Die Orgel der Atlantic City Convention Hall in Atlantic City (New Jersey) ist die größte Orgel der Welt. Sie wurde zwischen Mai 1929 und Dezember 1932 als Opus 5550 von der Orgelbauwerkstatt Midmer-Losh erbaut.[1]
Sie ist eine anglo-amerikanische, orchestrale Konzertorgel[2] zur Beschallung des 420.000 f³ (ca. 11.900 m³) großen Raumes. Die enorme nötige Lautstärke wird durch Hochdruckregister erzeugt. Fast alle Teilwerke werden mit Winddrücken von 500 bis 900 mmWS betrieben, was sechs- bis zehnmal über den üblichen Werten liegt.
Ihren bisherigen Rang als lauteste Orgel der Welt musste sie jedoch inzwischen an die einregistrige FreiluftorgelVox Maris in Yeosu (Südkorea) abtreten.
Die Planung für die Orgel entwarf 1929 Senator Emerson Richards. Die Orgel sollte ohne sichtbaren Prospekt hinter Ziergittern die Halle von mehreren Seiten beschallen. Der Bauauftrag ging zum Preis von 347.200 $ an die amerikanische Orgelbaufirma Midmer-Losh (Merrick (New York)). In einem Zusatzvertrag wurde der Preis nochmals um 100.000 $ erhöht. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, in deren Verlauf Midmer-Losh, Richards und Atlantic City bankrottgingen, kam es zu Verzögerungen. Am 11. Mai 1932 wurde die Orgel schließlich erstmals in einem öffentlichen Konzert gespielt. Die Orgel wurde meist zur musikalischen Untermalung von Unterhaltungsveranstaltungen genutzt und nur selten als Konzertorgel eingesetzt. Bei einem Hurrikan wurde die Orgel 1944 schwer beschädigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde versucht, die Schäden zu beheben.[3]
Von den acht Orgel-Teilen konnte Stand 1998 nur die Right Stage Chamber Töne erzeugen, welche allerdings auch seit langer Zeit nicht gestimmt worden war. Es fehlte seit Jahrzehnten das Geld für notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten der gigantischen Orgel, so dass im Jahr 1998 nur noch 96 Register bzw. 131 Pfeifenreihen spielbar waren. So funktionierte das Kombinationssystem, welches niemals einwandfrei funktionierte, schon seit Jahrzehnten gar nicht mehr.
Es gibt einen gemeinnützigen Verein, die Atlantic City Convention Hall Organ Society (ACCHOS), welcher die Instandsetzung der Orgel betreibt.[4] Seit 1998 gibt es Bemühungen, die Mittel für eine Renovierung und Restaurierung durch Spenden aufzubringen. So wurden im September 1998 der spielbare Teil (die Right Stage Chamber) und einige einzelne Register für Aufnahmen hergerichtet. Das Ergebnis ist eine Aufnahme der Rekordhalter Diaphone-Dulzian 64′, sowie der 2540mmWS-Register Tuba Imperial und Grand Ophicleide.
Nach einer aufwändigen Sanierung der nunmehr Boardwalk Hall genannten Convention Hall im Jahr 2001 war die Orgel einige Zeit lang komplett unspielbar und immer noch in einem sehr schlechten Zustand. Der Zugang zu den beiden Oberwerken Left Upper und Right Upper wurde durch Asbestfunde behindert, so dass Wartungsarbeiten nicht ohne eine vorhergehende Asbestsanierung ausgeführt werden konnten. Durch einen Wasserschaden sind weitere Teile der Orgel unbrauchbar geworden. Im Großen und Ganzen waren zu diesem Zeitpunkt nur noch das rechte Pedal, sowie die Teile Great, Great-Solo und Solo, die sich alle in der Right Stage Chamber befinden, spielbar.
Bis 2008 wurde die Right Stage Chamber wieder auf den spielbaren Stand von 1998 gebracht. Im Oktober 2008 begann eine groß angelegte Untersuchung der Windladen der derzeit nicht spielbaren Teilwerke. In der nächsten Etappe wurde das Teilwerk Swell spielbar gemacht. Mittlerweile wurden (2008) auch betroffene Bereiche asbestsaniert und in allen Teilwerken der Orgel eine neue Beleuchtungs- sowie eine Sprinkleranlage und ein System zur Erkennung von eindringendem Wasser eingebaut.
