Markthalle XII
Markthalle XII | |
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Blick auf die Markthallenseite an der Grüntaler Straße | |
Daten | |
Ort | Berlin-Gesundbrunnen, Badstraße/Grüntaler Straße |
Architekt | Hermann Blankenstein, August Lindemann im Auftrag der städtischen Markthallengesellschaft |
Baujahr | 1892 // Schließung 1. April 1898 |
Grundfläche | 4198 m² |
Besonderheiten | |
Nur 6 Jahre als Markthalle, dann neue Nutzungen |
Die Berliner Markthalle XII war eine nach dem Magistratsbauprogramm Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Markthalle für Lebensmittel und Blumen an der Grüntaler Straße / Badstraße im Ortsteil Gesundbrunnen. Alle 14 Städtischen Markthallen gehen auf Entwürfe von Hermann Blankenstein und August Lindemann zurück. Ab 1899 erfolgten ständige Umnutzungen der Halle XII, zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die restlichen Markthallen-Gebäudeteile zerstört und danach abgeräumt. Später wurde die Fläche zum Teil neu bebaut.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem enormen Bevölkerungszuwachs im damaligen Berlin und den Randortschaften zum Ende des 19. Jahrhunderts war es nötig, die allerorten betriebenen offenen Märkte durch wetterunabhängige und hygienischere Verkaufsmöglichkeiten zu ersetzen. Die Baudeputation des Berliner Magistrats hatte dazu ein Konzept erstellt, das vorsah, 14 geschlossene Markthallen gleichmäßig auf dem Stadtgebiet samt angrenzenden Gemeinden zu verteilen. Aus einem architektonischen Grundmodell entwickelten die Architekten Anpassungen an die auf den Bauflächen vorhandenen örtlichen Gegebenheiten.
Für die Markthalle mit der Projektnummer XII hatte die Stadtverwaltung eine Parzelle an der Grüntaler Straße Ecke Badstraße im Wohngebiet Gesundbrunnen für einen Preis von 391.100 Mark erworben.[1]
Bis in den Hofbereich dieser Baufläche entstand zwischen 1886 und 1892 eine aus roten Backsteinen bestehende geschlossene Markthalle mit einer Gesamtverkaufsfläche von rund 4200 m². Die Baukosten betrugen 7,555 Millionen Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 59,9 Millionen Euro).[1] Die Halle bot Platz für 273 kleine Marktstände, die die Markthallengesellschaft an Einzelhändler oder Privatpersonen vermietete. Die Gewerbeaufsicht über die Markthalle nahm ein Inspektor namens Schoenbeck wahr, zugleich wohnten auch einige Nutzer in den oberen Räumen der Markthalle wie der Gastwirt W. Döbel, ein Magnetiseur, ein Stuckateur, ein Polizeiwachtmeister, ein Werkführer, ein Zigarrenhändler, ein Seilermeister, ein Kaufmann, ein Porzellanwarenhändler, ein Kutscher.[2] Die genaue Adresse dieser Verkaufseinrichtung lautete Badstraße 10 und Grüntaler Straße 3, 4. Im Erdgeschossplan der Markthalle hatte der Architekt eine Luke für den Einwurf von Eisbarren für Kühlzwecke vorgesehen.
