Mulatte
Mulatte ist eine Bezeichnung für einen Menschen, dessen Vorfahren (insbesondere die Eltern) teils zur schwarzen, teils zur weißen Rasse gerechnet wurden. Das Wort beruht damit auf einer unwissenschaftlichen rassentheoretischen Einteilung[1] und gilt heute als diskriminierend[2] und kolonialistisch.[3]
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung Mulatte geht auf das spanische Wort Mulato (Plural Muladí) zurück, das die Conquestadores in die neue Welt trugen, wo es Nachkommen spanisch-indigener Herkunft bezeichnete. Es wurde im 16./17. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Für den Ursprung des Wortes sind drei verschiedene Erklärungen zu finden.
- In der Orientalistik[4] hält man in Anlehnung an den spanischen Sprachwissenschaftler Eguilaz[5] das arabische Wort muwallad für die Wurzel von Mulatte. Muwallad (Plural: muwalladin) bezeichnete ursprünglich eine Person mit und arabischem und nicht arabischem Elternteil (Konvertiten) und wurde später auch auf Nachkommen von Eltern unterschiedlicher Herkunft wie Juden und Christen angewandt. Im mittelalterlichen maurischen Spanien nannte man die ungetauften Nachkommen von Einheimischen (aufgrund mangelnder Priester) häufig muwalladin, da diese per Gesetz automatisch Muslime wurden. Somit hatte al-Andalus die höchste muladi-Population, die jedoch genetisch überwiegend iberisch war. Während des 16. und 17. Jahrhundert nutzen Spanier und Portugiesen diesen Begriff auch, um Nachkommen von Europäern mit Indigenen zu bezeichnen.
- Die Real Academia Española gibt an, dass mulato auf das Wort mulo/mula = Maultier für die Kreuzung zwischen Pferd und Esel zurückgeht, das sich wiederum vom lateinischen Wort mulus mit gleicher Bedeutung ableitet. Dieser Herleitung folgen der Duden, die älteren deutschsprachigen Lexika sowie einige Wissenschaftler.[3][6] Muleto bzw. mulato bezeichnete ursprünglich ein junges Maultier.
- Nach Marco Carini und Flora Macallan könnte der Ursprung der Bezeichnung auf Madagaskar zu finden sein. Die Insel St. Marie (das heutige Nosy Boraha), 18 km nordwestlich von Madagaskar gelegen, diente ab dem 17. Jahrhundert vielen Piraten als Handelsumschlagplatz. Da die meist hellhäutigen Piraten bei den Inselbewohnern einen sehr hohen Stellenwert genossen – viel Geld, gute Krieger –, kam es nicht selten zu Eheschließungen zwischen den hellhäutigen Piraten und den dunkelhäutigen Inselbewohnerinnen. Die Kinder aus diesen Verbindungen bildeten dann ab dem 18. Jahrhundert eine eigenständige gesellschaftliche Gruppe, die Malatas oder eben Mulatten.
Verwendung des Begriffs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besonders infolge einer Assoziation mit Maultier wird die Bezeichnung Mulatte heute abgelehnt, da der vermeintliche Vergleich mit einem Tier als erniedrigend empfunden wird. Früher wurde auch die These vertreten, Mulatten seien wie Maultiere unfruchtbar.[3][6] Von manchen Personen wird Mulatte aber auch als Selbstbezeichnung verwendet.[7][8]
Geschichtliche Verwendung des Begriffs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff Mulatte wurde im System der Castas, in das die Menschen im spanischen Kolonialreich nach rassischen Kriterien eingeteilt wurden, wie auch im Sprachgebrauch der französischen und englischen Kolonien in Amerika sowie in den USA nur für die erste Generation der Nachkommen von Schwarzen und Weißen verwendet. Für weitere Generationen der Vermischung gab es eigene Bezeichnungen wie Quadroon und Octoroon.
