Postoloprty
Postoloprty | ||||
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Basisdaten | ||||
Staat: | Tschechien | |||
Region: | Ústecký kraj | |||
Bezirk: | Louny | |||
Fläche: | 4651,6716[1] ha | |||
Geographische Lage: | 50° 22′ N, 13° 42′ O | |||
Höhe: | 193 m n.m. | |||
Einwohner: | 4.679 (1. Jan. 2023)[2] | |||
Postleitzahl: | 439 42 – 440 01 | |||
Kfz-Kennzeichen: | U | |||
Verkehr | ||||
Bahnanschluss: | Postoloprty–Louny | |||
Struktur | ||||
Status: | Stadt | |||
Ortsteile: | 13 | |||
Verwaltung | ||||
Bürgermeister: | Zdeněk Pištora (Stand: 2014) | |||
Adresse: | Mírové náměstí 318 439 42 Postoloprty | |||
Gemeindenummer: | 566624 | |||
Website: | www.postoloprty.cz | |||
Lage von Postoloprty im Bezirk Louny | ||||
Postoloprty (deutsch Postelberg) ist eine Stadt im Okres Louny (Bezirk Laun) im Nordwesten von Tschechien.
Geographische Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Stadt liegt im Nordwesten Böhmens, sieben Kilometer westlich der Stadt Louny (Laun).
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ort wurde erstmals in der Chronica Boemorum des Cosmas von Prag als Dorf neben dem Benediktinerkloster der Jungfrau Maria erwähnt.
Auch die etwa 600 m südwestlich vom Ort an der Eger liegende slawische Burgstätte Draguš, die von den Přemysliden auf einem von ihnen eroberten Gebiet des Stammes der Lutschanen errichtet wurde, wird bei Cosmas erwähnt.
Das Kloster, dessen Stifter und Gründungsdatum (vor 1119) nicht genau bekannt sind, erhielt später die Bezeichnung Porta Apostolorum. Von diesem Klosternamen soll die Ortsbezeichnung durch Verballhornung entstanden sein. Das Kloster wurde im Mai 1420 zusammen mit einer reichen Bibliothek, die wertvolle Handschriften enthielt, von den Hussiten niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut. Der Klosterbesitz und die Herrschaft wurden durch König Georg von Podiebrad 1454 seinen Söhnen übertragen, von denen es 1480 durch die Freiherrn von Weitmühl erworben wurde. Sebastian von Weitmühl setzte sich dafür ein, dass Postelberg vom König Ladislaus II. den Status einer Untertanenstadt verliehen bekam.
Unter Ferdinand von Schwarzenberg, dem die Herrschaft seit 1692 gehörte, entwickelte sich Postelberg zu einem Mittelpunkt der umfangreichen Besitzungen, die 1846 11.500 ha umfassten. Sie verblieben bis zur Enteignung 1945 im Besitz der Familie Schwarzenberg.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Postelberg der neu gegründeten Tschechoslowakei zugeschlagen. 1930 hatte Postelberg 3300 Einwohner, die meist deutschstämmig waren.[3] Nach dem Münchner Abkommen kam Postelberg 1938 zum Deutschen Reich und gehörte bis 1945 zum Landkreis Saaz, Regierungsbezirk Eger, im Reichsgau Sudetenland.[4] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Postelberg von der Tschechoslowakei übernommen. Die deutschen Einwohner wurden bis 1946 größtenteils enteignet und vertrieben.
Postelberg hat mit der Stadt Brünn den höchsten Verlust an deutschen Menschenleben bei der Vertreibung zu beklagen.[5] Gemäß dem Beneš-Dekret 108 vom 25. Oktober 1945 wurde das Vermögen der deutschen Einwohner konfisziert und unter staatliche Verwaltung gestellt.
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Teile der früheren Klosteranlage
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Schloss
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Ehemalige Kasernengebäude am südlichen Stadtrand
Massaker von Postelberg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem die seit 8. Mai anwesenden sowjetischen Truppen abgezogen waren, wurden bei einem Pogrom zwischen dem 3. und 7. Juni 1945 auf dem Kasernengelände mindestens 763 deutsche Männer und Jungen im Alter von 12 bis über 60 Jahre im Internierungslager Postelberg gefoltert und erschossen. Sie stammten – jedenfalls überwiegend – aus der Nachbarstadt Saaz (Žatec) und waren am 3. Juni auf einem Todesmarsch hierher getrieben worden.[6][7]
Das von der Ersten Tschechoslowakischen Division unter General Oldřich Španiel verübte Massaker wurde 1947 von einer Untersuchungskommission des Parlaments behandelt, die die Exhumierung und Verbrennung der Ermordeten empfahl.[8] Das Beneš-Dekret 115/46 erklärte Handlungen wie dieses Massaker bis 28. Oktober 1945 „im Kampfe zur Wiedergewinnung der Freiheit, … oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte(n), …“ für nicht widerrechtlich.