Im Jahr 1897 finden sich für die genannte Markthalle folgende Details im Berliner Adressbuch: Verwaltung Inspektor Schoenbeck (der gleichzeitig auch für die Hallen XIII und XIV zuständig war und bei der Markthalle XIV wohnte), Adresse Auf dem Gesundbrunnen / Grüntaler Straße 3, 4 und Badstraße 10, 10a.[3][4]
Bis zum Jahr 1898 ging die Zahl der Kleinhändler in der Markthalle auf unter 50 zurück, sodass der Weiterbetrieb unwirtschaftlich wurde. Am 1. April 1898 wurde die Markthalle zunächst inoffiziell geschlossen.[5]
Parallel zum Rückgang der Zahl der Marktstände vermietete die Stadt einige Räumlichkeiten an Privatpersonen. Unter anderem findet sich im Jahr 1899 diese Anzeige: „Markthalle XII, Badstraße 10a, vorn 1 Treppe, 4 Stuben nebst Zubehör, ab 1. April 1899“.[6] Als wegen steigender Mietkosten und/oder zunehmender Arbeitslosigkeit Mitte der 1890er Jahre viele Familien aus ihren Wohnungen gekündigt wurden, und Baracken als Notunterkünfte nun für Obdachlose genutzt wurden, mietete der Magistrat für 4000 Mark im Jahr große Teile der Markthalle für die Unterstellung von Mobilien aus den zwangsgeräumten Wohnungen.[7]
Die Berliner Verwaltung ließ die Halle ab Januar 1899 als öffentlichen Handelsplatz komplett und verbindlich schließen.[8] Der Führer durch Berlin enthält diese Halle unter der Rubrik Markthallen im Jahr 1902 nicht mehr.[9] Eine Zusammenstellung der im Jahr 1917 vorhandenen Städtischen Markthallen informiert: „Die Markthallen XII und XIII sind für den Markthallenverkehr geschlossen.“[10]
Im Jahr 1920 waren Teile des Markthallengebäudes noch immer vorhanden und gehörten auch noch der Stadt Berlin, sie dienten jedoch anderen Zwecken. Für den Bereich Badstraße war ein Direktor (W. Trost) eingesetzt worden; in den Räumen gab es nun das Armenamt Gesundbrunnen, die Steuerkasse XIIIB, die Kinderlesehalle IV, die Rettungsstelle 10, die Säuglingsfürsorgestelle der Schmidt-Gallisch-Stiftung sowie Wohnungen für mehrere Privatleute.[11]
Das Adressbuch des Jahres 1930 enthält weiterhin die Immobilie Badstraße im Eigentum der Stadt Berlin. Als Nutzer sind eingetragen: weiterhin die Berufsschule(n), das Bezirkssteueramt, die Säuglingsfürsorgestelle, die Kinderlesehalle, die Rettungsstelle und eine Kochküche (neu). Die Betreuer wie eine Oberschwester und Fürsorgerinnen sowie der Schulleiter wohnten auch in den vorhandenen Räumlichkeiten.[12]
In der Zeit des Nationalsozialismus finden sich folgende Mieter in dem Gebäudeteil entlang der Badstraße 10/10a: wie zuvor der Berufsschuldirektor, die Säuglingsfürsorgestelle, die Kochküche, die Steuerkasse, die Rettungsstelle, die Kinderlesehalle und ein Hausmeister. Nun kamen die Volksbibliothek Wedding, eine Beratungsstelle für Rassenhygiene sowie das NSDAP-Amt für Volkswohlfahrt hinzu.[13] Bis 1940 haben sich folgende Änderungen ergeben: Im Gebäudeteil Badstraße 10/10a eine Familienfürsorgestelle und das Gesundheitsamt Wedding statt der Volkswohlfahrt und der Beratungsstelle für Rassenhygiene.[14] Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1943, nennt das Adressbuch die Nutzer der ehemaligen Markthalle XII mit: Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege, Jugendpflege-Sportamt, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, Mütterberatungsstelle neben Gesundheitsamt und Abrechnungsstelle des Wirtschaftsamts Wedding (Badstraße).[15]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Markthallen-Grundgebäude hatte eine basilikale Form mit Mittelschiff und zwei Seitenschiffen und eine tragende Eisenkonstruktion. Gusseiserne Stützen, die oben miteinander verbunden waren, trugen die Dachkonstruktion.[16] Auf jeder der vier Seiten befand sich ein Ein-/Ausgang als zweigeschossiger Rundbogen, der den Lieferfuhrwerken diente. Über den Seitenschiffen waren Emporen vorhanden mit abgeteilten Räumlichkeiten. Als Erkennungszeichen der städtischen Bauten waren die Mauern aus roten Backsteinen errichtet und sparsam mit Bändern aus hellgelben Formsteinen geschmückt. Die Markthalle verfügte über einen Eiskeller, in dem mittels Natureisblöcken Lebensmittelvorräte frisch gehalten werden konnten.[17] Die Halle hatte unterschiedlich breite Durchfahrten, an die sich die mit Sheddächern überdachten Marktstände anschlossen.[1]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- August Lindemann: Die Markthallen Berlins. Ihre baulichen Anlagen und Betriebseinrichtungen im Auftrage des Magistrats. Springer, Berlin 1899. Digitalisat (Detailabhandlungen zu den einzelnen Hallen).