2020 wurden 53 % der Substanz der Orgel als funktionsfähig bezeichnet. Nicht spielbar waren zu diesem Zeitpunkt unter anderem die Werke: Enclosed Choir, Fanfare, Echo, Gallery I, Gallery II, Gallery III, Gallery IV, String II, String III, Brass Chorus. Es gibt montags bis freitags mittags halbstündige Orgelvorführungen bei freiem Eintritt.[1]
2021 wurden unter anderem die zwei 100"-Zungenregister (= 2540 mm WS) Trumpet mirabilis und Tuba maxima der Gallery I division restauriert und wieder spielbar gemacht.[5] Des Weiteren befindet sich das Werk Enclosed Choir zurzeit in Restaurierung und soll voraussichtlich 2022 wieder erklingen.
Die Orgel wird im Guinness-Buch der Rekorde als „größte Pfeifenorgel“, „größtes Musikinstrument“ und als „lautestes jemals gebautes Musikinstrument“ geführt. Offiziell besitzt sie 33.112 Pfeifen, wobei die genaue Zahl nicht bekannt ist und Experten diese eher auf unter 32.000 schätzen.
Die Orgel ist die einzige auf der Welt, die Hochdruckregister mit einem Winddruck von 2540 mmWS (100″ windpressure) besitzt (übersteigt den üblichen Winddruck einer Orgel um das 20- bis 30-fache) und eine von nur drei mit Registern auf 1270 mmWS (50″ windpressure). Selbst übliche Hochdruckregister werden nur mit 250 bis 300 mmWS betrieben. Die Orgel besitzt vier Register auf 2540 mmWS und zehn auf 1270 mmWS:
2540 mmWS:
Registername
Werk
Grand Ophicleide 16′
Pedal
Tuba Imperial 8′
Solo
Trumpet Mirabilis 16′
Gallery
Tuba Maxima 8′
Gallery
1270 mmWS:
Registername
Werk
Diaphone 32′
Pedal
Tuba Magna 16′
Solo
Bugle 8′
Solo
Bombard 32′
Pedal
Major Posaune 16′
Pedal
Diaphone Phonon 16′
Pedal
Posaune 16′
Fanfare
Harmonic Tuba 8′
Fanfare
Ophicleide 8′
Fanfare
Major Clarion 4′
Fanfare
Das Register Grand Ophicleide 16′ wurde vom Guinness-Buch der Rekorde bis Oktober 2011 als das lauteste Orgelregister der Welt geführt.[6]
Die gesamte Orgel wird mit Wind aus sieben Gebläsen mit einer Gesamtleistung von 745,7 kW (1013,9 PS) versorgt, was auch weltweit einzigartig ist. Die Right Stage Chamber als auch die Left Stage Chamber besitzen jeweils zwei Gebläse, je eines für Winddrücke von 1270 mmWS und eines für normalen Wind. Die Left Centre Chamber und Left Upper Chamber teilen sich ein Gebläse, da diese keine so hohen Winddrücke benötigen. Genauso verhält es sich auch auf der rechten Seite. Lediglich für die 2540 mmWS-Register ist dort noch ein besonders starker Kompressor vorhanden.
Die Orgel besitzt eines von lediglich zwei komplett ausgebauten 64′-Registern der Welt, den Diaphone-Dulzian, auch Diaphone Profunda genannt. Die größte Pfeife (Subsubkontra-C), eine hölzerne Zungenpfeife, ist über 20 Meter lang. Das Register steht auf einem Winddruck von 850 mmWS und seine tiefsten Töne können nicht gehört (der tiefste Ton C3 hat eine Frequenz von ca. 8,2 Hz), sondern, besonders in der Nähe zur Right Stage Chamber, nur als Körperschall wahrgenommen werden. Das andere bis zum C3 ausgebaute 64′-Register der Welt, die Contra Trombone der Orgel in der Sydney Town Hall, ist ein Zungenregister mit voller Becherlänge.
