Miłosław

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Miłosław
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Miłosław (Polen)
Miłosław (Polen)
Miłosław
Basisdaten
Staat: Polen
Geographische Lage: 52° 12′ N, 17° 29′ OKoordinaten: 52° 12′ 24″ N, 17° 28′ 59″ O
Einwohner:

Miłosław (deutsch Miloslaw, 1943 zunächst Umbenennung in Liebenau, seit 18. Mai 1943 dann Liebenstädt[1]) ist eine Stadt im Powiat Wrzesiński (Wreschener Kreis) der polnischen Woiwodschaft Großpolen. Sie ist Sitz ist der gleichnamigen Stadt-und-Land-Gemeinde.

Geographische Lage

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Die Stadt liegt in der historischen Region Posen, auf der rechten Warthe-Seite, an einem Bach, früher Miloslawer Fließ oder Schieferbach genannt, der bei Orzechowo in die Warthe mündet, etwa 38 Kilometer südöstlich der Stadt Posen und 16 Kilometer südsüdwestlich der Stadt Września (Wreschen).

Innenstadt, vom Schlossturm aus gesehen (2018)
Miloslaw, südöstlich der Stadt Posen und südsüdwestlich der Stadt Wreschen, auf einer Landkarte der Provinz Posen von 1905 (gelb markierte Flächen kennzeichnen Gebiete mit seinerzeit mehrheitlich polnischsprachiger Bevölkerung)
Schulgebäude (2011), erbaut im 19. Jahrhundert

Ältere Ortsbezeichnungen sind Miloslaus (1383) und Miłoslawy (1458).[2] Die Ortschaft befand sich gegen Ausgang des 14. Jahrhunderts im Besitz deutschen Stadtrechts.[3] Nach der Veranschlagung von 1458 hatte Miloslaw zum Kampf gegen den Deutschen Orden vier Mann zu stellen.[2]

Im Jahr 1487 oder kurz zuvor tauschte Adalbert Gorski die Stadt Miloslaw ein gegen Jarotschin und wurde vom König ermächtigt, Zoll erheben zu dürfen. Die Stadt hatte nun einen Grundherrn über sich. Dieser erbaute hier ein schönes Schloss.[2]

Im Jahr 1793 kam die Stadt an Preußen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts befand sich Miloslaw im Besitz des Grafen Mielżinski.[2]

Frontansicht des heute im Besitz der Stadt befindlichen Schlosses (2005)

Während des Polnischen Aufstands im Großherzogtum Posen im Frühjahr 1848 war von den Aufständischen eine provisorische polnische ‚Nationalregierung‘ proklamiert worden, die im Schloss Miloslaw ihren Sitz hatte.[4][5]

In Miloslaw war ein Sammellager polnischer Insurgenten entstanden, die von dem strategisch erfahrenen Revolutionär Ludwik Mierosławski angeführt wurden, der auch maßgeblicher Wortführer der Bewegung war. Nachdem er am 19. April vom Lager in Miloslaw aus erklärt hatte, das polnische Volk sei mit den bisherigen Zugeständnissen, die den Aufruhr eindämmen sollten, unzufrieden,[6] kam es an einigen Orten des Großherzogtums erneut zu Unruhen, was das Einschreiten preußischer Truppen nach sich zog.[7] Als am 30. April 1848 eine preußische Truppe unter General von Blumen versuchte, Schloss Miloslaw zu nehmen, wurde sie von polnischen Insurgenten unter Mieroslawski zurückgeschlagen.[8][9] Am 4. Mai 1848 waren etwa 4000 polnische Insurgenten, größtenteils Sensenträger, nach Miloslaw marschiert, am 6. abgezogen, besetzten am 8. Mai die Stadt aber wieder, die evakuiert werden musste.[10] Sämtliche städtischen Akten wurden verbrannt, Judenhäuser beraubt, die Tochter des Rabbiners wurde ermordet.[2]

Im Jahr 1910 hatte Miloslaw eine evangelische Pfarrkirche, eine katholische Pfarrkirche, eine Synagoge, ein Bezirksamt, ein Standesamt, eine Höhere Familienschule, eine Bahnmeisterei, Getreidehandel, Viehmärkte, Honigkuchenfabrikation, Olfabrikation, eine Brauerei, eine Spiritusbrennerei, eine Mühle, eine Volksbank, eine Spar- und Darlehnskasse, eine Zementwarenfabrik und eine Gerberei.[11]

Im Jahr 1918 gehörte die Stadt zum Kreis Wreschen im Regierungsbezirk Posen der preußischen Provinz Posen im Deutschen Reich.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs musste die Stadt aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags am 10. Januar 1920 an die Zweite Polnische Republik abgetreten werden. Nach dem Überfall auf Polen durch die deutsche Wehrmacht am 10. September 1939 wurde die Stadt wieder in das Reichsgebiet eingegliedert. Der Ort wurde Teil des Reichsgaus Posen und nach dessen Umbenennung 1940 Teil des Warthegaus. Gegen Kriegsende erreichte die Rote Armee den Ort im Januar 1945. Bald danach wurde die Region mit der Stadt von der Sowjetunion der Volksrepublik Polen zur Verwaltung überlassen.

