Die Orgeln der Bovenkerk (Kampen) sind die große Hauptorgel auf der Westempore und die kleine Chororgel in der gotischen Bovenkerk im niederländischen Kampen. Erstere hat im Wesentlichen im Jahr 1743 ihre heutige Gestalt durch Albertus Antonius Hinsz erhalten und verfügt heute über vier Manuale und 56 Register. Des Weiteren befinden sich eine zweimanualige Chororgel der Firma Reil aus dem Jahr 1999 mit 29 Registern und ein kleines Orgelpositiv von Sicco Steendam aus dem Jahr 2012 mit einem Register in der Kirche.
Um 1400 muss bereits eine Orgel vorhanden gewesen sein, da im Jahr 1403 ein Nicolaus Koleman als „die orghaniste“ bezeugt ist.[1] Ob der um 1460 in Kampen ansässige Orgelbauer Jacob van Bilsteyn an der Orgel tätig war, ist nicht unwahrscheinlich, konnte bisher aber urkundlich nicht nachgewiesen werden. Nach 1460 ist von Organisten im Plural die Rede, was nahelegt, dass die Kirche mittlerweile über eine größere Orgel verfügte. Im Jahr 1524 wird die Bezahlung einer größeren Orgel von „meester Johan van Kovelens“ (J. van Covelen) geregelt. In den weiteren Rechnungen von Kovelens zwischen 1527 und 1542 wird neben einem gewissen „meester hans“ auch der Meisterknecht Hendrik Niehoff erwähnt.[1] Eine umfangreiche Sanierung mit einem Erweiterungsumbau fand 1570 durch Casper Noster statt. Im 16. Jahrhundert besaß die Kirche zudem eine zweite, kleinere Orgel mit zwei Manualen. Nicht bekannt ist, wann dieses Instrument abgetragen wurde. Durch die Gebrüder Cornelis und Michael Slegel ist im Jahr 1581 eine Reparatur der großen Orgel bezeugt. Wartungsarbeiten verrichtete in den Jahren 1626 bis 1647 Johan Morleth.[1]
Im Zuge der Arbeiten am Westturm wurde die alte Orgel 1669 zunächst abgebaut. 1670 wurde in einem Kontrakt ein Neubau beschlossen, für den die fünf vorhandenen Windbälge und brauchbares Pfeifenmaterial aus der Vorgängerorgel übernommen werden sollte. Der Bau verzögerte sich durch den Einfall von Truppen aus Münster und Frankreich. 1676 wurde die neue Orgel am Nordportal fertiggestellt. Die rekonstruierte Disposition von 1670 lautete wie folgt:[2]
Aus optischen und akustischen Gründen wurde die Slegel-Orgel im Jahr 1686/87 wieder auf die Westempore platziert. Vermutlich aus dieser Zeit stammen die Fresken an der Turmwand hinter der Orgel. In den Jahren 1694 bis 1712 führte Johan Duyschot Wartungs- und Reparaturarbeiten durch, möglicherweise auch kleine Dispositionsveränderungen. Denn nach der sorgfältig erstellten Beschreibung des Zustands vor 1741 durch Hinsz besaß das Instrument gegenüber der Disposition von 1670 noch drei weitere Register: Prestant 16′, Trompet 16′ und Cornet 8′, wies aber kein Pedal mehr auf. Möglicherweise war es in ein drittes Manualwerk umgebaut worden.[3]
Im Jahr 1741 konnte der berühmte Albertus Antonius Hinsz, der in den Niederlanden die Schule von Arp Schnitger fortführte, für eine Restaurierung und einen Erweiterungsumbau gewonnen werden. Durch Hinsz wurde die heutige Orgel in optischer Hinsicht und im klanglichen Charakter entscheidend geprägt. Hinsz erweiterte den Klaviaturumfang und die Disposition, ergänzte ein drittes Manual und ersetzte die Traktur, Windanlage und die Windladen. Das Pedal war nur angehängt. Mithin war dies das größte Instrument von Hinsz (III/P/33). Bis zu seinem Tod im Jahr 1785 wurde Hinsz mit der Wartung betraut. Die Disposition sah nun folgendermaßen aus:[2]