Im November 2009 beschloss der Stadtrat, für die Opfer des Massakers und ähnlicher Vorgänge ein Denkmal zu errichten, das die Inschrift „Allen unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postelberg von Mai und Juni 1945“ tragen soll.[9][10] Eine Gedenktafel mit diesem Text wurde am 3. Juni 2010 auf dem Friedhof von Postoloprty enthüllt. 2017 veröffentlichte Jan Vávra den Roman Die Hussiten bei Postelberg (Husité u Postoloprt) über das Massaker.[11] Im November 2022 wurde im tschechischen Fernsehen ein Dokumentarfilm über das Massaker ausgestrahlt, zu dem Vávra das Drehbuch schrieb.[12]
Demographie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1785 | k. A. | 142 Häuser einschließlich einer Judengasse[13] |
1828 | 1.125 | |
1830 | 1.190 | in 153 Häusern[14] |
1843 | 988 | in 114 Häusern, darunter die von 39 jüdischen Familien bewohnten 14 Häuser in der Judengasse[15] |
1900 | 3.556 | vorwiegend deutsche Einwohner[16] |
1921 | 3.379 | davon 3.157 deutsche Einwohner[17] |
1930 | 3.311 | [18] |
1939 | 2.563 | [18] |
Jahr | 1950 | 1961 | 1970 | 1980 | 1991 | 2001 | 2011 |
Einwohner | 2.366 | 2.268 | 3.254 | 3.572 | 3.575 | 3.835 | 3.697 |
Ortsgliederung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Stadt besteht aus den Ortsteilen Březno (Priesen), Dolejší Hůrky (Horka), Hradiště nad Ohří (Hraidisch), Levonice (Lewanitz), Malnice (Malnitz), Mradice (Mraditz), Postoloprty (Postelberg), Rvenice (Ferbenz), Seletice (Selletitz), Seménkovice (Semenkowitz), Skupice (Skupitz), Strkovice (Sterkowitz) und Vrbka (Ferbka).[20] Das Stadtgebiet gliedert sich in die Katastralbezirke Březno u Loun, Dolejší Hůrky, Hradiště nad Ohří, Levonice, Malnice, Mradice, Postoloprty, Rvenice, Seménkovice, Skupice u Postoloprt, Strkovice und Vrbka u Postoloprt.[21]
Grundsiedlungseinheiten sind Březno, Březno-u cukrovaru, Dolejší Hůrky, Draguš, Hradiště, Levonice, Malnice, Mradice, Nové Postoloprty, Pod Draguší, Postoloprty-střed, Průmyslový obvod-sever, Průmyslový obvod-západ, Rvenice, Seletice, Seménkovice, Skupice, Strkovice, Stříbrník, Šafranice, U hřbitova, U Ohře, U statku und Vrbka.[22]
Sehenswürdigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Auf dem Gelände des Klosters wurde ab 1611 ein Schloss errichtet, das 1706–1718 nach Plänen von Paul Ignaz Bayer im Barockstil umgebaut wurde.[23]
- Die Kirche Mariä Himmelfahrt wurde 1753 nach Plänen von Andrea Altomontes erbaut.
- Ein archäologisches Freilandmuseum befindet sich südwestlich des Ortes im Bereich des Dorfes Březno/Priesen am Egerufer. Es zeigt eine Siedlung, die von der Jungsteinzeit bis zur germanischen und frühslawischen Epoche genutzt wurde. Nicht weit davon entfernt befindet sich eine weitere spätjungsteinzeitliche bis bronzezeitliche Siedlung Na Šachtach, die zum Nationalen Kulturerbe der Tschechischen Republik gehört.
- Unweit des Museums ein als Naturdenkmal geschützter geologischer Aufschluss im Zusammenhang mit dem Auftreten der Böhmischen Kreide (Priesener Schichten).
Geologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem heutigen Ortsteil Březno (Priesen) wurden die Priesener Schichten (tschechisch: Březenské souvrství) benannt. Es handelt sich dabei um einen lithostratigraphischen Fachbegriff für Ablagerungen im Bereich vom mittleren Coniacium bis zum unteren Santonium innerhalb der Kreidezeit. Sie bestehen aus den für sie typischen mergeligen Tonen, ferner aus kalkigen Mergeln und Plänern. In den oberen Schichten finden sich mitunter Konkretionen von Siderit und Pyrit. Zu den markanten fossilen Einlagerungen zählen die Ammonitengattung Baculites, weshalb man früher auch von Baculitenmergel oder Baculitentonen sprach.