Bevölkerungsentwicklung bis 1921
Jahr Einwohner Anmerkungen
1800 959 Stadt mit einer katholischen Kirche, zwei öffentlichen Gebäuden, 135 Wohnhäusern, von denen zwei Ziegeldach haben, fünf Mühlen, gepflasterten Straßen und zwei Nachtwächtern; unter den Einwohnern sind 131 Juden, die größere Hälfte der übrigen sind Deutsche[2]
1803 1041 Stadt[12]
1816 1155 Stadt, davon 239 Evangelische, 623 Katholiken und 293 Juden;[12] nach anderen Angaben 1127 Einwohner[2]
1821 1361 in 131 Privatwohnhäusern[12]
1826 1400 adliges offenes Städtchen, mit einer katholischen Kirche und 135 Häusern, Hauptgewerbe sind die Gerberei und die Tuchmacherei; unter den Einwohnern befinden sich 300 Juden[13]
1837 1585 Stadt, mit 140 Häusern[2]
1843 1696 [2]
1852 1668 am Jahresende[14]
1855 1642 am Jahresende[15]
1858 1628 [2]
1861 1589 [2]
1864 1831 am 3. Dezember, Stadt[16]
1867 1711 Stadtgemeinde, am 3. Dezember[17]
1871 1878 Stadtgemeinde, am 1. Dezember, davon 209 Evangelische, 1266 Katholiken und 403 Juden[17]
1875 2064 [18]
1880 2183 [18]
1885 2093 Stadt, am 1. Dezember, davon 225 Evangelische, 1546 Katholiken und 322 Juden[19]
1890 2156 davon 253 Evangelische, 1617 Katholiken und 286 Juden[18]
1905 2549 am 1. Dezember, darunter 302 mit deutscher Muttersprache (255 Evangelische und 47 Katholiken) und 2067 mit polnischer Muttersprache (sämtlich Katholiken), außerdem 170 Juden;[20] nach anderen Angaben 2555 Einwohner[4]
1910 2571 am 1. Dezember, davon 408 mit deutscher Muttersprache (240 Evangelische, 35 Katholiken, neun sonstige Christen oder Andersgläubige und 124 Juden) und 2150 mit polnischer Muttersprache (248 Katholiken und zwei Juden)[21][22]

Katholisches Kirchspiel

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Katholische Pfarrkirche St. Jakobus (2011), erbaut 1620, später baulich verändert

Das Kirchengebäude ist ein spätgotischer einschiffiger Backsteinbau, der im Osten dreiseitig geschlossen ist. Das Gebäude wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgreifend umgebaut.[3]

Im Jahr 1393 wurde der Pfarrer urkundlich genannt.[3]

Evangelisches Kirchspiel

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Ehemalige evangelische Pfarrkirche (2011), erbaut 1872[23]

Nachdem sich viele Einwohner schon früh der Lehre Luthers zugewandt hatten, hielten die Lutheraner hier 1607 eine Kirchenversammlung, an der auch der bekannte polnische evangelische Prediger Samuel Dombrobski (* 1677; gest. 5. Juli 1625) teilnahm.[24] Die Evangelischen gelangten damals in den Besitz der alten Stadtkirche, doch wurde sie ihnen wieder weggenommen.[2]

Die Evangelischen in Miloslaw hatten früher zum Kirchspiel der Mutterkirche in Wreschen gehört und bildeten seit 1853 eine eigene Gemeinde, die sich zunächst in einem Betsaal traf, der kaum 200 Personen fasste.[24] Erst im Jahr 1872 bekamen die Evangelischen in Miloslaw und in den Dörfern der Umgebung eine eigene neue Kirche.[23]

Das Kirchengebäude wird von der polnischen Stadtverwaltung gegenwärtig als Kulturzentrum genutzt.

Die Stadt hat einen Bahnhof an der nur noch im Güterverkehr betriebenen Bahnstrecke Jarocin–Gniezno (Gnesen – Jarotschin).