Auch in den USA war die Bezeichnung Mulatte bis zum Aufkommen der sogenannten Eintropfenregel verbreitet, nach der jede Person mit einem schwarzen Vorfahren („einem Tropfen Blut“) als Schwarzer galt. Dieser Grundsatz ging in die Gesetzgebung ein und verbreitete sich im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung. Infolgedessen wurden Mulatten ab 1930 im Zensus nicht mehr als eigene Bevölkerungsgruppe aufgeführt.
Obwohl die Eintropfenregel gesetzlich längst abgeschafft ist, ist sie im Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung sowohl bei Weißen als auch bei Afroamerikanern nach wie vor verankert. Menschen mit einem weißen und einem schwarzen Elternteil oder auch mit nur einem schwarzen Großelternteil werden in der Regel als black („schwarz“) angesehen. Ein generelles Bewusstsein für eine gemischte Abstammung nimmt erst seit den 1980er Jahren zu und der Zensus bietet nun auch die weitere Möglichkeit, sich als biracial („zweirassig“) oder multiracial („mehrrassig“) einzuordnen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-028-5.
- Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. ISBN 978-3-89771-424-3.
- Katharina Oguntoye, May Ayim, Dagmar Schultz (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Orlanda Frauenverlag, Berlin 1986, ISBN 3-922166-21-0.
- Katharina Oguntoye: Eine Afro-deutsche Geschichte. Zur Lebenssituation von Afrikanern und Afro-Deutschen in Deutschland von 1884 bis 1950. Hoho-Verlag Hoffmann, Berlin 1997, ISBN 3-929120-08-9.
- Peggy Piesche, Michael Küppers, Ani Ekpenyong (Hrsg.): May Ayim Award – Erster internationaler schwarzer deutscher Literaturpreis 2004. Orlanda Frauenverlag, Berlin 2005, ISBN 3-936937-21-4.
- Fatima El-Tayeb: Schwarze Deutsche. Der Diskurs um „Rasse“ und nationale Identität 1890–1933. Campus, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-593-36725-4.
- Grada Kilomba: Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen. In: Hito Steyerl. Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6.
- Grada Kilomba: „Don’t You Call Me Neger!“ – Das N-Wort, Trauma und Rassismus. In: ADB, cyberNomads (Hrsg.): TheBlackBook. Deutschlands Häutungen. IKO, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-88939-745-X.
- Grada Kilomba: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism. Münster 2008, ISBN 978-3-89771-485-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sonstige Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Matthias Röhrig Assunção, Michael Zeuske: „Rasse“, Ethnitität und Sozialstrukturen im 19. Jahrhundert in Brasilien und Kuba. In: Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Geschichte. Neue Folge. Band 24, 1998, S. 375–443.
- ↑ Vgl. Eintrag im Duden, abgerufen am 4. August 2014.
- ↑ a b c Susan Arndt: Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. Aufsatz, September 2004, S. 4 (von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht)
- ↑ Encyclopaedia of Islam, Leiden 1993
- ↑ Leopoldo Eguilaz y Yanguas (1886): Glosario de las palabras españolas (castellanas, catalanas, gallegas, mallorquinas, pottugueses, valencianas y bascongadas), de orígen oriental (árabe, hebreo, malayo, persa y turco). Granada, La Lealtad, 1886.
- ↑ a b Petra Schaeber: Die Macht der Trommeln. Dissertation an der FU Berlin, Juli 2003, S. 31 f.
- ↑ Michael Reichelt: Judenapfel, Zigeunerschnitzel und Negerkuss – die Verwendung ethnischer Gruppenzuschreibungen bei Nahrungsmittelbezeichnungen. In: Hannah Dingeldein, Eva Gredel (Hrsg.): Diskurse des Alimentären – Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive. LIT Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-643-13562-9, S. 126.
- ↑ Stefanie Michels: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten: Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika. Transcript Verlag, Bielefeld 2015, S. 8f.