Mazzotti-Reaktion

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Die Mazzotti-Reaktion stellt einen Symptomenkomplex dar, der sich unter der Therapie einer Fadenwurmerkrankung vor allem mit dem Anthelminthikum Diethylcarbamazin (DEC) einstellt bzw. einstellen kann. Erstbeschreiber war der mexikanische Parasitologe Luigi Mazzotti (1900–1971), der sie 1948 entdeckte.[1]

Symptomatik und Pathogenese

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Durch die anthelmintische Therapie sterben die Würmer im Körper des Wirtes ab. Bei diesem Prozess gelangen vermehrt parasitäre Antigene in den Wirtsorganismus, die dort eine (überschießende) Immunreaktion auslösen.[2] Die Symptome der Reaktion sind somit meist dem allergischen Formenkreis zuzuordnen:

Zusätzlich finden sich Allgemeinsymptome wie Fieber, geschwollene und druckschmerzhafte Lymphknoten, Gelenk- sowie Bauchschmerzen. Im Extremfall kann sich die Mazzotti-Reaktion bis zum anaphylaktischen Schock ausweiten, der akut lebensbedrohlich ist. Die Reaktion bildet sich meist innerhalb von 7 Tagen nach Therapiebeginn aus, wobei das Ausmaß der Symptome mit der Parasitenbefallsdichte zu korrelieren scheint.

Strukturformel von Diethylcarbamazin, einem häufigen Auslöser der Mazzotti-Reaktion
Mikrofoto von Onchocerca volvulus, dem Erreger der Flussblindheit

Mazzotti beschrieb die Reaktion bei der Behandlung der Flussblindheit mit Diethylcarbamazin. Aber auch andere antiparasitäre Wirkstoffe kommen als Auslöser in Frage wie z. B. Ivermectin, Praziquantel und Albendazol. Weitere parasitäre Erkrankungen, bei deren Therapie eine Mazzotti-Reaktion auftreten kann, stellen der Befall mit Pärchenegeln oder dem Zwergfadenwurm dar.[3] Auch bei der Ivermectin-Behandlung der Krätze wurde schon das Auftreten des Symptomenkomplexes beschrieben.[4]

Bild eines Epikutantests. Das zweite Feld von oben links zeigt einen schwach positiven Befund

Da unter der DEC-Therapie der Flussblindheit sehr häufig die Mazzotti-Reaktion auftritt, kann man sich diesen Sachverhalt diagnostisch zunutze machen:

Die technisch einfachere – wenn auch riskantere – Möglichkeit ähnelt der Diagnosis ex juvantibus. Der Patient erhält hierbei eine orale DEC-Dosis; zeigt er anschließend die typischen Symptome der Mazzotti-Reaktion kann man recht sicher davon ausgehen, dass er von Onchocera volvulus oder anderen Filarien befallen ist.[5]

Die elegantere Form ist eine Variante des Epikutantest. Im Gegensatz zum üblichen Test wird dem Patienten kein Allergen auf die Haut aufgebracht, sondern DEC wird auf die Haut aufgetragen und dort unter einem Aluminium-Hütchen belassen. Der Wirkstoff tötet die unter dem Alu-Plättchen in der Haut befindlichen Larven ab und es kommt zu einer lokal begrenzten Immunreaktion auf die frei werdenden Erregerbestandteile. Dermatologisch lässt sich ein positiver Test auch hier u. a. an der Bildung eines Erythems, Ekzems, Papeln oder Vesikeln ablesen. Die Möglichkeit einer systemischen, anaphylaktischen Reaktion ist bei dieser Form des Tests äußerst gering.[6]

Bei beiden Varianten bietet sich im Falle eines positiven Nachweises die Möglichkeit, den Befall mit anderen Medikamenten (sofern verfügbar) zu behandeln, die ein deutlich niedrigeres Risiko für eine Mazzotti-Reaktion aufweisen.[7]

Da die Ursache eine Überreaktion des Immunsystems darstellt, eignen sich zur (präemptiven) Therapie bzw. Prophylaxe immunsuppressive Glucocorticoide wie z. B. Prednison.[8] Stellt sich eine Schock-Symptomatik ein, so ist der Patient entsprechend einer Anaphylaxie zu behandeln (Katecholamine, Volumentherapie).[9]

