Nissenhütte
Nissenhütte (engl. Nissen hut) ist die Bezeichnung für eine von dem kanadischen Ingenieur und Offizier Peter Norman Nissen im Jahr 1916 entwickelte Wellblechhütte in Fertigteilbauweise mit halbrundem Dach. Sie diente der britischen Armee im Ersten Weltkrieg als „möglichst billige, schnell zu errichtende mobile“[1] Unterkunft. Vier bis sechs Soldaten benötigten rund vier Stunden, um eine solche Hütte aufzubauen.
Die Vorstellung, die Nissenhütten seien nach den bei Bewohnern häufig anzutreffenden Kopfläusen und deren Nissen benannt, war öfter anzutreffen, ist aber falsch.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahre 1941 entwickelten die USA in Quonset Point im Bundesstaat Rhode Island eine Wellblechhütte, die Quonset hut, die über 150.000-mal gebaut und weltweit eingesetzt wurde.
In der Nachkriegszeit diente das in Europa zunächst militärisch eingesetzte Material beim Aufbau von Internierungs-, Gefangenen- und Entlassungslagern. In Deutschland wurden in der britischen und der amerikanischen Zone und im britischen Sektor von Berlin Nissenhüttenlager für die große Zahl der infolge von Vertreibung und Bombenangriffen obdachlos gewordenen Menschen errichtet. Bis zu zwei Familien wurden in dem durch eine dünne Wand getrennten Raum untergebracht. Berichten zufolge wohnten alleine in Hamburg bis zu 14.000 Menschen in diesen Unterkünften.[1] Bewohnte Nissenhütten finden sich heute beispielsweise noch in Kropp[3], Brunsbüttel. In Husum wurde eine Nissenhüttensiedlung mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt.[4]
In einigen Gebieten des Pazifiks, beispielsweise auf Espiritu Santo in der Inselrepublik Vanuatu, waren etliche der Quonset huts noch 2011 bewohnt. Auf der schottischen Orkneyinsel Lamb Holm gibt es mit der Italian Chapel ein aus zwei Nissenhütten bestehendes Kirchengebäude.
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Britische Soldaten errichten Nissenhütten während der Schlacht an der Somme 1916
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Nissenhütten als Behelfsheime im Ruhrgebiet 1947
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Restaurierte Nissenhütte
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Nissenhütte im Lager Friedland
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Nissenhütte als Notunterkunft im Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof
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Kirchengebäude Italian Chapel auf den Orkneys
Unterschiede der Bauformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Englische Nissen-Hütten wurden in der Regel aus einfachem Wellblech ohne Innenverkleidungen und Wärmedämmung gebaut. Daher war zum Beheizen ein kleiner, mit Holz oder Kohle befeuerter Ofen notwendig. Der untere Teil der Seitenwände wurde mit Tarnfarbe gestrichen, um zusätzlich einen gewissen Rostschutz zu erreichen. Der Radius der englischen Bauform war nach einer Modifikation des ursprünglichen Modells 8 ft (2438 mm) bei einem Mittelpunktswinkel von 210 Grad. Die hinsichtlich der nutzbaren Stellfläche ähnliche Quonset-Hütte hatte einen Radius von 10 ft (3048 mm) und einen Mittelpunktswinkel von 180 Grad. Sie waren zudem mit einer Innenverkleidung aus Masonite versehen, einer Art Hartfaserplatte. Der Spalt zwischen Innen- und der gegen Korrosion verzinkten Außenwand war mit Isolationsmaterial gefüllt. Während man die Konstruktion nach Nissen in der Nachkriegszeit nicht weiter verbesserte, wurde die amerikanische Bauweise während des Einsatzes im Koreakrieg um eine Variante mit geraden Wänden ergänzt, um den Nachteil in der Nutzung der Grundfläche zu beseitigen. Das Quonset-Prinzip wird bis heute weiterentwickelt und eingesetzt.[5]
