Jantarny

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Massaker von Palmnicken)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Siedlung städtischen Typs
Jantarny
Palmnicken

Янтарный
Wappen
Wappen
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Stadtkreis Jantarny
Oberhaupt Wladimir Fjodorowitsch Serdjukow
Gegründet 1389
Frühere Namen Palmnicken (bis 1946)
Siedlung städtischen Typs seit 1947
Fläche 26 km²
Bevölkerung 6645 Einwohner
(Stand: 1. Okt. 2021)[1]
Bevölkerungsdichte 256 Einwohner/km²
Höhe des Zentrums 30 m
Zeitzone UTC+2
Telefonvorwahl (+7) 40153
Postleitzahl 238580–238581
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 465 000
Geographische Lage
Koordinaten 54° 52′ N, 19° 56′ OKoordinaten: 54° 52′ 0″ N, 19° 56′ 0″ O
Jantarny (Europäisches Russland)
Jantarny (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Jantarny (Oblast Kaliningrad)
Jantarny (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad

Jantarny (russisch Янтарный, anhören/?, Transkription auch als Yantarni) prußisch Palweniken (1398) und Palmenicken (1491), deutsch Palmnicken (polnisch Palmniki, litauisch Palmininkai und Palvininkai), ist eine Siedlung städtischen Typs in der russischen Exklave Oblast Kaliningrad. Sie hat 6645 Einwohner (Stand 1. Oktober 2021).[1] Die Siedlung ist Verwaltungssitz des Stadtkreises Jantarny. Als Teil Ostpreußens gehörte der Ort bis 1945 zu Deutschland.

Geographische Lage

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ort liegt im Nordwesten der historischen Region Ostpreußen an der Bernsteinküste der Ostsee, etwa 40 Kilometer nordwestlich von Königsberg (Kaliningrad). Nachbarorte sind Donskoje (Groß Dirschkeim) im Norden und Primorsk (Fischhausen) im Süden.

Östlich von Jantarny befindet sich der 90 Meter hohe Große Hausenberg, der gute Aussicht bietet.[2]

Geschichte bis 1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelalter und Frühe Neuzeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Palmnicken an der ostpreußischen Bernsteinküste der Ostsee, nördlich von Fischhausen und nordwestlich von Königsberg, auf einer Landkarte von 1910.
Dorfstraße (Aufnahme 2009)
Dorfkirche (Aufnahme 2012)
Palmnickener Bergwerkskapelle 1904

Der Ort Palmnicken, über Jahrhunderte ein abseits gelegener Gutshof, liegt im Samland, einem früheren prussischen Gau, der 1234 an den Deutschen Orden kam. 1389 hieß das Dorf Palwenicken (prußisch palwe: Urland, Heideland, mit moosigem Gras und oft noch mit niedrigem Gestrüpp, meist Kaddig bestanden, nur als dürftige Viehweide benutzbar/ -nicken: Ort). Ab 1525 gehörte Palmnicken zum Herzogtum Preußen.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Palmnicken für sechs Jahre von Schweden besetzt. Ab 1722 gehörte Palmnicken zum Hauptamt Fischhausen, das seinerseits ab 1752 zum Kreis Schaaken im Ostpreußischen Kammerdepartement gehörte.[3] Russische Truppen besetzen den Ort im Siebenjährigen Krieg von 1758 bis 1762. Im Jahr 1785 wird die Größe des königlichen Bauerndorfs mit zwölf Feuerstellen (Haushaltungen) angegeben.[4]

Im Zuge der preußischen Verwaltungsneuordnung kam Palmnicken 1818 in den Kreis Fischhausen. Ab 1827 begann der industrielle Bernsteinabbau. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Palmnicken zu einem Badeort. Am 30. September 1928 wurden die Landgemeinden Bardau und Kraxtepellen (unmittelbar nördlich anschließend) nach Palmnicken eingemeindet. 1939 hatte der Ort 3079 Einwohner. Anfang April 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee erobert.

