Obergericht für die Provinz Niederhessen

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Das Obergericht für die Provinz Niederhessen (ab 1851: Obergericht Kassel) war ein zweitinstanzliches Gericht des Kurfürstentums Hessen für den Bereich seiner Provinz Niederhessen mit Sitz in der Stadt Kassel.

Bis zum Tod des Kurfürsten Wilhelm I. 1821 war im Kurfürstentum Hessen ein gewaltiger Reformstau aufgelaufen, da dieser nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf den Thron 1813 viele Reformen rückgängig gemacht und persönlich im 18. Jahrhundert verhaftet geblieben war. Der neue Kurfürst, Wilhelm II., war nicht weniger autokratisch als sein Vater, aber gewillt, den Staat zu modernisieren. Die Staatsverwaltung wurde nach preußischem Muster reformiert. Teil der Justizreform war, für jede der Provinzen des Kurstaates als mittlere Ebene der Gerichtshierarchie ein Obergericht einzurichten.

So erhielt auch die Provinz Niederhessen 1821 ein entsprechendes Obergericht für die Provinz Niederhessen.[1]

Weitere Entwicklung

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Nach dem Aussterben der Linie Hessen-Rotenburg im Jahr 1834 wurden die dortigen Gerichte in kurhessische Gerichte überführt. Die Fürstlich Rotenburgische Justizkanzlei Rotenburg wurde aufgelöst und seine Aufgabe dem Obergericht für die Provinz Niederhessen übertragen. Entsprechend wurden die dortigen Justizämter kurhessische Justizämter und dem Kasseler Obergericht nachgeordnet.

Mit dem Wiedererstarken der Staatsmacht nach der Revolution von 1848 wurden zahlreiche Reformen rückgängig gemacht und dabei auch gleich noch weitere Änderungen vorgenommen. Mit dem Argument, dass dadurch „eine wesentliche Verminderung des Richterpersonals“ möglich sei[2], wurde die Zahl der Obergerichte im Kurstaat auf zwei reduziert: Das Obergericht Kassel und das Obergericht Fulda.[3] Das Obergericht für die Provinz Oberhessen in Marburg und das Obergericht für die Grafschaft Schaumburg in Rinteln wurde aufgelöst. Seine Aufgaben übernahm das Obergericht Kassel.[4] Gleichzeitig wurden Kriminalgerichte neu eingeführt. Diese orientierten sich an den Bezirken des Kurfürstentums Hessen. Dem Obergericht Kassel wurden folgende Kriminalgerichte zugeordnet:

Das aber war noch nicht das Ende: Zum 1. Januar 1864 wurde die Reform der Gerichtsverfassung von 1851 teilweise zurückgenommen, der Zustand von 1822 wieder hergestellt und die Obergerichte in Marburg und Rinteln erneut eingerichtet.[5]

Nach dem verlorenen Krieg von 1866 annektierte das Königreich Preußen das Kurfürstentum Hessen.[6] Damit wurde auch Hanau preußisch und erhielt 1867 eine preußische Gerichtsverfassung.[7] Das Obergericht Kassel wurde funktional durch das preußische Kreisgericht Kassel ersetzt.

Instanzielle Einordnung

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Dem Obergericht für die Provinz Niederhessen übergeordnet war das Oberappellationsgericht Kassel. Der Gerichtsbezirk des Obergerichts für die Provinz Niederhessen umfasste:

