Nuklearstrategie

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Eine Nuklearstrategie ist ein militärisch-strategisches Konzept, das den angedrohten oder tatsächlichen Einsatz von Kernwaffen zu sicherheitspolitischen Zwecken beschreibt.

Aufgrund ihres außergewöhnlich hohen Zerstörungspotenzials einer Kernwaffenexplosion nehmen Kernwaffen seit ihrem erstmaligen Einsatz am Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 eine moralische und sicherheitspolitische Sonderstellung als Massenvernichtungswaffe ein.

Staaten, die Kernwaffen besitzen (Atommächte), erarbeiten Nuklearstrategien und halten sie auf dem neuesten Stand. Die theoretische Planung wird in der Regel von speziellen militärischen Einheiten durchgeführt. Beiträge kommen auch von verteidigungsnahen Organisationen, wie z. B. der RAND Corporation in den USA.

Auch die NATOverfügt über eine eigene Nuklearstrategie, die in der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) erarbeitet wird. Die tatsächlichen Nuklearstrategien der Militärs sind stets Verschlusssache. Die Atommacht Frankreich ist nicht Mitglied der NPG, stellt aber ihre nuklearen Fähigkeiten der NATO zur Verfügung.

Es gibt eine Vielzahl von Strategien, Konzepte und Theorien, die sich mit Nuklearwaffen bzw. der Politik von Nuklearwaffen befassen. Die ersten Veröffentlichungen und Diskussionen zu diesem Thema fanden Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre statt. Nuklearstrategien wie die massive Vergeltung oder die flexible Reaktion waren daher neben dem damaligen Wettrüsten ein prägendes Merkmal des Kalten Krieges. Weil die beiden Konfliktparteien in dieser strategischen Auseinandersetzung über Kernwaffen verfügten und diese technisch aufrüsteten, stand die Nichtverwendung von Kernwaffen bei gleichzeitiger Wahrung sicherheitspolitischer Interessen im Mittelpunkt ihrer Nuklearstrategien. Auch die Abwehr eines Angriffs mit Nuklearwaffen durch Raketenabwehr stand im Fokus bzw. wurde berücksichtigt. Es wurde jedoch früh erkannt, dass ein Angriff mit Nuklearwaffen nur schwer oder gar nicht zu verteidigen ist.

Nach dem Ende des Kalten Krieges verloren manche Nuklearstrategien teilweise unmittelbar an Bedeutung. Das Militär hat jedoch immer seine Strategien fortgeschrieben bzw. angepasst. Die großen nuklearen Arsenale der Konfliktparteien Sowjetunion und USA wurden durch zahlreiche Abrüstungsverträge und Abkommen mittlerweile reduziert. Einige Beispiele sind der INF-Vertrag, START und bis 2021 auch NewSTART.

Die neuen Risiken in den 1990er Jahren waren zunächst unmittelbar mit der Nichtverbreitung von spaltbarem Material, Kernsprengköpfen, Kernwaffensystemen und dem Wissen dazu verbunden. Die Absicherung der genannten Gefahren fand u. a. durch Kooperation zwischen Russland und den USA statt.

Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Strategien behalten trotz der genannten Veränderungen seit dem Kalten Krieg teilweise ihre Gültigkeit. Die Forschung versucht, diese Strategien vor dem Hintergrund der neuen globalen Sicherheitslage zu interpretieren und weiterzuentwickeln.

Nuklearstrategische Forschung

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Die nuklearstrategische Forschung war speziell im Kalten Krieg eine Domäne der Strategischen Studien. Dabei griffen Strategietheoretiker häufig auf Erkenntnisse der Spieltheorie zurück, die das gängige nuklearstrategische Dilemma des Nichteinsatzes als ein Beispiel für das Gefangenendilemma betrachtete. In diesem Forschungsgebiet bekannt wurden vor allem Bernard Brodie, Herman Kahn, Thomas Schelling, Albert Wohlstetter, Colin S. Gray oder Lawrence Freedman.

Die Forschung findet heutzutage als Teil der Friedensforschung, Forschung zur Abrüstungspolitik oder politische Sicherheitsforschung statt. Einschlägige Fachzeitschriften sind z. B. International Security, Journal for Peace and Nuclear Disarmament, Science & Global Security, Arms Control Today, Bulletin of the Atomic Scientists oder Nonproliferation Review.

