Mütter gegen Atomkraft

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Mütter gegen Atomkraft bei einer Gedenkveranstaltung zum 20. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl auf dem Marienplatz in München

Mütter gegen Atomkraft (MgA) ist ein Anfang Juni 1986[1] eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein mit Sitz in München, der anlässlich der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gegründet wurde.[2] Er ging aus einer Initiative von Müttern aus Starnberg hervor, die dazu aufgerufen hatten, am 12. Mai 1986, dem Muttertag, Muttertagssträuße in Form eines Strahlenzeichens auf dem Münchner Marienplatz auszubreiten.[1]

Geschichte und Ziele

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Der Verein hat 1.100 Mitglieder und verfolgt das Ziel des Atomausstiegs.[3] Schon bei der Gründung wurde als Zielsetzung neben Schadensbegrenzung aus aktuellem Anlass ein energiepolitisches Umdenken gefordert.[1] Laut Satzung steht der Verein Eltern, Großeltern, Singles und allen Menschen, die sich gegen Atomkraft engagieren wollen, offen. Bereits zu Anfangszeiten des Vereins waren vereinzelt Männer unter den Mitgliedern, mehrheitlich haben sich Männer jedoch nach Einschätzung der 2014 verstorbenen Gründerin Gina Gillig[4] eher abgeschreckt gefühlt, was sie mit Rollenklischees, die sich mit dem Begriff „Mutter“ verbinden, erklärt. Eine Umbenennung des Vereins zu „Eltern gegen Atomkraft“ wurde diskutiert, jedoch nicht umgesetzt. Ausschlag gab nach Gillig, dass die Arbeit des Vereins zur positiven Besetzung der gesellschaftlichen Erziehungsfunktion von Müttern beiträgt.[5] Der Verein hat Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben München (Geschäftssitz) und Nürnberg gibt weitere Ortsverbände, z. B. in Regensburg[6][7] und Erlangen.[8] In Österreich gibt es u. a. seit 1986 die Linzer „Mütter gegen Atomgefahr Oberösterreich“, später „Plattform gegen Atomgefahr“, und die Salzburger „Mütter für eine atomfreie Zukunft“.[9]

Im ersten Jahr der Gründung bildeten Aktivitäten im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl den Schwerpunkt der Vereinstätigkeit. So stand das Bemühen um glaubwürdige Informationen zum Geschehen im Vordergrund. Unabhängige Messergebnisse zur Strahlenbelastung wurden eingeholt und veröffentlicht. Über eigene Messgeräte wurde z. B. der Sand von Sandkästen auf radioaktive Belastung überprüft. Im zweiten Jahr des Bestehens wurde der Handlungsschwerpunkt in öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten auch gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf gesehen.[10] Durch verschiedene Aktionsformen sollten die Gefahren der Atomkraft vermittelt und die Ersetzbarkeit die Atomenergie als realistische Möglichkeit beworben werden. Im Weiteren gewann die Unterstützung für alternative Energien Bedeutung. So war Mütter gegen Atomkraft Mitbegründerin des Nürnberger Energiewendebündnisses.[11]

Zu den Tätigkeiten des Vereins gehören öffentlichkeitswirksame Aktionen und Informationsveranstaltungen, Demonstrationen, atomkritische Konferenzen oder Briefe und Anfragen an Politiker.[12] Im Landkreis Miesbach betreibt der Verein eine eigene Messstation zur Messung des Radioaktivitätsgehalts der Luft, um Strahlungswerte unabhängig evaluieren zu können.[5] Mütter gegen Atomkraft hat nach eigenen Angaben bisher 630 000 Euro an Spenden erhalten. Der Verein leitet diese Spenden zur Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in die Ukraine und nach Belarus weiter. Der Verein veranstaltet regelmäßig Mahnwachen, gibt jährlich zum Tschernobyl-Jahrestag das Magazin MÜTTER COURAGE heraus und organisiert seit 1990 die Hilfsaktion Kinder von Tschernobyl in der Ukraine. Der Verein koordiniert dabei u. a. den Transport von Lebensmittelpaketen und Arzneimitteln. Die Initiierung notwendiger Operationen oder Erholungsaufenthalte für kranke Mütter sind ebenfalls Bestandteil der Aktion.[5][13]

Mütter gegen Atomkraft ist Mitglied der Plattform Umweltzentrum Bielefeld.[14]

Einzelnachweise

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  1. a b c Website der Mütter gegen Atomkraft, abgerufen am 18. Januar 2014.
  2. Würmtals letzte Mutter gegen Atomkraft. In: Merkur.de. 17. März 2011, abgerufen am 9. August 2024.
  3. @1@2Vorlage:Toter Link/www.br-online.deMütter gegen Atomkraft wollen sich wehren. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven) Bayerischer Rundfunk, 27. März 2011, abgerufen am 6. Juni 2011.
  4. Tragische Gewissheit: Die vermisste Gina Gillig ist tot. In: Merkur.de. 20. Januar 2014, abgerufen am 9. August 2024.
  5. a b c Kim Eberhardt: „Ich bin erschüttert, entsetzt, wütend“. In: taz.de. 23. März 2011, abgerufen am 9. August 2024.
  6. Mütter gegen Atomkraft Regensburg (PDF; 2,0 MB) auf kultur-gegen-die-waa.de.
  7. Zeitzeugenberichte mit der Regensburger MgA-Aktivistin Imogen Pfarr-Otto 2016 beim Haus der Bayerischen Geschichte: Interview 1, Interview 2, Interview 3.
  8. Jakob Felsberger: Der Verein Mütter gegen Atomkraft (MgA). In: Jakob Felsberger: Tschernobyl in Erlangen - Reaktionen und Dynamiken im lokalen Umfeld 1986-1989 (= Ausgezeichnete Abschlussarbeiten der Erlanger Geschichtswissenschaft. Bd. 8). FAU University Press (Hrsg.), Erlangen 2020, ISBN 978-3-96147-285-7, S. 87–115.
  9. Leonie Hosp: Die Lausmädchen. Frauen in der österreichischen Anti-Atom-Bewegung ca. 1970 bis 1990 (PDF; 1,6 MB). BOKU, Wien 2019, ISSN 1726-3816.
  10. Mütter gegen Atomkraft - Fundus (PDF; 11 MB) auf kultur-gegen-die-waa.de.
  11. Kathrin Walther: Diese Technik verzeiht einfach keine Fehler. In: Nürnberger Zeitung. 23. März 2011, abgerufen am 9. August 2024.
  12. Ulrike Röhr, Dagmar Vinz: Frauen gegen Atomenergie - die Auswirkungen von Tschernobyl auf das umwelt- und energiepolitische Engagement von Frauen (Memento vom 16. August 2012 im Internet Archive). In: Lutz Mez, Lars Gerhold, Gerhard de Haan (Hrsg.): Atomkraft als Risiko. Analysen und Konsequenzen nach Tschernobyl. Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2010 (PDF; 1,36 MB).
  13. Blanche Mamer: „Mütter gegen Atomkraft“. In: sueddeutsche.de. 12. Oktober 2010, abgerufen am 9. August 2024.
  14. Umweltzentrum Bielefeld