Amtsbezirk Palmnicken 1874–1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Palmnicken war in den Jahren von 1874 bis 1945 Sitz und namensgebender Ort eines Amtsbezirkes im Landkreis Fischhausen (1939 bis 1945 Landkreis Samland) im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen. Zu diesem Amtsbezirk gehörten anfangs jeweils drei Landgemeinden (LG) bzw. Gutsbezirke, später kamen noch weitere drei Landgemeinden hinzu:[5]

Deutscher Name Russischer Name Bemerkungen
Dorbnicken (GB) Krasnopolje später in den Gutsbezirk Palmnicken eingegliedert
Kraxtepellen (LG) 1928 in die Landgemeinde Palmnicken eingegliedert
Lesnicken (LG) Rakuschino 1901 in den Gutsbezirk Nodems, Amtsbezirk Gauten, eingegliedert
Palmnicken (GB) Jantarny 1928 in eine Landgemeinde umgewandelt
Sorgenau (LG) Pokrowskoje
Warschken (GB) Werschkowo später in den Gutsbezirk Palmnicken eingegliedert
später: Bardau (LG) Gordowo 1928 in die Landgemeinde Palmnicken eingegliedert
ab 1910: Groß Hubnicken (LG) Sinjawino
ab 1910: Klein Hubnicken (LG) Klenowoje

Aufgrund der Umstrukturierungen bildeten am 1. Januar 1945 lediglich noch vier Gemeinden den Amtsbezirk Palmnicken: Groß Hubnicken, Klein Hubnicken, Palmnicken und Sorgenau.

Massaker von Palmnicken 1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gedenkstein für die Opfer des Massakers von Palmnicken, seit 2011 durch ein repräsentatives, zwei ausgestreckte Hände zeigendes Mahnmal des Bildhauers Frank Meisler ersetzt.[6]
2011 von Frank Meisler geschaffenes Mahnmal

Angesichts des Anrückens der sowjetischen Truppen wurden im Januar 1945 als letzte die ostpreußischen Außenlager des KZ Stutthof aufgelöst und die Insassen über Königsberg nach Palmnicken getrieben. Den Todesmarsch überlebten von ursprünglich über 7000 jüdischen Häftlingen, überwiegend Frauen aus Polen und Ungarn, nur etwa 5000, die am 27. Januar in Palmnicken eintrafen. Am nächsten Morgen lagen in den Straßen Dutzende erschossene und erschlagene Frauen in Häftlingskleidung, vielfach furchtbar entstellt. Nicht alle der entsetzten Palmnicker schwiegen. Der ursprüngliche Plan der SS-Wachmannschaften, die Häftlinge in einem Stollen des Bernsteinbergwerkes Anna einzumauern, scheiterte am Widerstand des Werksdirektors Landmann sowie des Güterdirektors und Volkssturmkommandanten Feyerabend, der an die in der Werksschlosserei eingepferchten Frauen Kartoffeln und Essen verteilen ließ. Auch andere Einwohner versuchten, den Häftlingen zu helfen. Weil der Plan der Vernichtung durch Einmauern misslang, mussten sich etwa 2000 Häftlinge am 30. Januar an einer langen Grube im Bernsteinwerk paarweise nacheinander niederknien. Nach Martin Bergau tötete sie ein SS-Mann per Genickschuss, ein zweiter lud die Magazine der Pistolen nach.[7] Die etwa 3000 Juden, die danach noch am Leben waren, trieb die SS in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar[8] an die Steilküste zwischen Palmnicken und Sorgenau,[7] weiter auf das Eis der Ostsee und schoss mit Maschinenpistolen auf sie. Zehn Wochen später nahmen sowjetische Truppen den Ort ein und entdeckten die Leichen am Strand. Der Kommandeur, selbst russischer Jude, zwang die in Palmnicken verbliebene Zivilbevölkerung, die Toten aus dem Strand zu graben und in Massengräbern zu bestatten. Höchstens 200[9] der 7000 Gefangenen überlebten dieses letzte Massaker an Juden im Zweiten Weltkrieg. An einem Massengrab für 263 Opfer an der Grube Anna wurde 1999 ein Gedenkstein errichtet.[10] 2011 wurde das Holocaust-Mahnmal Palmnicken eingeweiht.[11]

