Andenkärpflinge

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Andenkärpflinge

Orestias pentlandii, Orestias jussiei, Orestias tschudii

Systematik
Ovalentaria
Überordnung: Ährenfischverwandte (Atherinomorphae)
Ordnung: Zahnkärpflinge (Cyprinodontiformes)
Unterordnung: Cyprinodontoidei
Familie: Orestiidae
Gattung: Andenkärpflinge
Wissenschaftlicher Name der Familie
Orestiidae
Bleeker, 1859
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Orestias
Valenciennes, 1839

Die Andenkärpflinge (Orestias) sind eine Gattung aus der Ordnung der Zahnkärpflinge. Sie bewohnen die Seen, Flüsse, Bäche und Quellen der Anden in Höhenlagen zwischen 2.500 bis 5.000 Metern. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der zentralperuanischen Provinz Ancash im Norden bis an den südlichsten Rand des Altiplanos im Süden. Die größte Artenvielfalt dieser Gattung ist im Titicacasee zu finden. Die beiden kleinsten Arten Orestias minima und Orestias minuta sind nur knapp 3 cm groß. Die größte Art, der Raubkärpfling (Orestias cuvieri), erreicht eine Länge von 22 cm.[1][2]

Andenkärpflinge unterscheiden sich von anderen Zahnkärpflingen durch das Fehlen der Bauchflossen, des Vomers (Gaumenknochen) und des ersten Postcleithrums, eines Deckknochens im Schultergürtel. Die Anzahl der Wirbel beträgt 31–33; die Anzahl der Schuppen entlang der Seitenlinie liegt bei 0 bis 54 und die Anzahl der Branchiostegalstrahlen beträgt 5 oder 6.[1]

Viele Arten aus dieser Gattung sind aufgrund von Umweltverschmutzung und Faunenverfälschung durch Fremdfische selten geworden.[3] Die Gefährdung durch nicht heimische Arten ist am besten für den Titicacasee dokumentiert. Die Einführung verschiedener Lachsfischarten (Salmonidae) und des La-Plata-Ährenfisches (Odontesthes bonariensis) hat vor allem zu einem starken Rückgang der Population von Orestias cuvieri und Orestias pentlandii geführt. Orestias cuvieri ist möglicherweise bereits ausgestorben.[4] Aber auch in den anderen Teilen des Verbreitungsgebietes der Gattung Orestias leben gebietsfremde Fischarten.[2]

Die Gattung Orestias wurde 1839 durch den französischen Zoologen Achille Valenciennes eingeführt. Die ersten Arten dieser Gattung beschrieb er erst sieben Jahre später. Als die US-amerikanische Ichthyologin Lynne R. Parenti im Jahr 1981 die Zahnkärpflinge vom Rang einer Überfamilie in den einer Ordnung hob, stellte sie die Gattung Orestias zusammen mit den Mittelmeerkärpflingen in die Tribus Orestiini der Familie Cyprinodontidae.[1] 2017 wurde die Gattung durch den deutschen Ichthyologen Jörg Freyhof und die beiden türkischen Ichthyologen Müfit Özulug und Gülşah Saç in eine eigenständige Familie (Orestiidae) überführt.[5]

Die phylogenetische Position der Andenkärpflinge ist jedoch nicht genau bekannt. Laut einer im April 2022 veröffentlichten phylogenetische Studie zur Systematik der Zahnkärpflinge bilden sie zusammen mit den Aphaniidae und Valenciidae aus Europa, Vorderasien und Nordafrika eine monophyletische Gruppe.[6] Eine phylogenetische Studie, die im Juni 2024 veröffentlicht wurde, zeigt eine nahe Verwandtschaft der Andenkärpflinge mit der südamerikanischen Gattung Fluviphylax[7], was aus biogeographischer Sicht wesentlich wahrscheinlicher ist.

Für die am weitesten verbreitete und variabelste Art Orestias agassizii finden unterschiedliche Schreibweisen Verwendung. Der Grund dafür ist, dass bereits in der wissenschaftlichen Erstbeschreibung dieser Art mit "agassizii", "agassisii" und "agassi" unterschiedliche Schreibweisen zu finden sind. Da sich der Name auf Louis Agassiz bezieht, ist "agassizii" die richtig gebildete Schreibweise. Die anderen beiden Schreibweisen könnten also als Schreibfehler angesehen werden. Wenn sie nicht als Schreibfehler angesehen werden, dann ist Garman (1895) der erste Überarbeiter, welcher "agassizii" als korrekte Schreibweise festgelegt hat.[8] In beiden Fällen sollte der richtige Name also Orestias agassizii lauten.

