Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank
Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB) der Paris-Lodron-Universität Salzburg ist eine frei zugängliche und kostenlose Online-Datenbank aus dem Bereich der Digital Humanities (Digitalen Geisteswissenschaften). Sie ermöglicht den Zugriff auf die wichtigsten Werke der mittelhochdeutschen Dichtung von den verschiedensten Blickwinkeln aus über eine vielseitige Suchfunktionalität und gilt als die größte elektronische Sammlung deutscher Texte aus dem Mittelalter sowie als das umfangreichste Abrufsystem für dieses Korpus.[1]
Der Benutzer/die Benutzerin kann nicht nur nach Wörtern, Zeichenketten und Begriffen aus verschiedenen Quellen suchen, sondern auch linguistische oder semantische Fragestellungen an die Textbasis auswerten. Weiters bietet die MHDBDB die Möglichkeit, nach komplexeren Wort- oder Begriffskombinationen zu suchen, also nach gleichzeitigem Vorkommen (Kookurrenz) von verschiedenen Wörtern oder Begriffen in einem gegebenen Kontextrahmen. Der in der MHDBDB erfasste Wortschatz ist zum größten Teil einem Lemma zugewiesen und nach einem System semantischer Begriffskategorien geordnet.[2][3][4][5][6]
Die Arbeit mit der MHDBDB kann zwar das Lesen der Originaltexte nicht ersetzen, vielmehr werden aber ein intensiveres Lesen, eine wissenschaftlichere Interpretation und ein signifikanter Überblick der großen Textbasis unterstützt, die mit herkömmlichen Hilfsmitteln nicht mehr erreichbar wären (Stichworte: Distant und Close Reading). Ermöglicht werden vergleichende Ausblicke auf andere Werke sowie die Gesamtheit der relevantesten literarischen Traditionen von sprachlichen und motivgeschichtlichen Standpunkten aus.
Die MHDBDB bietet den Nutzern allerdings derzeit noch keinen Zugang zu Volltexten (Download), sondern ist im Gegensatz zu digitalen Archiven mittelhochdeutscher Texte bewusst als reines Suchsystem angelegt, das den Zugriff auf Textausschnitte limitiert. Damit weicht sie dem Problem des Leistungsschutzrechtes aus, kann aktuelle Editionen als Basis verwenden und ist somit nicht auf alte, bereits überholte Textausgaben als Basis beschränkt.
Geschichte und Hintergrund der MHDBDB
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die MHDBDB wurde im Laufe von etwa 40 Jahren von Klaus M. Schmidt (Bowling Green State University) und Horst Pütz (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) unter Beteiligung von Studierenden der Fachbereiche Germanistik/Deutsche Philologie und Informatik der Bowling Green State University sowie der Universitäten Salzburg, Kiel und Wien entwickelt. Die Entwicklung beruht auf zwei ursprünglich getrennten Projekten, dem Begriffswörterbuch zur mittelhochdeutschen Literatur an der Bowling Green State University und dem Textarchiv und Namenswörterbuch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die beide seit den frühen 1970er Jahren gefördert wurden. Im Jahre 1992 wurden sie zum gemeinsam geleiteten Großprojekt MHDBDB zusammengeschlossen.[7]
Im Mai 1995 wurde dann anlässlich des International Congress on Medieval Studies der University of Michigan in Kalamazoo ein weltweites Informationsabrufsystem über das Internet eröffnet. Damit entstand ein leistungsfähiges Informationssystem zur mittelhochdeutschen Sprache und Literatur, dem bislang kein ähnlich umfangreiches Projekt in anderen mittelalterlichen Sprachen gegenüber steht.[8]
Im Herbst 1998 wurde dieses System auf eine relationale Datenbank von ORACLE übertragen und eine neue Benutzeroberfläche auf der Basis von Web-Seiten erstellt.
Seit 2002 ist die MHDBDB an der Paris Lodron-Universität Salzburg installiert, von wo aus das Projekt verwaltet und betreut wird.