Geschichte ab 1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ehemals ostpreußische Bevölkerung floh oder wurde nach Kriegsende vertrieben. Nachdem Palmnicken von der sowjetischen Besatzungsmacht im Sommer 1945 zusammen mit der ganzen nördlichen Hälfte Ostpreußens unter sowjetische Verwaltung gestellt worden war, begann die Zuwanderung russischer, aber auch weißrussischer, ukrainischer und tatarischer Migranten. Die letzten Deutschen wurden 1948 ausgewiesen.

Im Juni 1947 wurde für Palmnicken die Ortsbezeichnung Jantarny eingeführt, angelehnt an das russische Wort für Bernstein, jantar.[12] Gleichzeitig bekam der Ort den Status einer Siedlung städtischen Typs (Arbeitersiedlung) und wurde zudem Sitz eines Dorfsowjets im Rajon Primorsk.[13] Von Juli 1947 bis April 1953 bestand im Ort ein Internierungslager für bis zu 2700 Personen, die bei der Bernsteinaufbereitung eingesetzt wurden.[14]

Bekker-Park in Jantarny / Palmnicken (August 2010)

Nachdem im Jahr 1959 der Dorfsowjet aufgelöst worden war, wurde Jantarny 1965 dem Swetlogorsker Stadtsowjet unterstellt und gehörte zur sogenannten Swetlogorsker Kurort-Industrie-Zone,[15] dem Vorläufer des 1994 eingerichteten Stadtkreises Swetlogorsk. Im Jahr 2004 wurde Jantarny selbst Sitz eines (munizipalen) Stadtkreises, der im Jahr 2010 auch administrativ-territorial etabliert wurde.

Jantarski selski Sowet 1947–1959

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Dorfsowjet Jantarski selski Sowet (ru. Янтарский сельский Совет) wurde im Juni 1947 im Rajon Primorsk eingerichtet.[12][13] Im Jahr 1959 wurde der Dorfsowjet aufgelöst und bestand teilweise noch bis 1960 als Krasnotorowski selski Sowet, bevor er dann zu einem Großteil im Powarowski selski Sowet aufging.[16]

Folgende Orte wurden von Jantarny aus verwaltet:

Ortsname Name bis 1947/50 Jahr der Umbenennung
Alexino (Алексино) zu Germau 1950
Bakalino (Бакалино) Kreislacken 1947
Barkassowo (Баркасово) Neu Katzkeim 1947
Blisnezowo (Близнецово) Powayen 1947
Donskoje (Донское) Groß Dirschkeim 1947
Filino (Филино) Klein Kuhren 1947
Gordowo (Гордово) Bardau 1947
Isobilnoje (Изобильное) Klein Powayen 1950
Jagodnoje (Ягодное) Bersnicken 1950
Jantarowka (Янтаровка) Wangnicken 1947
Jenissejewo (Енисеево) Willkau 1947
Klenowoje (Кленовое) Klein Hubnicken 1947
Krasnolessje (Краснолесье) Dorbnicken[17] 1947
Krasnotorowka (Красноторовка) Heiligenkreutz 1947
Maiski (Майский) Mandtkeim 1950
Majak (Маяк) Brüsterört 1950
Marjinskoje (Марьинское) Marscheiten 1947
Molodogwardeiskoje (Молодогвардейское) Finken 1950
Nowinki (Новинки) Rosenort (?) 1947
Ochotnoje (Охотное) Bieskobnicken 1947
Orechowo (Орехово) Schalben 1947
Ossokino (Осокино) Panjes 1950
Pokrowskoje (Проковское) Sorgenau 1947
Powarowka (Поваровка) Kirpehnen 1947
Primorje (Приморье) Groß Kuhren 1947
Prislowo (Прислово) Nöttnicken 1947
Rakuschino (Ракушино) Lesnicken 1947
Russkoje (Русское) Germau 1947
Sarajewo (Сараево) Ihlnicken 1947
Schtschorsowo (Щорсово) Lengniethen 1950
Sinjawino (Синявино) Groß Hubnicken 1947
Storoschewoje (Сторожевое) Katzkeim 1950
Tolbuchino (Толбухино) Alt Katzkeim 1950
Werschkowo (Вершково) Warschken 1947