Ähnliche Krankheitsbilder

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Eine der pathophysiologischen Erklärungen für die Jarisch-Herxheimer-Reaktion, die z. B. bei der Penicillin-G-Therapie der Lues auftreten kann, beruht auf einem ähnlichen Pathomechanismus. Auch hier sollen plötzlich freiwerdende Erregerbestandteile zu einer Überreaktion des Abwehrsystems mit massiver Interleukinausschüttung prädispositionieren, die bis hin zum Schock führen kann.[10][11]

Bei der Therapie der (zystischen) Echinokokkose kann es bei operativem Vorgehen zur Eröffnung einer erregerhaltigen Zyste kommen, aus der die Parasitenbestandteile in den Körper streuen und eine systemisch-allergische Reaktion auslösen können.[12]

Einzelnachweise

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  1. Mazotti-Reaktion. medical-dictionary.thefreedictionary.com; abgerufen am 22. Dezember 2014.
  2. S. J. Ackerman, G. M. Kephart, H. Francis, K. Awadzi, G. J. Gleich, E. A. Ottesen: Eosinophil degranulation. An immunologic determinant in the pathogenesis of the Mazzotti reaction in human onchocerciasis. In: The Journal of Immunology, 1990, 144, Nr. 10, S. 3961–3969, PMID 2332637.
  3. Bradley G. Olson et al.: Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee. In: The Pediatric Infectious Disease Journal. Band 25, Nr. 5, Mai 2006, S. 466–468, doi:10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c.
  4. Toshiki Ito: Mazzotti reaction with eosinophilia after undergoing oral ivermectin for scabies. In: The Journal of Dermatology, 2013, 40, Nr. 9, S. 776–777; doi:10.1111/1346-8138.12243.
  5. web.stanford.edu
  6. Kilian Hd: The use of a topical Mazzotti test in the diagnosis of onchocerciasis. In: Tropical medicine and parasitology: official organ of Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft and of Deutsche Gesellschaft fur Technische Zusammenarbeit (GTZ), 1988, 39, Nr. 3, S. 235–238; PMID 3194667.
  7. W. R. Brieger u. a.: The effects of ivermectin on onchocercal skin disease and severe itching: results of a multicentre trial. In: Tropical Medicine & International Health, 1998, 3, Nr. 12, S. 951–961; doi:10.1046/j.1365-3156.1998.00339.x.
  8. Bradley G. Olson, Joseph B. Domachowske: Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee: In: The Pediatric Infectious Disease Journal, 2006, 25, Nr. 5, S. 466–468, doi:10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c.
  9. Johannes Ring u. a.: Guideline for acute therapy and management of anaphylaxis. In: Allergo Journal International, 2014, 23, Nr. 3, S. 96–112, doi:10.1007/s40629-014-0009-1 (awmf.org (Memento des Originals vom 22. Dezember 2014 im Internet Archive; PDF)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.awmf.org).
  10. V. Vidal, I. G. Scragg, S. J. Cutler et al.: Variable major lipoprotein is a principal TNF-inducing factor of louse-borne relapsing fever. In: Nat Med. Band 4, Nr. 12, Dezember 1998, S. 1416–1420, doi:10.1038/4007, PMID 9846580.
  11. G. Kaplanski, B. Granel, T. Vaz, J. M. Durand: Jarisch-Herxheimer reaction complicating the treatment of chronic Q fever endocarditis: elevated TNFalpha and IL-6 serum levels. In: Journal of Infection. Band 37, Nr. 1, Juli 1998, S. 83–84, doi:10.1016/S0163-4453(98)91120-3, PMID 9733392.
  12. K. H. Park, S. I. Jung, H. C. Jang, J. H. Shin: First successful puncture, aspiration, injection, and re-aspiration of hydatid cyst in the liver presenting with anaphylactic shock in Korea. In: Yonsei Med. J. Band 50, Nr. 5, Oktober 2009, S. 717–720, doi:10.3349/ymj.2009.50.5.717, PMID 19881979, PMC 2768250 (freier Volltext).