Von 2002 bis 2016 erhielt die MHDBDB von der Universität Wien externes Sponsoring für die Systembetreuung der Datenbank.
Seit 2006 ist die MHDBDB mit den Mittelhochdeutschen Wörterbüchern im Verbund[9] (Wörterbuchnetz) der Universität Trier verlinkt.
Seit 2015 steht der MHDBDB ein Wissenschaftlicher Beirat zur Seite: Manfred Kern (Universität Salzburg), Thomas Kühtreiber (Institut für Realienkunde/Krems, Universität Salzburg), Ingrid Matschinegg (Institut für Realienkunde/Krems, Universität Salzburg), Matthias Meyer (Universität Wien), Hans Moser (Universität Innsbruck), Christian Rohr (Universität Bern), Siegrid Schmidt (Universität Salzburg).
Seit Sommer 2016 ist die MHDBDB mittels Schenkung in das Eigentum der Universität Salzburg übergegangen und wurde an das Interdisziplinäre Zentrum für Mittelalter und Frühneuzeit (IZMF) angegliedert.
Mittlerweile zählt die MHDBDB zu den internationalen Standard-Werkzeugen innerhalb mediävistischer Disziplinen, beispielsweise der Mediävistischen Germanistik, der Geschichtswissenschaft, der Religionswissenschaft oder der Kunstwissenschaft.
Relaunch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein für die Jahre 2015–2024 bevorstehender Relaunch wird die MHDBDB auf den neuesten Stand der Entwicklung im Bereich der Digital Humanities bringen. Den Datenbestand und die Oberfläche (User Interface) werden dem aktuellen Stand der Technik angepasst. Berücksichtigt werden u. a. der Einsatz einer dokumentenorientierten Datenbank und die Einführung moderner Techniken wie XML, TEI, Responsive HTML und mobile Apps.
Angestrebt werden bis 2024 u. a. Verbesserungen hinsichtlich von:
- Schnelligkeit/Leistungsumfang
- Benutzerfreundlichkeit (Usability), d. h. u. a. stärker intuitive Ausrichtung der Suchmöglichkeiten
- Webdesign
- Semantic Web
- Tutorials
Die Datenbank wird einem kompletten Redesign und einer Migration unterzogen:
- Urheberrechtlich unproblematische Texte werden frei zugänglich (Datenexporte für Forschungszwecke).
- Offene und nicht proprietäre Schnittstellen ermöglichen einfachen Austausch und Zugang.
- Einsatz von Linked Open Data, um den Austausch in der Community zu gewährleisten.
- TEI XML wird als Datenbasis verwendet.
- Export mithilfe von XSLT in unterschiedliche Formate.
- Visualisierung von Datensätzen als Graphdatenbank.
Textbasis und Statistik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zurzeit (Stand: Mai 2023) besteht das Textarchiv der Datenbank aus 666 Texten, wovon der größte Teil bereits weitgehend lemmatisiert und damit begrifflich fassbar gemacht wurde. Die Textbasis enthält insgesamt ca. 10 Millionen Wörter. Der Wortindex umfasst ca. 38.000 Lemmata und ca. 236.000 Einzelwörter, d. h. Schreibformen und Flexionsvarianten. Den Lemmata sind ca. 53.000 verschiedene Bedeutungen in Form von neuhochdeutschen Begriffen zugeordnet. Damit steht ein umfangreicher Teil der mittelhochdeutschen Literatur einer gleichzeitigen Abfrage zur Verfügung. Diese Textbasis bietet einen repräsentativen Querschnitt durch den mittelhochdeutschen Wortschatz hinsichtlich Einzelwörtern, Wortformen und vor allem Bedeutungsfeldern. Sie wird laufend um neue Texte erweitert. Schwerpunkte der Erweiterung liegen derzeit auf den Lyrik-Corpora des 13., 14. und 15. Jahrhunderts sowie der zunehmenden Einspeisung von Sach- und Fachtexten aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit.