Bevölkerungsentwicklung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1816 0153 [18]
1831 0123 [19]
1858 0258 davon 97 im Dorf und 161 auf dem Gut, sämtlich Evangelische[20]
1864 0228 am 3. Dezember[21]
1905 1001 [2]
1910 1289 [22]
1933 2361 [23]
1939 3080 [23]
seit 1945
Jahr Einwohner
1959 4.307
1970 4.973
1979 4.714
1989 4.948
2002 5.455
2010 5.524
2021 6.645

Anmerkung: Volkszählungsdaten

Die früher evangelische, heute russisch-orthodoxe Kirche in Jantarny

Siehe dazu den Hauptartikel (mit Kirchspiel- und Pfarrerliste): Kirche Jantarny

Kirchengebäude

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche, die sich am südlichen Ortsausgang auf der östlichen Straßenseite befindet, wurde am 3. Januar 1892 nach fünfjähriger Bauzeit als evangelisches Gotteshaus eingeweiht. Es handelt sich um einen massiven Feldstein- und Ziegelbau mit spitzem Turm. Die Innenausstattung war in romanischem Stil gehalten.

Zwischen 1945 und 1990 fand das Bauwerk keine Nutzung. Im Jahre 1990 wurde es der Russisch-orthodoxen Kirche übereignet, die eine umfängliche Restauration vornahm und es jetzt als Gotteshaus benutzt.

Kirchengemeinde

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kirche Jantarny / Palmnicken (Juni 2011)

Bis 1945 bestand in Palmnicken eine evangelische Kirchengemeinde, die erst 1906 selbständig geworden war und vorher zur Pfarrkirche in Germau (heute russisch: Russkoje) und davor zu Lochstädt (Pawlowo) gehörte. Die Kirchengemeinde war in den Kirchenkreis Fischhausen (Primorsk) in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union eingegliedert. Zwischen 1938 und 1947 war der spätere Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, Johannes Jänicke, Pfarrer in Palmnicken.

Nach 1945 fand aufgrund Flucht und Vertreibung der Bevölkerung kein evangelisches Kirchenleben mehr in Jantarny statt, heute liegt der Ort im Einzugsbereich der neu entstandenen evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg) in der Propstei Kaliningrad[24] der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland.

Kirche Jantarny / Palmnicken (Juni 2011)

Russisch-Orthodox

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Jantarny besteht seit 1990 eine russisch-orthodoxe Gemeinde. Sie ist in die Diözese Kaliningrad und Baltijsk (bis 2009: Diözese Smolensk und Kaliningrad) der Russisch-orthodoxen Kirche eingegliedert.

Wirtschaft und Infrastruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bernsteinförderung 1948 bis 2007
Palmnicken mit dem Bernsteintagebau im Hintergrund. Luftaufnahme von 1930.
Bernsteinabbau bei Jantarny
Gebäudereste der früheren Grube Anna