I Rugwerk C–c3
Prestant*
08′
Holpijp
08′
Octaaf*
04′
Fluit
04′
Gedekte Quint0
03′
Octaaf
02′
Sifflet**
02′
Mixtuur III–IV**
Sexquialter III**
Dulciaan*
08′
Tremulant
II Hoofdwerk C–c3
Prestant*
16′
Bourdon*
16′
Prestant
08′
Holpijp
08′
Octaaf
04′
Fluit
04′
Quint
03′
Octaaf
02′
Mixtuur III–V*0
Scherp III
Tertiaan II
Trompet*
16′
Trompet*
08′
III Bovenwerk C–c3
Prestant*
08′
Quintadeen
08′
Roerfluit*
08′
Octaaf
04′
Fluit
04′
Speelfluit*
03′
Gemshoorn
02′
Nasard
11⁄2′
Scherp III
Vox Humana0
08′
Tremulant
Die mit * gekennzeichneten Register sind neu von Hinsz, die mit ** sind teilweise neu von Hinsz
Nach dem Tod von Hinsz entstanden Pläne für eine Erweiterung der Orgel um ein selbstständiges Pedal. Heinrich Hermann Freytag, Meisterschüler von Hinsz, führte zusammen mit Frans Casper Snitger jr., dem Enkel Arp Schnitgers und Stiefsohn von Hinsz, die Werkstatt des Lehrmeisters in Groningen fort. Sie ergänzten das Instrument um ein freies Pedal und ein kleines Brustwerk und nahmen kleine Dispositionsänderungen vor (IV/P/46).
Im 19. Jahrhundert wurden verschiedene Reparaturen und Dispositionsänderungen vorgenommen. J. C. Scheuer tauschte im Jahr 1817 einzelne Register aus. A. van Gruisen ersetzte weitere Stimmen und pflegte die Orgel bis 1839. Zwier van Dijk führte weitere Reparaturarbeiten durch und ersetzte und ergänzte einige Stimmen.
Eine Neffe von Zwier van Dijk mit Namen J. Proper übernahm 1894 bis 1937 die Pflege, die Firma Sanders in den Jahren 1938 bis 1957. Während der Restaurierung der Bovenkerk (1957–1966) wurde die Orgel ausgelagert, 1965 aber das Rückpositiv wieder eingebaut, um ein Instrument zur Begleitung des Gemeindegesangs zu haben. Die Restaurierung der Orgel durch die Firma Bakker & Timmenga dauerte bis 1976. Die schwierige Grundsatzfrage, welchen Zustand man zugrunde legen sollte, wurde durch eine zweite Oberwerklade gelöst, auf der das Pfeifenwerk aus den Jahren zwischen 1790 und 1866 beibehalten werden konnte. Verlorene Register wurden rekonstruiert. Bis 1999 übernahm Bakker & Timmenga die Wartung. Seit dem Jahr 2000 versieht der Orgelbau Gebr. Reil die Pflege.
Neben der Hinsz-Orgel befindet sich seit 1999 eine Chororgel in der Kirche. Als Besonderheit befindet sich ein Trompetenregister über dem Gehäuse des Oberwerks. Aufgrund der unterschiedlichen Stimmungen / Tonhöhe können Haupt- und Chororgel nicht gleichzeitig gespielt werden. Die Disposition umfasst 28 Register auf zwei Manualen, einem nur im Diskant ausgebauten Récit mit nur einem einzelnen Register und Pedal:[4]
Im Jahr 2012 baute Sicco Steendam ein Orgelpositiv, das als Continuo-Instrument eingesetzt wird. Die Orgel verfügt über ein tragendes Register (Holpijp 8′), das auf die Raumgröße abgestimmt ist. Der Manualumfang umfasst CDEFGA–c3. Die Stimmtonhöhe lässt sich flexibel von 415 Hz bis 442 anpassen.[5]
Maarten A. Vente: Die Brabanter Orgel. Zur Geschichte der Orgelkunst in Belgien und Holland im Zeitalter der Gotik und der Renaissance. H. J. Paris, Amsterdam 1963.