Die Statistik zum jeweils aktuellen Textbestand ist online abrufbar.[10]
Über das Textarchiv der Datenbank gibt die Funktion Texte auflisten[11] Auskunft. Dort kann man die Texte in alphabetischer Reihe, nach Texttypus oder nach Autoren geordnet aufrufen und sich einen Überblick darüber verschaffen, welche Texte bislang in die Datenbank integriert sind, auf welchen Editionen sie beruhen und wie weit sie bereits lemmatisiert und disambiguiert worden sind. Auch zu den Autoren finden sich dort die wichtigsten historischen Angaben. Das Textmaterial der Datenbank wird laufend erweitert. Unter Aufsicht des MHDBDB-Teams können diese Texte auch durch Lemmatisierung und anschließende Disambiguierung von den Benutzern selbst bearbeitet werden. Die ‚Quelle’ wird selbstverständlich mit den notwendigen Informationen über Urheber und Ersteller verzeichnet.
Das lemmatisierte Wortmaterial orientiert sich am Bestand des mittelhochdeutschen Standardwörterbuchs von Matthias Lexer. Einem Lemma sind nicht nur alle in der Textbasis vorrätigen Schreib- und Flexionsvarianten mit ihren jeweiligen Wortartbestimmungen in Form von Grammatikkürzeln zugeordnet (Beispiel: NOM = Nomen), sondern auch alle bislang ins Textarchiv integrierten Komposita (die Frequenz jeder Wortvariante kann separat ermittelt werden).
Suchmodule der MHDBDB
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die MHDBDB ist in zwei Suchmodule gegliedert:
Wortindex-Suche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Arbeitsmodul Wortindex ist entfernt vergleichbar dem mittelhochdeutschen Wörterbuch von Matthias Lexer. Es ermöglicht die Suche nach einzelnen Lemmata (einschließlich der dazu gehörigen Wortformen, Komposita und Bedeutungen) oder nach Wortfeldern, ohne Belegstellen. Das Wortmaterial ist einzelnen Lemmata zugeordnet und reflektiert den jeweiligen Stand der Häufigkeit des Vorkommens jeder einzelnen Wortform im gesamten Textkorpus. Es ist ferner nach semantischen Merkmalen klassifiziert.
Textsuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Modul Textsuche bietet komplexe Suchmöglichkeiten nach Belegstellen je nach Auswahl im Gesamtkorpus, in spezifischen Werken, bei einzelnen Dichtern oder Genres. Es können dieselben Suchanfragen wie im Wortindex durchgeführt werden, jedoch sind noch weitere Suchoptionen möglich. Die Belegstellen können in einem durch den Benutzer bestimmbaren Kontext von 1 bis 10 Zeilen vor und nach dem gesuchten Gegenstand ausgegeben werden.
Die komplexe Suche anhand von typischen Beispielen mit Suchoperatoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um komplexere Suchen durchzuführen, ist die Benutzung einiger weniger Suchoperatoren notwendig. Eine in die Tiefe gehende Übersicht über Suchoperatoren und Möglichkeiten zur Textanalyse findet sich im Benutzer Manual[14] der MHDBDB sowie in der Hilfe zur Textsuche[15] und der Hilfe zur Wortindex-Suche.[16]
Die sechs wichtigsten Operatoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1) $ → Die auf diesen Operator folgende Kette von Zeichen wird als reine Zeichenkette verstanden.
Beispiel: $inde
Ergebnis:
- indie, ind, inde, inder, inderre, indie
- Indus, Inde, Indus
2) @ → Die auf diesen Operator folgende Kette von Zeichen wird als Lemma verstanden.
3) * → Dieser Operator steht als „Joker“ für jedes beliebige Zeichen oder jede beliebige Zeichenkette.