Gmina Miłosław

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  • Miloslaw, Stadt (mit Stadtteil Maciejewo), Kreis Wreschen, Regierungsbezirk Posen, Provinz Posen, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Miloslaw (meyersgaz.org).
  • Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 377–378 (Google Books).
Wikivoyage: Miłosław – Reiseführer
Commons: Miłosław – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Amtsbezirk Liebenstädt-Stadt (Territorial.de)
  2. a b c d e f g h i j k l Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 377–378 (Google Books).
  3. a b c Julius Kohte: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Posen. Band 3: Die Kunstdenkmäler der Landkreise des Regierungsbezirks Posen, Springer, Berlin 1896, S. 292 (Google Books).
  4. a b Lexikoneintrag zu Miloslaw, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, Band 13, Leipzig/Wien 1908, S. 845 (Zeno.org).
  5. Oberst a. D. Gustav von Drygalski (Nachruf), in: Allgemeine Schweizerische Militärzeitung, Nr. 52, Basel, 26. Dezember 1896, S. 424 (Google Books).
  6. Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 253 (Google Books).
  7. Adolf F. von Crousaz: Kurze Darstellung der Preußischen Kriegs-Operationen in den Jahren 1848 u. 49 in Verbindung mit geographischen, militairischen u. a. Erläuterungen zu Lektüre und Unterricht, Trewendt & Granier, Breslau 1852, S. 12 ff. (Google Books).
  8. Adolf Wolff: Berliner Revolutions-Chronik. Darstellung der Berliner Bewegungen im Jahre 1848 nach politischen, socialen und literarischen Beziehungen. Zweiter Band, Hempel, Berlin 1852, S. 296 (Google Books).
  9. Adolf F. von Crousaz: Kurze Darstellung der Preußischen Kriegs-Operationen in den Jahren 1848 u. 49 in Verbindung mit geographischen, militairischen u. a. Erläuterungen zu Lektüre und Unterricht, Trewendt & Granier, Breslau 1852, S. 18 (Google Books).
  10. Aus den Berichten der Generale von Pfuel und von Colomb vom 9. Mai 1848. In: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, No. 110, Freitag, den 12. Mai 1848 (Google Books)
  11. Miloslaw, Stadt (mit Stadtteil Maciejewo), Kreis Wreschen, Regierungsbezirk Posen, Provinz Posen, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Miloslaw (meyersgaz.org).
  12. a b c Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preußischen Staats. Ausgearbeitet und herausgegeben von Alexander August Mützell. Band 5: T–Z, Halle 1823, S. 336–343, Ziffer 442 (Google Books)
  13. Leopold von Zedlitz-Neukirch: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter Friedrich Wilhelm III. Band 2, Teil 1, Berlin 1828, S. 109, Ziffer 2) (Google Books).
  14. Uebersicht des Flächenraums und der Einwohnerzahl des Preussischen Staats, und Alphabetisches Verzeichniß der Städte in demselben, mit Angabe der Civil-Einwohnerzahl am Schlusses des Jahres 1852, Decker, Berlin 1854, S. 19 (Google Books).
  15. Uebersicht des Flächenraums und der Einwohnerzahl des Preussischen Staats, und Alphabetisches Verzeichniß der Städte in demselben, mit Angabe der Civil-Einwohnerzahl am Schlusses des Jahres 1855, Decker, Berlin 1857, S. 19 (Google Books).
  16. Königliches Finanzministerium: Die Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Posen. Berlin 1867, V. Regierungsbezirk Posen, 17. Kreis Wreschen, S. 18–25 (Google Books).
  17. a b Königliches Statistisches Büro: Die Gemeinden und Gutsbezirke des preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Teil IV: Die Provinz Posen. Berlin 1874; Regierungsbezirk Posen, I. Kreis Wreschen, S. 2–3, Ziffer 1 (kpbc.umk.pl).
  18. a b c Michael Rademacher: Posen – Landkreis Wreschen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  19. Königliches statistisches Bureau: Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen. Band V: Provinz Posen, Berlin 1888. Regierungsbezirk Posen, 1. Kreis Wreschen, S. 2–3, Ziffer 1 (Google Books).
  20. Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon für die Provinz Posen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1908, 41. Kreis Wreschen, S. 206–207, Ziffer 1 (Google Books).
  21. Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft IV: Regierungsbezirk Posen, 28. Kreis Wreschen, S. 120–121, Ziffer 1 (Google Books).
  22. Kreis Wreschen (gemeindeverzeichnis.de)
  23. a b Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland, Nr. 30–31, Stuttgart, 15. Dezember 1873, S. 426 (Google Books)
  24. a b Bericht über die 19. Hauptversammlung des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung, abgehalten in Nürnberg den 26., 27. und 28. August 1862, Sebald, Nürnberg 1862, S. 179 (Google Books).