An der samländischen Küste wurde schon zu Zeiten des Deutschen Ordens Bernstein gesammelt. Der Orden hatte das Bernsteinmonopol, das später an den preußischen Staat überging. Im 17. Jahrhundert wurde der an der Bernsteinküste gesammelte Bernstein nach Palmnicken gebracht, wo er sortiert und zur Weiterverarbeitung nach Königsberg versandt wurde. Ab 1811 wurde die Bernsteinförderung verpachtet, 1870 richtete die 1858 gegründete Firma Stantien & Becker den weltweit einzigen Bernsteintagebau ein,[25] förderte dann aber ab 1883 ganz überwiegend Bernstein im Tiefbau in den Gruben „Anna“ und „Henriette“. Die Jahresförderung lag durchschnittlich bei mehreren hundert Tonnen. Die Grube „Henriette“ wurde 1896 aufgegeben; 1899 endete die Pacht. Das Werk gehörte in der Folgezeit zur Preußischen Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft, die den Tiefbau fortsetzte und parallel hierzu im Jahre 1913 am gleichen Ort den Tagebau einführte,[26] der schließlich den in der Grube „Anna“ bis 1923 parallel stattfindenden Tiefbau vollständig verdrängte. Von anfangs jährlich 50 Tonnen wurde die Produktion bis 1937 auf 650 Tonnen Rohbernstein gesteigert, der von etwa 700 Beschäftigten gefördert wurde.

Die Sowjetunion führte das Werk unter dem Namen Bernsteinkombinat Nr. 9, ab 1993 als Russkij Jantar (russischer Bernstein) weiter und förderte in der Zeit von 1947 bis 2007 jährlich zwischen 127 Tonnen (1948) und 820 Tonnen (1989) Bernstein (durchschnittlich mehr als 500 Tonnen, sh. Grafik).[27] Bis 1970 blieb der 1913 gegründete Tagebau etwas nördlich von Jantarny in Betrieb. Seit 1976 wird Bernstein unweit der alten, nunmehr gefluteten Grube im nahe der Ostseeküste gelegenen Tagebau „Primorskoje“ gefördert. Anfang 2014 wurde damit begonnen, die Lagerstätte Sinjawino direkt am Strand für einen Abbau zu erschließen, der nur ein Jahr dauern und eine Fördermenge von knapp 100 Tonnen erbringen soll.[28] Abgebaut wird sogenannte Blaue Erde, aus der unter Wasserdruck der Bernstein herausgespült wird; im Jahre 2010 waren es rund 340 Tonnen.[29] Der Bernsteingehalt liegt im mittleren Abschnitt dieser Formation durchschnittlich bei über 2 kg/m³ und kann stellenweise auch ein Mehrfaches davon betragen.[30] Mindestens 80 % aller Bernsteinvorräte der Welt lagern in der Oblast Kaliningrad.[31]

Die Lage Jantarnys im Kaliningrader Gebiet
Das ehemalige Bahnhofsgebäude in Jantarny

Eine Nebenstrecke der Ostpreußischen Südbahn verband Palmnicken mit Groß Dirschkeim (heute russisch: Donskoje) und (ab 1945) Rauschen (Swetlogorsk) sowie mit der Kreisstadt Fischhausen (Primorsk) und dem Seehafen Pillau. Heute wird diese Bahnstrecke Fischhausen–Groß Dirschkeim nicht mehr im regulären Bahnverkehr genutzt.

Jantarny ist verkehrsgünstig über die russische Fernstraße A 192 in den Abzweigen Krasnotorowka (Heiligenkreutz) von Norden bzw. Russkoje (Germau) im Süden erreichbar. Mit Fertigstellung des Primorskoje Kolzo (Küstenautobahnring) erhält die Stadt einen direkten Zubringer.

Der Flughafen Kaliningrad in Chrabrowo (Powunden) liegt mehr als 70 Kilometer weit entfernt und ist über Fern- und Nebenstraßen zu erreichen. Die Fahrzeit wird sich nach Fertigstellung des Primorskoje Kolzo erheblich verkürzen, haben dann doch sowohl Jantarny wie der Airport einen direkten Zubringer an den Autobahnring.

Sehenswürdigkeiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Die 1892 erbaute evangelische Pfarrkirche wird heute von der russisch-orthodoxen Kirche genutzt.
  • Wasserturm
  • Im benachbarten Russkoje (Germau) befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof.
  • Heimatmuseum

Persönlichkeiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Theodor Laechelin (* 1816, † nach 1849), Gutsbesitzer, MdHdA
  • Der Pfarrer Johannes Jänicke (1900–1979) und seine Frau Eva Jänicke (1901–1965) wirkten von 1935 bis 1947 in der Palmnickener Kirchengemeinde. Johannes Jänicke gehörte der Bekennenden Kirche an und wurde später Bischof in der Kirchenprovinz Sachsen. Eva Jänicke hat die Ereignisse der Jahre 1945 bis 1947 in einem Tagebuch dokumentiert.[32]
  • Der ehemalige Wasserturm am Bahnhof Jantarny/Palmnicken im Juni 2011
    Julia Bourgett (Regie): Bernsteinland. Ein Todesmarsch in Ostpreußen. Der Dokumentarfilm erzählt das Schicksal der Opfer des Todesmarsches an die ostpreußische Bernsteinküste im Januar 1945. Der Dokumentarfilm über den Gedenktag 31. Januar, Jantarnyj, den Schacht Anna, die Schlosserei der Bernsteinfabrik, Interview mit der Überlebenden Maria Blitz, die heutigen Bewohner und ihre Heimat.[33]
  • Martin Bergau: Todesmarsch zur Bernsteinküste. Das Massaker an Juden im ostpreußischen Palmnicken im Januar 1945. Zeitzeugen erinnern sich. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006, ISBN 3-8253-5201-3.
  • Martin Bergau: Der Junge von der Bernsteinküste. Ein NS-Verbrechen in Ostpreußen. In: Elke Fröhlich (Hrsg.): Als die Erde brannte. Deutsche Schicksale in den letzten Kriegstagen. Knaur, München 2005, ISBN 3-426-77825-4. (zuerst mit dem Untertitel Erlebte Zeitgeschichte 1938–1948. Mit einem Vorwort von Michael Wieck und mit Dokumenten über die jüdischen Todesmärsche 1945. Heidelberger Verlagsanstalt, 1994, ISBN 3-89426-068-8).
  • Martin Bergau: Im Dunstkreis des Untergangs. Deutsche Literaturgesellschaft, Berlin 2013, ISBN 978-3-86215-291-9.
  • Daniel Blatman: Die Todesmärsche 1944/45. Das letzte Kapitel des nationalsozialistischen Massenmords. Rowohlt, 2011, ISBN 978-3-498-02127-6.
  • Maria Blitz: Endzeit in Ostpreußen. Ein beschwiegenes Kapitel des Holocaust. Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 2010, ISBN 978-3-942240-01-7.
  • Andreas Kossert: „Endlösung“ on the Amber shore. The massacre in January 1945 on the Baltic seashore. A repressed chapter of East Prussian history. In: Leo Baeck Institut (Hrsg.): Leo Baeck Yearbook 49. 2004. (englisch)
  • Gunter Nitsch: Weeds like us. AuthorHouse, Bloomington 2006, ISBN 1-4259-6755-8.
  • Eva Pultke-Sradnick: Ein Stück Bernstein in meiner Hand. Geschichten aus Ostpreußen. Frieling & Partner, Berlin 2000, ISBN 3-8280-1062-8.
  • Klaus Schulz-Sandhof: Bausteine zu einer Regionalgeschichte des Samlandes. Teil 2: Radau in Rudau. Geschichte eines ostpreußischen Dorfes. Drethem/Elbe 2007, S. 152–170: Das Desaster von Palmnicken.
  • Arno Surminski: Winter Fünfundvierzig oder Die Frauen von Palmnicken. Roman. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8319-0421-1.
Commons: Jantarny – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
  2. a b Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 15, Leipzig und Wien 1908, S. 344.
  3. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Erster Theil, welcher die Topographie von Ost-Preussen enthält. Kanter, Königsberg 1785, S. 9 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
  4. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Erster Theil. Kanter, Königsberg 1785, S. 129 (Digitalisat).
  5. Rolf Jehke: Amtsbezirk Palmnicken.