Parenti (1984) listete 43 gültige Arten innerhalb der Gattung Orestias. In den Jahren 1987, 2012 und 2017 wurden drei weitere Andenkärpflinge beschrieben. Die im Jahr 2017 beschriebene Art wurde in einer neuen Gattung, Pseudorestias, beschrieben. Diese insgesamt 46 Arten und die beiden Gattungen sind nach Eschmeyer's Catalog of Fishes gültig.[8] Die Arbeiten von Laurent Lauzanne[9][10] und Gérard Loubens[11], sowie neuere genetische Arbeiten[12][4][13][14][15][16] lassen jedoch andere Schlussfolgerungen über die Anzahl der Arten und deren Verwandtschaft zu. Höchstens 32 der bisher beschriebenen Arten können als gültig angesehen werden.

Orestias Valenciennes, 1846 (Synonym: Pseudorestias ArratiaVilaLamGuerrero & Quezada-Romegialli, 2017)

  • O. agassizii-Gruppe
(die sechs Syntypen aus dem Antonio-See östlich von Cusco stellen möglicherweise eine andere Art dar, lediglich die beiden Syntypen aus dem Rio Corocoro südlich des Titicaca-Sees sind mit Sicherheit O. agassizii)
Synonyme: Orestias affinis Garman, 1895; O. ascotanensis Parenti, 1984; O. chungarensis Vila & Pinto, 1987; O. agassizii var. crequii Pellegrin, 1904; O. ctenolepis Parenti, 1984; O. frontosa Cope, 1876; O. gloriae VilaScott & Mendez, 2012; O. agassizii var. inornata Pellegrin, 1904; O. laucaensis Arratia, 1982; O. multiporis Parenti, 1984; O. ortonii Cope, 1876; O. parinacotensis Arratia, 1982; O. pequeni Tchernavin, 1944; O. piacotensis Vila, 2006; O. richersoni Parenti, 1984; O. agassizii var. senechali Pellegrin, 1904; O. tirapatae Boulenger, 1902; O. tschudii Castelnau, 1855; O. agassizii var. typica Pellegrin, 1904; O. uyunius Fowler, 1940; Pseudorestias lirimensis ArratiaVilaLamGuerrero & Quezada-Romegialli, 2017
(unter den 14 Syntypen von O. affinis könnten sich Hybriden mit dem O. lutea-Komplex befinden)
  • O. cuvieri-Komplex
Synonym: Orestias humboldti Valenciennes, 1846
(unter den 26 Syntypen von O. humboldti befinden sich ein bis maximal drei Exemplare von O. pendtlandii)
(unter den vier Syntypen befinden sich ein bis zwei Exemplare von O. cuvieri)
Synonym: Orestias bairdii Cope, 1876
  • O. lutea-Komplex
    Orestias lutea
Synonym: Orestias neveui Pellegrin, 1904
Synonyme: Orestias farfani Parenti, 1984; O. cypho Fowler, 1916; O. olivacea Garman, 1895; O. rotundipinnis Parenti, 1984
(unter den sechs Syntypen von O. olivacea befinden sich ein bis maximal drei Hybriden mit O. agassizii)
  • O. mulleri-Komplex (wahrscheinlich bezeichnen nicht alle der aufgelisteten Namen eigenständige Arten)
  • incertae sedis (Arten außerhalb des Altiplanos; wahrscheinlich bezeichnen nicht alle der aufgelisteten Namen eigenständige Arten)

Neben den 28 oben gelisteten Synonymen gibt es noch fünf weitere Namen, die als ungültige Namen betrachtet werden müssen:

  • Orestias rospigliosii Eigenmann & Allen, 1942
  • nomina hybrida (Hybriden zwischen O. agassizii und dem O. lutea-Komplex)
(bei den drei Syntypen aus der Region von Cusco handelt es sich nicht um O. jussiei, lediglich bei den drei Syntypen aus dem Titicaca-Becken (direkt aus dem See und aus dem 'rivière de Guasacona' = Huasacona, Puno) handelt es sich um O. jussiei)[9]
  • Orestias puni Tchernavin, 1944
  • Orestias silustani Allen, 1942
(bei den 17 Paratypen handelt es sich wahrscheinlich um junge Tiere von O. lutea)
  • Laurent Lauzanne: Fish Fauna. In: C. Dejoux, A. Iltis (Hrsg.): Lake Titicaca: a synthesis of limnological knowledge. Kluwer Academic Publishers, 1992, S. 405–448, ISBN 0-7923-1663-0.
  • Lynne R. Parenti: A taxonomic revision of the Andean Killifish Genus 'Orestias' (Cyprinodontiformes, Cyprinodontidae). Bulletin of the American Museum of Natural History, Vol. 178, 1984, S. 107–214. PDF Volltext