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Querschnitt einer Nissen-Hütte
Ausstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Ausstellung über das Leben der ersten Nachkriegsjahre zeigt die originalgetreue Einrichtung einer Nissenhütte einer ostpreußischen Flüchtlingsfamilie im Freilichtmuseum am Kiekeberg, die vom ehemaligen britischen Truppenübungsplatz Camp Reinsehlen stammt. Weitere Ausstellungen von Nissenhütten befindet sich im LVR-Freilichtmuseum Kommern, im Tierpark Neumünster, im Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof, auf dem Gelände des Deutschen Panzermuseums in Munster und auf dem Gelände der Erinnerungsstätte zur Luftbrücke nach Berlin (1948/1949) in Faßberg (Landkreis Celle) (Lage) . Außerdem ist eine restaurierte Nissenhütte im Lager Friedland zu sehen, die heute als Dokumentationsstätte der Einrichtung genutzt wird. Dort sind nach 1945 Nissenhütten zur Erstunterbringung von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erbaut worden. In Husum stehen noch sieben Nissenhütten einer von 1947 bis 1948 errichteten Flüchtlingssiedlung.[6]
Nissenhütten sind auch in Militärmuseen im Vereinigten Königreich zu finden. So ist im Yorkshire Air Museum unter anderem eine Kirche in einer Nissenhütte eingerichtet.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Uwe Carstens: Die Nissenhütte. In: Carsten Fleischhauer, Guntram Turkowski (Hrsg.): Schleswig-Holsteinische Erinnerungsorte. Volkskundemuseum Schleswig Boyens, Heide 2006, ISBN 3-8042-1204-2.
- Uwe Carstens: Zur Geschichte der Notunterkünfte nach dem 2. Weltkrieg am Beispiel eines Nissenhüttenlagers. In: Jahrbuch für Ostdeutsche Volkskunde. Band 35, Elwert, Marburg 1992, ISBN 3-7708-0998-X, S. 375–395.
- Uwe Carstens: Die Nissenhütte. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2020, 100 Seiten, ISBN 9783751968959.
- Hermann Heidrich, Ilka E. Hillenstedt (Hrsg.): Fremdes Zuhause. Flüchtlinge und Vertriebene in Schleswig-Holstein nach 1945 Schleswig-Holsteinisches Freilichtmuseum Molfsee. In: Zeit + Geschichte. Band 13, Wachholtz, Neumünster 2009, ISBN 978-3-529-02800-7.
- Henning Burk, Erika Fehse, Marita Krauss, Susanne Spröer, Gudrun Wolter: Fremde Heimat – Das Schicksal der Vertriebenen nach 1945. Schriftenreihe 1164 der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011, ISBN 978-3-8389-0164-0.
- Martin Kleinfeld: Nissenhütten - Das Leben in der "halben Tonne". In: Landkreis Harburg (Hg.). Harburger Kreiskalender 2007. Jahrbuch für den Landkreis Harburg. Winsen 2006, S. 79–84.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nissenhütten-Wellblechbaracken in Berlin. Ausführliche Abhandlung zu Nissenhütten, besonders in Berlin. Private Website mit einem Film des Imperial War Museums.
- Foto einer Nissenhütte aus dem Camp Reinsehlen im Freilichtmuseum am Kiekeberg
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Henning Burk, Erika Fehse, Marita Krauss, Susanne Spröer, Gudrun Wolter: Fremde Heimat – Das Schicksal der Vertriebenen nach 1945. 1. Auflage. Rowohlt Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-8389-0164-0.
- ↑ [1] Hamburger Abendblatt vom 24. Januar 2018, "Wohnen im Wellblechhaus
- ↑ Leben in der Tonne. Schleswiger Nachrichten vom 11.4.2014, abgerufen am 2. November 2015.
- ↑ Nissenhütte in Husum – Ehepaar wehrt sich gegen Denkmalschutz. bei shz.de. vom 29. Januar 2014.
- ↑ NISSEN and QUONSET HUTS
- ↑ Denkmalliste Nordfriesland Nr. 37385, Husum, Birkenweg 8—25.