Beispiel: *inde*
Ergebnis u. a.:
- anbinden, anbinden, anbindunge, anbynd, anbynden, anbyndunck, anbyndung, angebunden, angepunden
- anweinen, anweinde, anweinen
- anwinden, angewant, angewinden, angewunden, anwinden
4) , → Dieser Operator bestimmt eine sukzessive Aufreihung von Wörtern (nur für die Textsuche)
Beispiel: in,alten,maeren
Ergebnis u. a.:
Nibelungenlied (Hs. A)
Strophe 1 1 Uns ist in alten mæren wnders vil geseit 2 von helden lobebærn von grozzer chuonheit 3 von fröuden hoch geziten von weinen vnd von klagen 4 von chuoner rechen strite mvget ir nv wunder hoeren sagen
Nibelungenlied (B/C) Strophe 1 1 Uns ist in alten maeren wunders vil geseit 2 von helden lobebaeren, von grôzer arebeit, 3 von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, 4 von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen.
Nibelungenlied (C) Strophe 1 1 Uns ist in alten maeren wunders vil geseit 2 von heleden lobebaeren, von grôzer arebeit: 3 von freude und hôchgezîten, von weinen unde klagen 4 von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen.
Die Rabenschlacht 1 Welt ir in alten maeren 2 wunder hoeren sagen 3 von recken lobebaeren, 4 sô sult ir gerne dar zuo dagen.
5) + → Dieser Operator verbindet die verschiedenen Gegenstände, die innerhalb eines Kontextes gesucht werden sollen.
Beispiel: im+liebet (Nur für die Textsuche. Der Kontext wird beispielhaft auf vier Wörter festgesetzt)
Ergebnis, u. a.:
Barlaam und Josaphat 11573 sô liebet im ir minne alsô
Frauenbuch (Spechtler) 1144 im liebet, daz si jenen man 1145 hat gehabt lieb als si sol:
Frauenlob Teil III 38 daz liebet im und lait der Juden orden.
Der Renner 13014 Swer im daz liebet, der tuot wol:
Kudrun Strophe 609 2 liebet er der meide und wil si bî im tragen
Prosa-Lancelot (Teil 3) 13 sere gerne. und sie liebet im also sere das yne ir geluost me zu sehen dann zu
Willehalm (U.v.T.) 23 liebet im ir minne süeze.
Hier kann in wenigen Sekunden ein vielfacher Beweis dafür gefunden werden kann, dass das Lemma lieben im Mittelhochdeutschen noch die Funktionen ausübt, die im Neuhochdeutschen nur durch mehrere Verben erfüllt werden können: Mhd. sie liebet in = Nhd. sie liebt ihn; Mhd. sie liebet im = Nhd. sie gefällt ihm; Mhd. Swer im daz liebet = Nhd. wer ihm das schmackhaft macht
6) & → Der Operator besagt, dass die mit diesem Zeichen verbundenen Suchkriterien gleichzeitig erfüllt sein müssen (siehe Beispiel unten).
Die Suche nach semantischen Begriffsfeldern (Textsuche & Wortindex)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das komplexe Herzstück der MHDBDB ist der Thesaurus semantischer Kategorien (Begriffssystem[17]).
Jedes Lemma ist durch ein entsprechendes Bedeutungsspektrum semantisch definiert, und zwar nicht mithilfe einer entsprechenden neuhochdeutschen Übersetzung, sondern durch metasprachliche (neuhochdeutsche) Begriffe. Ein Lemma kann mehrere Bedeutungskomponenten umfassen, die wiederum aus einer oder mehreren Begriffskategorien bestehen können. Diese sind in der MHDBDB durch ihre numerischen Adressen (Zifferncodes) repräsentiert, die auch zur Suche nach ebendiesen Bedeutungen und nach Begriffsfeldern verwendet und die unter Begriffssystem nachgeschlagen werden.
Wie die Textsuche kann auch der Wortindex nach den Begriffen = Bedeutungen bzw. Bedeutungskomponenten durchsucht werden. Als Ergebnis dieser Suche erhält man das (mittelhochdeutsche) Wortfeld, das im lemmatisierten und disambiguierten Wortmaterial der Datenbank mit der oder den gesuchten Bedeutungskomponenten bzw. metasprachlichen Begriffen assoziiert ist, in Form einer Lemmaliste. Von der Lemmaliste führen Links zum entsprechenden Artikel im Wortindex.