Strategien der USA / NATO

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  • Vorneverteidigung (forward strategy): Konzept der Verzögerung eines Angriffs des Warschauer Paktes mit konventionellen Kräften östlich des Rheins. Anschließend nuklearer Gegenschlag strategischer Luftstreitkräfte mit einer konventionellen Gegenoffensive mit dem Ziel, den Warschauer Pakt zurückzudrängen. Diese Konzeption fand Anwendung von 1950/52 bis 1957 - NATO-Dokument 14/1 - und hätte bei einer Anwendung die Verstrahlung von weiten Teilen Deutschlands bedeutet. Es wurde aufgrund des angewachsenen Vernichtungspotenzials der Atomwaffenarsenale durch die 'massive retaliation' ersetzt.
  • Flexible Reaktion (flexible response) (NATO-Dokument MC 14/3): Angemessene Beantwortung des Angriffs. Im Rahmen der Konzeption der flexiblen Reaktion von 1967/68 bis 1991 wurde in der NATO die Triaden-Strategie entwickelt. Diese Taktik sieht vor, konventionelle, nukleartaktische und nuklearstrategische Mittel im Verbund oder als Einzelelemente einzusetzen. 1980 umfasste der Single Integrated Operational Plan SIOP-5D rund 40.000 mögliche Ziele für Nuklearangriffe.[3][4]
  • Mutual Massured Destruction (MAD) (gesicherte wechselseitige Zerstörung): eine ab 1961 in den USA entwickelte minimalistische Nuklearstrategie mit dem Ziel des Erhalts einer nuklearen Zweitschlagsfähigkeit.
  • Counterforce-Doktrin/Countervailing-Strategie: eine in den USA unter Präsident Jimmy Carter entwickelte Strategie, die eine Flexibilisierung des Nukleararsenals und den Ausbau der Angriffsfähigkeiten gegenüber feindlichen (lies: sowjetischen) strategischen Kernwaffen vorsieht, um flexible Optionen unterhalb einer massiven Vergeltung zu ermöglichen. Die Countervailing-Strategie ergänzte ab 1980 durch die US-Präsidentendirektive (PD 59) die Counterforce-Doktrin und führte u. a. zur Entwicklung von „Erdpenetrationskörpern“ (Raketen, Bomben) gegen gehärtete Ziele.
  • Global Strike (weltweiter Schlag): Bestandteil einer US-Militärstrategie zur möglichen weltweiten Zerstörung von strategischen und taktischen Zielen mit konventionellen und nuklearen Mitteln und deren Zusammenfügung in einen einzigen Operationsplan OPLAN 8022. Die Bekämpfung von Proliferationszielen ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzeptes.

Strategien der UdSSR / Warschauer Vertrag

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  • 1951 befahl der sowjetische Regierungschef Generalissimus Josef Stalin die Entwicklung von Strategien für den Nuklearkrieg. Die Sowjetarmee sah ebenfalls den Präventivkrieg als Option vor. Nikita Sergejewitsch Chruschtschow erklärte am 14. Januar 1960 vor dem Obersten Sowjet, dass der globale Atomkrieg eine strategische Option sei, die es erlaube, „das Land oder die Länder, die uns überfallen … buchstäblich dem Erdboden gleichzumachen“. 1952 sollte Marschall Pawel Fjodorowitsch Schigarew eine strategische Bomberflotte der UdSSR aufbauen, die in der Lage sein sollte, die USA mit Nuklearwaffen anzugreifen. Entsprechende Luftstützpunkte wurden 1952 in Dikson und auf der Schmidt-Insel eingerichtet, von wo aus modifizierte Tupolew Tu-4 regelmäßig im internationalen Luftraum nahe den US-Basen in Kanada und auf Grönland Einsatzflüge unternahmen.
  • Unter Leonid Iljitsch Breschnew wurde ab 1965 eine Doppelstrategie propagiert. Demnach sollte die UdSSR einen Nuklearkrieg nicht führen, wenn er nicht von den USA bzw. der NATO aufgezwungen werde. Wenn ein Atomkrieg notwendig sei, müsse er auch geführt werden. Notfalls sei ein Präventivschlag denkbar.
  • Perimetr (Tote Hand), steht für ein Atomwaffen-Führungssystem, das im Falle eines nuklearen Enthauptungsschlags, der die sowjetische Führung aktionsunfähig gemacht hätte, einen allumfassenden Gegenschlag automatisch auslösen sollte.
  • Erst unter Michail Sergejewitsch Gorbatschow entwickelte man ab 1987 eine neue Strategie, die der Verhinderung einer militärischen Auseinandersetzung gegenüber der Vorbereitung auf einen möglichen kommenden Krieg Priorität gab.

Einzelnachweise

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  1. Michio Kaku, Daniel Axelrod: To Win a Nuclear War. The Pentagon’s Secret War Planes. South end Press, Boston 1987.
  2. vgl. die ausführliche Darstellung unter The Creation of SIOP-62 More Evidence on the Origins of Overkill National Security Archive Electronic Briefing Book No. 130, gwu.edu, 13. July 2004.
  3. MC 14/3 (Final) (PDF; 186 kB)
  4. Flexible Response- das Konzept der abgestuften Abschreckung
  5. W. Patrick McCray: Project Vista, Caltech, and the dilemmas of Lee DuBridge. In: Historical Studies in the Physical and Biological Sciences. Band 34, Nr. 2, 1. März 2004, ISSN 0890-9997, S. 339–370, doi:10.1525/hsps.2004.34.2.339 (englisch, ucpress.edu [abgerufen am 4. September 2024]).