Justizamt Sitz Kreis Anmerkungen
Justizamt Abterode Abterode Kreis Eschwege
Justizamt Allendorf Allendorf Kreis Witzenhausen
Justizamt Bischhausen Bischhausen Kreis Eschwege
Justizamt Borken Borken (Hessen) Kreis Homberg
Justizamt Carlshafen Carlshafen Kreis Hofgeismar
Landgericht Kassel Kassel Stadt Kassel
Stadtgericht Kassel Kassel Stadt Kassel
Justizamt Eschwege I Eschwege Kreis Eschwege
Justizamt Eschwege II Eschwege Kreis Eschwege
Justizamt Felsberg Felsberg Kreis Melsungen
Justizamt Fritzlar Fritzlar Kreis Fritzlar
Justizamt Germerode Germerode Kreis Eschwege Aufgelöst 1836 und im Justizamt Abterode aufgegangen[8]
Justizamt Grebenstein Grebenstein Kreis Hofgeismar
Justizamt Großalmerode Großalmerode Kreis Witzenhausen
Justizamt Gudensberg Gudensberg Kreis Fritzlar
Justizamt Hofgeismar Hofgeismar Kreis Hofgeismar
Justizamt Homberg Homberg (Efze) Kreis Homberg
Justizamt Jesberg Jesberg Kreis Fritzlar
Justizamt Lichtenau Lichtenau Kreis Witzenhausen
Justizamt Melsungen Melsungen Kreis Melsungen ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Naumburg Naumburg Kreis Wolfhagen
Justizamt Nentershausen Nentershausen Kreis Rotenburg ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Netra Netra Kreis Eschwege
Justizamt Raboldshausen Raboldshausen Kreis Homberg 1821–1823 Kreis Rotenburg; ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Rotenburg I Rotenburg an der Fulda Kreis Rotenburg ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Rotenburg II Rotenburg Kreis Rotenburg ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Rotenburg III Rotenburg Kreis Rotenburg Aufgelöst 1836 und in Justizamt Rotenburg I und II aufgegangen[9]
Justizamt Sababurg Veckerhagen Kreis Hofgeismar
Justizamt Sontra Sontra Kreis Rotenburg ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Spangenberg Spangenberg Kreis Melsungen ab 1849 zum Obergericht Rotenburg
Justizamt Volkmarsen Volkmarsen Kreis Wolfhagen
Justizamt Wanfried Wanfried Kreis Eschwege
Justizamt Witzenhausen Witzenhausen Kreis Witzenhausen
Justizamt Witzenhausen II Witzenhausen Kreis Witzenhausen Aufgelöst 1836 und in Justizamt Witzenhausen aufgegangen[10]
Justizamt Wolfhagen Wolfhagen Kreis Wolfhagen
Justizamt Zierenberg Zierenberg Kreis Wolfhagen [11]

Einzelnachweise

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  1. §§ 41–46 Verordnung vom 29ten Juni 1821 die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 12 vom Juni 1821, S. 29–61 (39f).
  2. Prolog Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60).
  3. § 6 Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (60).
  4. Provisorisches Gesetz vom 22ten Juli 1851, abändernde Bestimmungen über Organisation der Rechtspflege und das Verfahren in Strafsachen sowie in bürgerlichen Rechtsstreiten enthaltend, Anhang. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 18, Juli 1851, S. 59–72 (72).
  5. §§ 10, 47 Gesetz vom 28ten October 1863, die Gerichtsverfassung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 10, Oktober 1863, S. 97–106 (99, 106).
  6. Gesetz, betreffend die Vereinigung des Königreichs Hannover, des Kurfürstenthums Hessen, des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt mit der Preußischen Monarchie vom 20. September 1866. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 47, S. 555;
    Patent wegen der Besitznahme des vormaligen Kurfürstenthums Hessen vom 3. Oktober 1866. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 51, S. 594f.
    Allerhöchste Proklamation an die Einwohner des vormaligen Kurfürstenthums Hessen vom 3. Oktober 1866. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 51, S. 595f.
  7. Verordnung über die Gerichtsverfassung in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 26. Juni 1867. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 64, S. 1085;
    Verfügung vom 8. August 1867, – betreffend die Einrichtung nach der Allerhöchsten Verordnung vom 26. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen, mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden neuen Gerichte. In: Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege Nr. 31 vom 9. August 1867, S. 221.
  8. Verordnung vom 5. Dezember 1836, die Veränderung einiger Untergerichts- und Kreisamtsbezirke betreffend. In: Sammlung von Gesetzen, Verordnungen, Ausschreiben und anderen allgemeinen Verfügungen für Kurhessen 1836, S. 132.
  9. Verordnung vom 5. Dezember 1836, die Veränderung einiger Untergerichts- und Kreisamtsbezirke betreffend; in: Sammlung von Gesetzen, Verordnungen, Ausschreiben und anderen allgemeinen Verfügungen für Kurhessen, 1836, S. 132, online
  10. Verordnung vom 5. Dezember 1836, die Veränderung einiger Untergerichts- und Kreisamtsbezirke betreffend; in: Sammlung von Gesetzen, Verordnungen, Ausschreiben und anderen allgemeinen Verfügungen für Kurhessen, 1836, S. 132, online
  11. Buddeus, S. 143–144.