Beispiel:
Der Begriff Verschiedene Handwerke/Berufe ist durch die numerische Adresse 233042 repräsentiert, der Begriff Weiblich durch 21011.
Wenn beide dieser begrifflichen Kriterien erfüllt werden sollen, lautet der Suchbefehl: 233042&21011
Ergebnis u. a. (Wortindex):
- arzâtinne, arcedinne, arzaetinne, arzatin, arzâtîn, arzatinne, arzâtinne
- baderinne, Baderinne, Paderin
- brôtmeisterinne, brôtmeisterinne, brotmeistrin
- gebûrinne, gebiurin, gebourinnen, gebuorn, geburin, gebûrinne, gepürin, pauwerinn, puorin, purin
- geizmelch, geizmelch
- goltsmidinne, goltsmidinne
- hârvlehtærinne, hârflehterin, hârvlehtaerinne, hârvlehtærinne
- kelnærinne, kellnerin, kelnaerinne, kelnærinne, kelnerîn
- koufmannin, coufmannin, koufmannin
Die MHDBDB im Unterricht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die MHDBDB wird von Universitäten in Deutschland und Österreich, aber auch von Schulen im Unterricht eingesetzt. Die Kurse reichen von der Einführung ins Mittelhochdeutsche und Einführungen in die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens bis zu Hauptseminaren in mhd. Sprache und Literatur. Beispiele für einen möglichen Einsatz im Unterricht sind:
- Ablautreihen: Da in den Standardwörterbüchern unter den Verb-Lemmata keine konjugierten Formen zu finden sind, fällt es den Lernenden bei der Einführung ins Mittelhochdeutsche oft schwer, die richtige Zuordnung zur entsprechenden Ablautreihe bei den konjugierten Formen starker Verben zu finden. Dieses Problem kann mithilfe der MHDBDB erörtert werden. Beispielsweise kann die Form zouc ins Suchfenster des Wortindexes eingegeben werden. So gelangt man zum Artikel des Verb-Lemmas ziehen. Wird dann etwa der Suchbefehl @*ieh*&<VRB> | @*ieg*&<VRB> (@=Lemma; *ieh* = hat im Inneren des Wortes die Silbe ieh; <VRB> = muss Verb sein; | = sowie) eingegeben, erhält man eine Liste von Verb-Lemmata mit ihren Varianten, die die meisten Verben dieser Klasse einschließt. Gibt man dieselben Suchbefehle in die Textsuche ein, so erhält man entsprechende Textbelege für alle Formen. Durch diese und ähnliche Aufgabenstellungen mit der MHDBDB können sich die Studierenden in kurzer Zeit selbst an die Anlautsklassen heranarbeiten, wobei sie stets mit Texten verbunden bleiben und ohne mühsames Auswendiglernen von Ablauttabellen auskommen.
- Namenssuche und Textidentifikation: Namen stellen ein wichtiges Verbindungsglied zwischen verschiedenen Texten dar. So sind zum Beispiel die Artusromane allein durch einen bestimmten Namenskatalog als Gruppe identifizierbar. Ausblicke auf unterschiedliche Werke eines Texttyps lassen sich allein durch die Parallelen zwischen den Namen und den damit verbundenen Motiven herstellen. Dass die Namen mit zu den wichtigsten Identifikationsfaktoren von neu gefundenen Bruchstücken aus der mhd. Literatur gehören, beweist die rasche Identifizierung des Wolfenbüttler Fragments zu Reinbots von Durne Georgsroman durch Klaus Klein.
- Reim und Metrik: Die Studierenden können sich einen Überblick über die Reimsituation in jedem beliebigen Werk der Textbasis verschaffen und diese dann mit anderen Werken vergleichen. Für kürzere Werke (z. B. das Herzmaere Konrads von Würzburg) lässt sich durch die Eingabe des Suchbefehls #e im Wortindex sogar direkt ein gesamtes Reimlexikon abrufen.