Einzelnachweise

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  1. a b c Lynne R. Parenti: A phylogenetic and biogeographic analysis of cyprinodontiform fishes (Teleostei, Atherinomorpha). Bulletin of the American Museum of Natural History; Band 168, Article 4, 1981, Seite 525.
  2. a b Global Biodiversity Information Facility https://www.gbif.org/
  3. Villwock, Wolfgang, 1972. Gefahren für die endemische Fischfauna durch Einbürgerungsversuche und Akklimatisation von Fremdfischen am Beispiel des Titicacas-Sees (Peru/Bolivien) und des Lanao-Sees (Mindanao/Philippinen). Verhandlungen des Internationalen Vereins für Limnologie. 18 (1227–1234).
  4. a b de Sostoa (2010): Estudio genético de las especies íctias nativas del Lago Titicaca. Caracterización y estructura poblacional. Informe Final. Ministerio de la Producción - PRODUCE
  5. Jörg Freyhof, Müfit Özuluğ & Gülsah Saç (2017): Neotype designation of Aphanius iconii, first reviser action to stabilise the usage of A. fontinalis and A. meridionalis and comments on the family group names of fishes placed in Cyprinodontidae (Teleostei: Cyprinodontiformes). Zootaxa, 4294 (5): 573–585. doi:10.11646/zootaxa.4294.5.6
  6. Kyle R. Piller, Elyse Parker, Alan R. Lemmon, Emily Moriarty Lemmon: Investigating the utility of Anchored Hybrid Enrichment data to investigate the relationships among the Killifishes (Actinopterygii: Cyprinodontiformes), a globally distributed group of fishes. Molecular Phylogenetics and Evolution, April 2022, 107482, doi:10.1016/j.ympev.2022.107482
  7. Morales et al. (2024): Genomes of the Orestias pupfish from the Andean Altiplano shed light on their evolutionary history and phylogenetic relationships within Cyprinodontiformes. BMC Genomics (2024) 25:614
  8. a b Eschmeyer's Catalog of Fishes
  9. a b Lauzanne (1982): Les Orestias (Pisces, Cyprinodontidae) du Petit lac Titicaca. Rev. Hydrobiol. trop. 15 (1): 39-70.
  10. Lauzanne (1995): Native species. The Orestias. In Dejoux & Iltis (1995): Lake Titicaca - A Synthesis of Limnological Knowledge. Kluwer Academie Publishers, ISBN 0-7923-1663-0
  11. Loubens (1989): Observations sur des poissons de la partie bolivienne du lac Titicaca. IV. Orestias spp., Salmo gairdneri et problèmes d’aménagement. Rev. Hydrobiol. trop. 22 (2)
  12. Lüssen (2003): Zur Systematik, Phylogenie und Biogeographie chilenischer Arten der Gattung Orestias V ALENCIENNES, 1839 (Teleostei, Cyprinodontidae): Morphologische, biochemische und molekularbiologische Befunde. Dissertation, Universität Hamburg.
  13. Esquer-Garrigos et al. (2013): Non-invasive ancient DNA protocol for fluid-preserved specimens and phylogenetic systematics of the genus Orestias (Teleostei: Cyprinodontidae). Zootaxa 3640 (3): 373 –394 doi:10.11646/zootaxa.3640.3.3
  14. Esquer-Garrigos et al. (2015): Detecting natural hybridization between two vulnerable Andean pupfishes (Orestias agassizii and O. luteus) representative of the Altiplano endemic fisheries. Conserv Genet (2015) 16:717–727 doi:10.1007/s10592-015-0695-3
  15. Quezada-Romegialli et al. (2015): The complete mitochondrial genome of the killifish Orestias sp. (Cyprinodontiformes, Cyprinodontidae) from the high Andean range. Mitochondrial DNA A DNA Mapp Seq Anal. 2016 Jul;27(4):2840-1. doi:10.3109/19401736.2015.1053119. Epub 2015 Jun 29. PMID 26119115.
  16. Takahashi & Moreno (2015): A RAD-based phylogenetics for Orestias fishes from Lake Titicaca. Molecular Phylogenetics and Evolution 93 (2015) 307–317. doi:10.1016/j.ympev.2015.08.012
Commons: Andenkärpflinge (Orestias) – Sammlung von Bildern
  • Zur Systematik, Phylogenie und Biogeographie chilenischer Arten der Gattung Orestias VALENCIENNES, 1839 - Dissertation von Arne Lüssen (2003) (PDF, Volltext (Memento vom 22. Mai 2011 im Internet Archive); PDF; 6,8 MB)
  • Orestias auf Fishbase.org (englisch)