Diaphone-Dulzian ist insgesamt eine Pfeifenreihe, die vom C3 bis zum g2 ausgebaut ist. Aus dieser Pfeifenreihe werden durch Oktav- und Quintextensionen die Register Diaphone-Dulzian in den Fußlagen 64′, 422/3′, 32′, 211/3′, 16′, 102/3′, 8′ und 4′ gewonnen. Durch die Kombination der Register zu 64′ und 422/3′ entsteht ein akustisches 128′-Register.
Die Atlantic-City-Convention-Hall-Orgel hat im Vergleich zur Wanamaker-Orgel weniger Pfeifenreihen (449 im Gegensatz zu 462 bei der Wanamaker-Orgel). Auch wiegt sie fast nur halb so viel (150 Tonnen im Vergleich zu 287 Tonnen). Andererseits hat die Convention-Hall-Orgel 5000 Pfeifen mehr und besitzt drei Einträge im Guinnessbuch der Rekorde.
Angesichts der Tatsache, dass die Atlantic-City-Convention-Hall-Orgel nicht komplett bespielbar ist und trotzdem Einträge im Guinnessbuch hat, wird die Wanamaker-Orgel häufig als die größte spielbare Orgel der Welt bezeichnet. Die Wanamaker-Orgel ist in einem sehr guten Zustand und wurde erst kürzlich überholt.
Die Orgel ist wie eine Raumklanganlage um den Publikumsraum gebaut und in acht Teile gegliedert, auf die die einzelnen Werke verteilt sind.
Welche Werke sich in welchen Kammern befinden und über welches Manual diese bespielbar sind, ist sehr kompliziert und auch aus der Disposition nicht klar ersichtlich. Folgendes Diagramm soll die Anordnung im Raum verdeutlichen:
Left Stage Pedal Left, Unenclosed Choir Swell, String I Swell-Choir
Bühne
Right Stage Pedal Right, Great, Solo Great-Solo (Flutes) Great-Solo (Reeds)
Left Forward Choir Percussion
Right Forward Brass Chorus String II
Left Centre Gallery III (Diap's) Gallery IV (Orch)
Left Upper Fanfare String III
die Upper chambers sind oberhalb der Centre chambers angeordnet
Right Upper Echo
Right Centre Gallery I (Reeds) Gallery II (Flutes)
Der Spieltisch ist der größte der Welt. Er besitzt 1235 Registerwippen zum Registrieren der 587 Labialregister, 265 Zungenregister, 35 melodische und 46 unmelodische Perkussionsregister, 164 Koppeln, 18 Tremulanten und 120 Kombinationen, sechs Schwelltritte und einen Crescendo-Schweller. Er ist ebenfalls der einzige Spieltisch mit sieben Manualen. Auch haben die unteren Manuale einen größeren Tonumfang (bis sieben Oktaven). Die Manuale von oben nach unten:
VII
Bombard
5 Oktaven, 61 Tasten, C-c4
VI
Echo
5 Oktaven, 61 Tasten, C-c4
V
Fanfare
5 Oktaven, 61 Tasten, C-c4
IV
Solo
5 Oktaven, 61 Tasten, C-c4
III
Swell
6 Oktaven, 73 Tasten, G1-g4
II
Great
7 Oktaven, 85 Tasten, C1-c5
I
Choir
7 Oktaven, 85 Tasten, C1-c5
Die Register von Choir, Great und Swell sind jeweils nur bis zum normalen C ausgebaut. Die tiefere Oktave dient nur zum Anspielen der Hilfswerke Grand Choir bzw. Grand Great, welche die Unitreihen der jeweiligen Pedaldivision (links Choir, rechts Great) in verschiedensten Fußtonlagen im Manual spielbar macht. Des Weiteren erklingen in diesem Bereich der Klaviatur die Töne von gezogenen Unitregistern im Manual, sofern sie in dieser Lage existieren.
↑Die Register des Werkes Grand Choir sind allesamt Transmissionen aus dem Werk Pedal Left und dienen unter anderem dazu auch in der ausgebauten Kontraoktave der Klaviatur angespielt werden zu können.