- Motivsuche: Durch die Kombination der verschiedensten semantischen Suchkriterien kann innerhalb eines einzelnen Werkes, eines Texttypus, eines Autors oder des gesamten Korpus nach Motiven gesucht werden. Diese Methode ermöglicht Studierenden und Forschenden eine annähernde Vollständigkeit, weg von der episodenhaften Aufreihung von Belegen und hin zur sorgfältigen inhaltlichen Analyse durch intensiveres Lesen. Beispiel (Textsuche): Ein Eigenname (<NAM>) zusammen vorkommend mit (+) Begriff Waffe (23231) zusammen vorkommend mit (+) Begriff Tod (21104) ergibt die Sucheingabe <NAM>+23231+21104. Ergebnis: Je nach Kontexteingabe (1 bis 2 Zeilen) ergeben sich zwischen 48 und mehr als 450 Textstellen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Zeppezauer-Wachauer, Katharina (2022): 50 Jahre Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB). Eine Jubiläums-Zeitreise zwischen Lochkarten, Pixel-Drachen, relationaler Datenbank und Graphdaten, in: Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung, Digitale Mediävistik. Perspektiven der Digital Humanities für die Altgermanistik, Themenheft 12, 2022, S. 161–186. DOI:10.25619/BmE20223203
- Dimpel, Friedrich Michael, Blessing, Andre, Hinkelmanns, Peter, Ketschik, Nora, Zeppezauer-Wachauer, Katharina (2022): Figuren und ihr Handeln. Eine computergestützte Untersuchung von Figurenaktivitäten im Kontext von Figurenreferenzen mit Hilfe des Begriffssystems der MHDBDB, in: Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung, Digitale Mediävistik. Perspektiven der Digital Humanities für die Altgermanistik, Themenheft 12, 2022, S. 283–330. DOI:10.25619/BME20223208
- Zeppezauer-Wachauer, Katharina (2021): Erotische Narrative: Mit der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB) auf den Spuren kulinarischer Sexualmimesis, in: Schaffen und Nachahmen, hrsg. v. Volker Leppin, Samuel J. Raiser, Berlin and Boston 2021 Das Mittelalter Beihefte, S. 69–94. ISBN 978-3-11-071434-0
- Katharina Zeppezauer-Wachauer: „Ûf wîʒen tuochen“ und „ûf ungewaschen secken“. Vom Suchen und Finden arrangierter Tafeln und Antitafeln in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters mit Hilfe der MHDBDB. In: Andrea Hofmeister (Hrsg.): Kochbuchforschung interdisziplinär. Beiträge der kulinarhistorischen Fachtagungen in Melk 2015 und Seckau 2016 (= Grazer mediävistische Schriften: Quellen und Studien). Nr. 1. Unipress Verlag, Graz 2017, ISBN 978-3-902666-53-6, S. 195–216.
- Daniel Schlager, Margarete Springeth, Katharina Zeppezauer-Wachauer: Neidhart in der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB). Hrsg.: Margarete Springeth, Franz V. Spechtler (= De Gruyter Reference). De Gruyter, Berlin u. a. 2017, ISBN 978-3-11-033406-7, S. 419–459.
- Klaus M. Schmidt, Margarete Springeth, Katharina Zeppezauer-Wachauer: Macho-Ethik. Rage – Ruin im Nibelungenlied. In: Sibylle Jefferis (Hrsg.): Studies and New Texts of the Nibelungenlied, Walther, Neidhart, Oswald, and Other Works in Medieval German Literature: In Memory of Ulrich Müller II (Kalamazoo Papers 2014) (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik). Nr. 780. Kümmerle, Göppingen 2015, ISBN 978-3-86758-035-9, S. 209–247.
- Vlastimil Brom: Möglichkeiten der semantischen Auswertung von spätmittelalterlichen historiographischen Texten. Stichproben zum Themenbereich ‚Herrschaft‘. In: Jana Kusová, Lenka Vodrážková, Magdalena Malechová (Hrsg.): Deutsch ohne Grenzen: Linguistik. Tribun EU, Brno 2015, ISBN 978-80-263-0939-0, S. 51–67 (Untersuchung mithilfe der MHDBDB).