Bei Březno erreicht diese Schichtenfolge eine Mächtigkeit von über 500 Metern. Hier bilden sie den Hauptteil vom Kreuzberg (Březenský vrch) am rechten Egerufer.[24][25]
Das Vorkommen ist seit 1998 wegen seiner paläontologischen und stratigraphischen Besonderheiten ein geschütztes staatliches Naturdenkmal.
Söhne der Stadt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann I. (Schwarzenberg) (1742–1789), deutschböhmischer Fürst
- Anton Langweil (1791–1837), böhmischer Maler und Modellbauer
- Julius Anton Glaser (1831–1885), österreichischer Rechtswissenschaftler und liberaler Politiker, Justizminister
- Friedrich Balling (1834–1896), Bergdirektor in Schwarzbach
- Eduard Bacher (1846–1908), österreichischer Journalist
- Ernst Viktor Zenker (1865–1946), österreichischer Journalist und Parlamentarier
- Ludwig Freund (1878–1953), Mediziner und Zoologe in Prag, KZ-Überlebender
- Norbert Josef Pitrof (1907–1995), Kunstmaler und Modellbahner
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Martin Zeiller: Postelberg. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae (= Topographia Germaniae. Band 11). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1650, S. 55 (Volltext [Wikisource]).
- Joachim Bahlcke, Winfried Eberhard, Miloslav Polívka (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Böhmen und Mähren. Kröner, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-32901-8, S. 467 (= Kröners Taschenausgabe, Band 329).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Geschichte Postoloprty. ( vom 21. November 2007 im Internet Archive) historie.postoloprty.advice.cz
- Was in Postelberg geschah. NZZ; zum Massaker.
- Augenzeugenbericht. (PDF; 50 kB) heimatkreis-saaz.de
- Das Postelberg-Massaker. youtube.com, Video.
- Gedenktafel für die Massaker an Deutschen. Radio Prag, radio.cz, 4. Juni 2010.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Obec Postoloprty: podrobné informace. uir.cz
- ↑ Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2023 (PDF; 602 kB)
- ↑ Brockhaus Enzyklopädie. Band 9. 1956.
- ↑ Liste der Städte im Sudetenland. territorial.de
- ↑ Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.): Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Weltbild Verlag, 1994, ISBN 3-89350-560-1. Band 1: S. 10, 109. Band 2: S. 67, 298, 397 f., 314, 347, 415.
- ↑ Wilhelm Turnwald: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951, S. 105–110.
- ↑ Kurt Hantl: Ich entkam dem Todesblock im Ochsenstall. In: Junge Freiheit, 2010, Nr. 31–32.
- ↑ Hans-Ulrich Stoldt: Mord im Fasanengarten. In: Der Spiegel. Nr. 36, 2009, S. 66–67 (online).
Adalbert Wollrab: Gedanken an die Mordopfer von Postelberg. In: Sudetenpost, 2015, Folge 5, S. 11. - ↑ Mahnmal für ermordete Sudetendeutsche In: Sächsische Zeitung, 6. November 2009 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Erfolg für Sudetendeutsche. In: Süddeutsche Zeitung. 7./8. November 2009.
- ↑ Das Massaker von Postelberg: wie Tschechien seine Vergangenheit aufarbeitet. In: mdr.de. Abgerufen am 18. Februar 2024.
- ↑ Postoloprty 1945 – česká odplata – iVysílání. Česká televize, abgerufen am 18. Februar 2024 (tschechisch).
- ↑ Jaroslaus Schaller: Topographie des Königreichs Böhmen. Band 7: Saatzer Kreis, Prag und Wien 1787, S. 31–34, Ziffer 1) (books.google.de).
- ↑ Jahrbücher des böhmischen Museums für Natur- und Länderkunde, Geschichte, Kunst und Literatur. Band 2, Prag 1831, S. 198, Ziffer 11 unten. (books.google.de).
- ↑ Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen. Band 14: Saazer Kreis. Prag 1846, S. 69, Ziffer 1; books.google.de
- ↑ Postelberg. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 16: Plaketten–Rinteln. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908, S. 218 (Digitalisat. zeno.org).
- ↑ genealogienetz.de Genealogie-Netz Sudetenland
- ↑ a b Michael Rademacher: Landkreis Saaz (tschechisch Zatec). Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- ↑ Historický lexikon obcí České republiky – 1869–2015. (PDF) Český statistický úřad, 18. Dezember 2015, abgerufen am 24. Januar 2016 (tschechisch).
- ↑ Části obcí. uir.cz
- ↑ Katastrální území. uir.cz
- ↑ Základní sídelní jednotky. uir.cz
- ↑ Schloss Postelberg. Herder-Institut.
- ↑ Friedrich Katzer: Geologie von Böhmen. Prag (I. Taussig) 1902, S. 1330.
- ↑ Ivo Chlupáč et al.: Geologická minulost České Republiky. (Academia) Prag 2002, 278, ISBN 80-200-0914-0, S. 267.