↑Die Register des Werkes Grand Great sind allesamt Transmissionen aus dem Werk Pedal Right und dienen unter anderem dazu auch in der ausgebauten Kontraoktave der Klaviatur angespielt werden zu können.
↑Das Werk Choir-Swell (I), ist ebenso unter dem Namen Swell-Choir auf dem III. Manual spielbar. Die Register sind identisch.
↑Das Werk Great-Solo (II), ist ebenso unter dem Namen Solo-Great auf dem IV. Manual spielbar. Die Register sind identisch.
↑Die Register des Werkes Pedal Left Gallery sind allesamt Transmissionen aus den Werken Gallery 3, Gallery 4, Fanfare und Choir
↑Die Register des Werkes Pedal Right Gallery sind allesamt Transmissionen aus den Werken Gallery 1, Gallery 2, Echo und String II
Die Orgel besitzt sechs Schwelltritte (der siebte Schwelltritt rechts außen ist das Registercrescendo) und fünfzehn schwellbare Teilwerke. Diese fünfzehn Schwellwerke können jedem der sechs Schwelltritte frei zugeordnet werden. Des Weiteren können fünf dieser Werke auch Reverse zugeordnet werden. Dies bedeutet, dass die Jalousiesteuerung genau umgekehrt zur Betätigung des Schwelltrittes funktioniert.
Die fünfzehn schwellbaren Werke sind im Einzelnen:
Von 1930 bis April 1931 erbaute die Firma W.W. Kimball (Chicago) als Opus 7073 für $ 47.550 eine Orgel mit 42 Registern im Ballroom. 2020 wurden 95 % der Substanz der Orgel als spielbar bezeichnet.[1]
Das Instrument besitzt 23 Multiplexreihen im Sinne amerikanischer Theaterorgeln und 19 straight (d. h. ohne Extensionen) ausgebaute Register. Die Disposition lautet wie folgt:[7]
Spielhilfen: 8 Generalkombinationen, 8 Werkkombinationen, Tutti, Registercrescendo, Diverse Tremulanten, Second Touch für Accompainment (I), Orchestral (II) und Pedal
William H. Barnes und Edward B. Gammons: Two centuries of American organ building. Fischer & Bro, Glen Rock (New Jersey) 1970, S.86.
Orpha Caroline Ochse: The history of the organ in the United States. Indiana University Press, Bloomington & London 1975, ISBN 0-253-32830-6, S.362–363.
Stephen D. Smith: The Atlantic City Convention Hall Organ—A Pictorial Essay About the World’s Largest Pipe Organ. ACCHOS, Peter E. Randall, Portsmouth, N.H. 2001, ISBN 0-9708494-1-9.
Stephen D. Smith: Atlantic City's Musical Masterpiece—The Story of the World’s Largest Pipe Organ. ACCHOS, Peter E. Randall, Portsmouth, N.H. 2002, ISBN 0-9708494-4-3.
Bach on the biggest. 1956, Mercury MG 50127 (Mono) und SR 90127 (Stereo) (Robert Elmore spielt auf der Main Auditorium Organ Werke von Bach).
Boardwalk Pipes. 1956, Mercury MG 50109 (Mono) und SR 90109 (Stereo) (Robert Elmore spielt auf der Main Auditorium Organ).
Atlantic City Renaissance. 1977, Alphasound AS-1102 (Curt Haessner spielt auf der Main Auditorium Organ und der Ballroom Organ).
The Main Auditorium Organ, The Convention Hall Atlantic City. 1998, ACCHOS, CD (Timothy Hoag und andere spielen auf der Main Auditorium Organ).
Deck the Hall (Weihnachtsmelodien, gespielt auf beiden Orgeln der Boardwalk Hall), erschienen 2020, Herausgeber: Historic Organ Restoration Committee, Inc., 2301 Boardwalk, Atlantic City, NJ.[8]
↑Vgl. Hans Uwe Hielscher: Berühmte Orgeln in den USA (2002), Seite 170
↑Orpha Caroline Ochse: The history of the organ in the United States. Indiana University Press, Bloomington & London 1975, ISBN 0-253-32830-6, S.362–363.