- Robert Schöller: Ahi-Effekte. Überlegungen zur Interjektionalisierung vormoderner Texte. In: Georg Hofer, Robert Schöller, Gabriel Viehhauser (Hrsg.): Historische Räume. Erzählte Räume. Gestaltete Räume: Festschrift für Leopold Hellmuth zum 65. Geburtstag. Praesens Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-7069-0841-2, S. 35–54 (Untersuchung mithilfe der MHDBDB).
- Ulrich Müller: Computer-Based Medieval Research (with an Emphasis on Middle High German). In: Albrecht Classen (Hrsg.): Handbook of Medieval Studies. Terms – Methods – Trends. Nr. 1. De Gruyter, Berlin, New York 2010, S. 343–353.
- Michael R. Ott: Literaturwissenschaft per Suchmaschine. Auf der Suche nach fiktionalen Inschriften mit der „Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank“. In: Material Text Culture Blog. Nr. 5, 2013 (materiale-textkulturen.de [PDF; abgerufen am 26. Juli 2016]).
- Margarete Springeth: Der analytische Weg ist das Ziel: Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank als Online-Textarchiv. In: Wernfried Hofmeister, Andrea Hofmeister-Winter (Hrsg.): Wege zum Text. Über die Verfügbarkeit mediävistischer Editionen im 21. Jahrhundert. Grazer Kolloquium 17.–19. September 2008 (= Beihefte zu Editio). Nr. 30. Niemeyer, Tübingen 2009, ISBN 978-3-484-29530-8, S. 185–202.
- Margarete Springeth: Herzogenburger Urkunden in der mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB). In: Georg Vogeler (Hrsg.): Digitale Diplomatik. Neue Technologien in der historischen Arbeit mit Urkunden (= Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde). Beiheft 12. Böhlau, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20349-8, S. 294–317.
- Margarete Springeth: Nibelungenlied goes online. Die mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB) als Instrumentarium der Textanalyse. In: Gudrun Marci-Boehncke, Jörg Riecke (Hrsg.): Von Mythen und Mären. Mittelalterliche Kulturgeschichte im Spiegel einer Wissenschaftler-Biographie. Olms, Hildesheim 2006, ISBN 978-3-487-13179-5, S. 357–372.
- Margarete Springeth: Auf der Suche nach Begriffen und Motiven. Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB) an der Universität Salzburg. In: Martin J. Schubert (Hrsg.): Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion (= Beihefte zu Editio). Nr. 23. Niemeyer, Tübingen 2005, ISBN 978-3-484-29522-3, S. 317–323.
- Helmut W. Klug: Kräuter in der deutschsprachigen Dichtung des Hochmittelalters. Vorkommen, Anwendung und Wirkung in ausgewählten Texten (= Beihefte zu Editio. Nr. 5). Hamburg 2005, ISBN 978-3-8300-2008-0 (Untersuchung auch mithilfe der MHDBDB).
- Margarete Springeth: Die Texte Oswalds von Wolkenstein in der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank. In: Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft e.V (Hrsg.): Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. Nr. 15, 2005, ISSN 0722-4311, S. 466.
- Ruth Weichselbaumer: Mittelalter virtuell. Mediävistik im Internet. S. Hirzel, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-7776-1361-1, S. 98.
- Klaus M. Schmidt, Margarete Springeth: Von Herzeloyde zu Cundrie. Mittelalterliche Frauengestalten direkt aus dem Web. Arbeiten mit der mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB). In: Silvia Kronberger, Ulrich Müller (Hrsg.): Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie / Frauenfiguren im Musik-Theater. (= Wort und Musik. Salzburger Akademische Beiträge). Nr. 53. Mueller-Speiser, Anif/Salzburg 2003, ISBN 978-3-85145-083-5, S. 179–209.