- Erich Rindt: Die Markthallen als Faktor des Berliner Wirtschaftslebens. Dissertation, Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Berlin 1928.
- Hauptmarktverwaltung der Stadt Berlin (Hrsg.): 50 Jahre Berliner Markthalle, Berlin 1936.
- Eckart Bollmann und Konrad Kuhnt (Hrsg.): Berliner Markthallen, Herford 1983.
- Thorsten Knoll: Berliner Markthallen. Berlinische Reminiszenzen No. 69. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1994, ISBN 3-7759-0392-5.
- Sigrid Schulze: Berlin-Wedding auf historischen Ansichtskarten – Ein historischer Stadtrundgang. Drei Kastanien Verlag, 2001, ISBN 3-933028-41-8.
- Ralf Schmiedecke: Berlin-Wedding in alten Bildern. Rund 160 teils unveröffentlichte Bilder zeigen den Alltag der Menschen im Berliner Stadtteil Wedding. Eine Zeitreise in alten Bildern (Sutton Archivbilder). Abgerufen am 28. Oktober 2021.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise und Kommentare
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Der Hochbau, Teil XII: Markthallen. In: Berlin und seine Bauten, 1896, 2/3.
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Neues Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1896, Teil 3, S. 28.
- ↑ Städtische Markthallen, Deputation. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1897, Teil 2, S. 67.
- ↑ Siegelmarke der Städtischen Markthalleninspektion XII auf einer privaten Homepage; abgerufen am 28. Oktober 2021.
- ↑ 1. April. (1898) In: Tagesfakten des Luisenstädtischen Bildungsvereins.
- ↑ Gemeindeblatt der Stadt Berlin, 1899.
- ↑ Das städtische Obdach. In: Bericht über die Gemeinde-Verwaltung der Stadt Berlin, 1895/1900, 3.
- ↑ Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850–1914. C. H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44874-7, S. 180/181 (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Band 3); Buchauszug Google
- ↑ Führer durch Berlin mit Hinweis auf den Pharus-Plan, Nachdruck des Pharus-Plans mit Straßenverzeichnis: Berlin mit Vororten (Große Ausgabe) von 1902. ISBN 978-3-86514-155-2.
- ↑ Städtische Markthallen. In: Berliner Adreßbuch, 1917, Teil 2, Berliner Verwaltung, S. 132 (zweite Spalte).
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Berliner Adreßbuch, 1920, Teil 3, S. 37.
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Berliner Adreßbuch, 1930, Teil 4, S. 48 (Stadt Berlin).
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Berliner Adreßbuch, 1935, Teil 4, S. 42.
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Berliner Adreßbuch, 1940, Teil 4, S. 42.
- ↑ Badstraße 10, 10a. In: Berliner Adreßbuch, 1943, Teil 4, S. 42.
- ↑ Architektonische Zeichnungen von Hallendetails. (PDF; 101 MB) In: A. Lindemann: Markthallen Berlins 1896.
- ↑ Eiskeller, Eiswerke und Eisfabriken in Berlin und Brandenburg. (PDF; 1,9 MB) S. 11: Hinweis auf die Luken für den Eiseinwurf; vhkk.org; abgerufen am 28. Oktober 2021.
Koordinaten: 52° 33′ 2,2″ N, 13° 22′ 50,2″ O