der Nähe diente ab 1946 als Notkirche, bis 1953 ein Ersatzbau auf dem Kirchengrundstück nach Plänen des Architekten Max Schmechel eingeweiht werden konnte.
Weil die Gottesdienstbesuche stark rückläufig sind, wurde die Pfarrei der Lutherkirche mit der Kreuzkirchenpfarrei zusammengelegt, die Kirche wurde nicht mehr benötigt. Am 31. Januar 2016 fand der letzte Gottesdienst statt, bevor der Kirchensaal entwidmet und dem Universitätsklinikum durch Erbbaurecht überlassen wurde.
Nachnutzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kirchengebäude
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ersten Pläne zufolge sollte im Kirchengebäude selbst ein großer Hörsaal mit 400 Plätzen für die Medizinische Fakultät als Raum-in-Raum-Konstruktion entstehen.[3][4] Dies hätte allerdings die Beteiligung von Sponsoren bedeutet, die nicht gefunden wurden. Stattdessen sollen im Kirchengebäude nun Lernarbeitsplätze und Seminarräume für Studierende der Medizinischen Fakultät beziehungsweise im Untergeschoss Übungsräume für Studierende der Zahnklinik entstehen.[5] Die Bauarbeiten begannen im April 2024 und sollen bis Ende des Jahres 2026 abgeschlossen werden.[6]
Pfarrhaus und Gemeindesaal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf dem Gelände des ehemaligen Pfarrhauses und des nicht mehr benötigten Gemeindesaals, die bei der Evangelischen Kirche verblieben, sollte ursprünglich ein fünfstöckiges „Haus der Evangelischen Kirche“ für die Kirchenverwaltung und das Diakonische Werk errichtet werden.[7] Dieses ist nun allerdings in der Schnewlinstraße in einem bestehenden Gebäude eingerichtet worden. Die zukünftige Nutzung der leer stehenden Räume ist noch offen.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die ursprüngliche Kirche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der erste Kirchenbau nach Plänen der Architekten Schuster und Christen wurde in der Spätzeit des Jugendstils auch unter Verwendung der Antike entlehnter Elemente errichtet. Der ost-west-orientierte Bau hatte eine auffallende, markante Form mit großem Walmdach und einem weit sichtbaren Turm an der Nordwest-Ecke. Die Eingangsfassade im Osten ist im Mittelbereich dreigliedrig gestaltet, mit hohen rechteckigen Fenstern über Portalen, überdacht von einem runden Segmentgiebel. Durch die Gestaltung der Eingangsfassade machte die Kirche von außen eher einen klassizistischen Eindruck. Im Innern war die Saalkirche durch ihre Gestaltung aus gestampftem Muschelkalk eher dem Jugendstil zuzurechnen. Die „anmutsvolle Sprache der Kunst“ wie auch die Bestuhlung mit Klappsitzen stießen allerdings nicht auf ungeteilte Zustimmung der Gottesdienstbesucher.
Der Nachkriegsbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Außen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Nachfolgekirche ist ebenfalls ein Saalbau, jedoch weiß verputzt mit schlichtem Satteldach und glatter Eingangsfassade. Er fasst etwa 800 Personen und war damit die größte evangelische Kirche in Freiburg, Über einem dreiteiligen Portal ohne Hervorhebung befindet sich ein Rundfenster. Übernommen ist die in Bezug zum Straßenniveau erhöhte Lage mit einem halbrunden Vorplatz, der über mehrere Stufen zu erreichen ist und von dem eine vielstufige Treppe zum Eingangsportal führt.
Insgesamt ist der Bau im Gegensatz zur ersten, das Stadtbild prägenden Kirche eher unauffällig und ähnelt in mancher Hinsicht zwei anderen Freiburger Kirchen: der 1937/38 entstandenen katholischen Kirche Heilige Familie und der katholischen Dreifaltigkeitskirche, die zur gleichen Zeit wie die neue Lutherkirche entstanden ist.
Turm und Glocken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der quadratische Turm, wieder an der Nordwestecke, ist ebenfalls mit einem Satteldach bedeckt; unterhalb der Höhe der Dachtraufe befinden sich auf allen vier Seiten rechteckige hohe Schallöffnungen mit vorgesetzten schmalen Balkonen. Darunter sind – ziffernlose – Zifferblätter einer Turmuhr angebracht. Von den ursprünglich vorhandenen, 1923 vom Bochumer Verein gegossenen Kirchenglocken aus Gussstahl konnte nur die größte aus den Trümmern geborgen werden, drei neue, ebenfalls in Bochum gegossen, kamen 1967 hinzu.[8]
Glocke | Name | Schlagton | Gewicht | Durchmesser |
---|---|---|---|---|
1 | Golgatha | b°+4 | 2600 kg | 1887 mm |
2 | Friede | des’+4 | 2061 kg | 1670 mm |
3 | Heimat | fes’+4 | 1200 kg | 1400 mm |
4 | Hoffnung | g’+4’ | 751 kg | 1118 mm |
Innen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Innenraum wird wie der Vorgängerbau durch hohe rechteckige Fenster belichtet und ist wie das Äußere sehr schlicht gehalten. Er weist eine Möblierung mit Bänken auf. Der Altarraum, an dessen Rückwand ein großes Kruzifix zu sehen war, ist durch einen Bogen vom übrigen Raum getrennt.
Anbindung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Lutherkirche befindet sich direkt an der Haltestelle Friedrich-Ebert-Platz an der Straßenbahnlinie 2. Unmittelbar nördlich des Kirchengebäudes befindet sich eine Station des Fahrradverleihsystems Frelo.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Abbildung des ursprünglichen Kirchenbaus
- ↑ stuehlinger-online.de: Aktuelles (01.03.04 – 15.03.04) ( vom 28. April 2005 im Internet Archive), Internetarchiv abgerufen am 4. Dezember 2012.
- ↑ Kirche wird zum Hörsaal – uniCROSS. Abgerufen am 30. März 2019.
- ↑ Carola Schark: Die Lutherkirche prägte bis zu ihrer Zerstörung den Stadtteil Stühlinger. Badische Zeitung, 24. März 2019, abgerufen am 30. März 2019.
- ↑ Stephanie Streif: Der Umbau der Freiburger Lutherkirche rückt näher. In: Badische Zeitung. 22. November 2022, abgerufen am 10. Januar 2024.
- ↑ Alexandra Röderer: Studieren, wo früher gebetet wurde: Freiburger Kirche wird zum Hörsaal. In: Badische Zeitung. 5. April 2024, abgerufen am 6. April 2024.
- ↑ Badische Zeitung Freiburg, 9. Oktober 2019: Es tut sich was in Sachen "Haus der Kirche" im Stühlinger. Von Jelka Louisa Beule
- ↑ Geläut der Lutherkirche Freiburg auf youtube
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten: 48° 0′ 13″ N, 7° 50′ 27″ O
- Martin-Luther-Kirche
- Kirchengebäude in Freiburg im Breisgau
- Kirchengebäude in Europa
- Erbaut in den 1910er Jahren
- Zerstört im Zweiten Weltkrieg
- Zerstört in den 1940er Jahren
- Erbaut in den 1950er Jahren
- Saalkirche in Baden-Württemberg
- Profaniertes Kirchengebäude in Baden-Württemberg
- Umgenutztes Bauwerk in Freiburg im Breisgau