- Katrin Woesner: Begriffsglossar und Index zu Albrechts JÜNGEREM TITUREL. Alphabetischer Index. I-IV (= Indices zur deutschen Literatur). Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2003, ISBN 978-3-484-38032-5 (Begriffsglossar und Index erstellt mithilfe der MHDBDB).
- Klaus M. Schmidt, Horst P. Pütz: Die mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Nr. 130, 2001, S. 493–495.
- Klaus M. Schmidt: Eine Datenbank für das Begriffswörterbuch mhd. Epik und Fortschritte bei der automatischen Disambiguierung. In: Paul Sappler, Kurt Gärtner, Michael Trauth. In: Maschinelle Verarbeitung altdeutscher Texte IV. Niemeyer, Tübingen 1991, S. 192–204.
- Klaus M. Schmidt: Der Beitrag der begriffsorientierten Lexikographie zur systematischen Erfassung von Sprachwandel und das Begriffswörterbuch zur mittelhochdeutschen Epik. In: Wolfgang Bachofer (Hrsg.): Mittelhochdeutsches Wörterbuch in der Diskussion. (= Reihe Germanistische Linguistik). Nr. 84. Niemeyer, Tübingen 1988, S. 35–49.
- Klaus M. Schmidt: An Algorithmic Approach to a Parser For Automatic Disambiguation of Homographs in Middle High German on the Basis of the Conceptual Dictionary Project. In: Computers in Literary and Linguistic Computing. Proceedings of the 11th International Conference, Université Catholique de Louvain, Louvain-La-Neuve, 2-6 April, 1984. Slatkine, Genève 1985, S. 345–353.
- Klaus M. Schmidt: Errungenschaften, Zukunftsmusik und Holzwege auf dem Gebiet der inhaltlichen Textanalyse mit Hilfe des Elektronenrechners. In: Paul Sappler, Erich Strassner (Hrsg.): Maschinelle Verarbeitung altdeutscher Texte III. Niemeyer, Tübingen 1980, S. 101–111.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB). Abgerufen am 22. Oktober 2015.
- Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB) auf der universitätsinternen Webseite der Universität Salzburg. Abgerufen am 28. Oktober 2015.
- Facebook-Auftritt der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (MHDBDB) inkl. Informationen zu Tagungen, Publikationen etc.. Abgerufen am 22. Oktober 2015.
- Online-Beitrag zur MHDBDB in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur (ZfdA)Abgerufen am 12. April 2016.
- Eintrag im Datenbank-Infosystem (DBIS). Abgerufen am 12. April 2016.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ulrich Müller: Computer-Based Medieval Research (with an Emphasis on Middle High German). In: Handbook of Medieval Studies. Terms – Methods – Trends. Nr. 1, 2010, S. 347; 352 f.
- ↑ Eintrag im Online-Portal Mediaevum.de. Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Eintrag im Online-Portal Mediaevum.de. Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Hinweis des Mediävistenverbands e.V. Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Verweis der Universität Berlin. Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Verweis der Universität Freiburg. Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Katharina Zeppezauer-Wachauer: 50 Jahre Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank (MHDBDB). Eine Jubiläums-Zeitreise zwischen Lochkarten, Pixel-Drachen, relationaler Datenbank und Graphdaten. In: Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung. 28. November 2022, S. 161–186 Seiten, doi:10.25619/BME20223203 (uni-oldenburg.de [abgerufen am 8. Mai 2023]).
- ↑ Mittelalter-Philologie im Internet. Die Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank. Beitrag in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur (ZfdA). Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund (Wörterbuchnetz). Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at:8000/LastStatistics.de.html – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/mhdbdb/App?action=TextList – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/mhdbdb/App?action=DicSelect – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/mhdbdb/App?action=TextQueryModule – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/help/general.de.html – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/help/analyze-whatisit.de.html – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/help/dictionary-whatisit.de.html – Abgerufen am 12. April 2016.
- ↑ http://mhdbdb.sbg.ac.at/mhdbdb/App?action=BrowseCategory – Abgerufen am 12. April 2016.