  6. Königsberger Bürgerbrief Nr. 77, Duisburg 2011, S. 87.
  7. a b Bericht des Zeitzeugen Martin Bergau in Tränen der Götter, Reportage von Dieter Schumann über Bernstein, ZDF vom 22. Juni 2007
  8. Massenmord am »Bernsteinstrand«. 70 Jahre nach dem Massaker im ostpreußischen Palmnicken auf www.stiftung-denkmal.de, 23. Januar 2015
  9. Vernichtung im Laufschritt: Todesmärsche 1944/45 - Die ganze Doku. Abgerufen am 31. Oktober 2023.
  10. Der fast vergessene Massenmord am Bernsteinstrand, Spiegel Geschichte, 31. Januar 2020
  11. Holocaust-Denkmal in Jantarny eröffnet Russland aktuell, 31. Januar 2011
  12. a b Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 июня 1947 г.«Об образовании сельских советов, городов и рабочих поселков в Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 17. Juni 1947: Über die Bildung von Dorfsowjets, Städten und Arbeitersiedlungen in der Oblast Kaliningrad).
  13. a b Es ergab sich dabei die widersprüchliche Gesetzeslage, dass der Ort einerseits als Jantarny zur Arbeitersiedlung erklärt wurde, andererseits aber als Jantarnoje zum Sitz eines Dorfsowjets. In der Praxis wird der sog. Dorfsowjet wohl vom Jantarner Siedlungssowjet verwaltet worden sein.
  14. ITL des Kombinats Nr. 9 (PalmnikenLag) im Internetportal GULAG des Memorial Deutschland e. V.
  15. Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 12 января 1965 г. «Об изменениях в административно-территориальном делении Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 12. Januar 1965: Über Änderungen in der administrativ-territorialen Einteilung der Oblast Kaliningrad).
  16. Information auf klgd.ru.
  17. Dorbnicken wurde zusätzlich auch in Krasnopolje umbenannt.
  18. Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 4: P–S. Halle 1823, S. 5, Ziffer 156.
  19. Leopold Krug: Die Preussische Monarchie; topographisch, statistisch und wirthschaftlich dargestellt. Nach amtlichen Quellen. Teil I: Provinz Preussen. Berlin 1833, S. 140, Ziffer 53.
  20. Adolf Schlott: Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Königsberg, nach amtlichen Quellen. Hartung, Königsberg 1861, S. 72, Ziffer 243–244.
  21. Preußisches Finanzministerium: Die Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Königsberg. Berlin 1966, S. 26, Ziffer 195.
  22. Palmnicken
  23. a b Michael Rademacher: Samland. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  24. Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad (Memento vom 29. August 2011 im Internet Archive).
  25. A. Brekenfeld: Die Unternehmerpersönlichkeiten Friedrich Wilhelm Stantien und Moritz Becker. In: Bernstein – Tränen der Götter. Bochum 1996.
  26. K. Andrée: Der Bernstein und seine Bedeutung in Natur- und Geisteswissenschaften, Kunst und Kunstgewerbe, Technik, Industrie und Handel. Königsberg 1937.
  27. Z.V. Kostyashova: The history of the Kaliningrad Amber Factory. Kaliningrad 2007.
  28. Fördergrube direkt am Strand. In: Königsberger Express. 5/2014 (online auf: koenigsberger-express.com)
  29. Bernsteinabbau am Badestrand. In: Königsberger Express. 5/2011. (online auf: koenigsberger-express.com)
  30. B. Kosmowska-Ceranowicz: Bernstein – die Lagerstätte und ihre Entstehung. In: Bernstein – Tränen der Götter. Bochum 1996, ISBN 3-921533-57-0, S. 161–168.
  31. Bernstein – das globale Naturwunder. In: Königsberger Express. 11/2012 (online auf: koenigsberger-express.com)
  32. Die Aufzeichnungen der Pfarrfrau Eva Jänicke in: Martin Bergau: Todesmarsch zur Bernsteinküste. Das Massaker an Juden im ostpreußischen Palmnicken im Januar 1945. Zeitzeugen erinnern sich. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006, S. 157–205.
  33. TV-Film: Todesmarsch übers Eis, Tagesspiegel, 5. Juli 2010