Orgeln des Königsberger Doms
Die Orgeln des wiederaufgebauten Königsberger Doms sind eine viermanualige Hauptorgel mit 90 Registern und eine zweimanualige Chororgel mit 32 Registern, die 2006/07 durch die Schuke Orgelbau in Kaliningrad gebaut wurden. Beide sind elektronisch miteinander verbunden und können gemeinsam gespielt werden. Die Hauptorgel ist die größte Orgel Russlands.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Älteste Orgeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1333 wurde in den Plänen zum Bau des Domes auch eine Orgel auf dem Lettner vorgesehen. Dies ist die älteste erhaltene Erwähnung eines solchen Instruments im gesamten Baltikum.[1] 1582 bat der Rat der Stadt Königsberg den Lübecker Orgelbauer Julius Anthoni vergeblich um den Bau einer neuen Orgel für den Dom.[2] Wer 1586/87 dann ein solches neues Instrument baute, ist unbekannt, möglich wäre Joachim Zickermann.[3] Diese Orgel war mit 59 Registern die größte in Preußen und Hinterpommern. Sie verfügte über ein Oberwerk mit 16 Stimmen, ein Rückpositiv mit 18 Stimmen, ein Brustpositiv mit sieben Stimmen und ein Pedal mit 18 Stimmen. An Nebenzügen sind acht Nebenregister bekannt.[4]
Mosengel-Orgel von 1721
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Jahren 1718 bis 1721 wurde ein neues Instrument von Johann Josua Mosengel gebaut.[5] Dieses hatte drei Manuale mit einem Hauptwerk mit 17 Registern, einem Oberpositiv mit 14 Registern, einem Brustpositiv mit sieben Registern und einem Pedal mit 20 Registern. Sie wurde 1721 eingeweiht.
Es folgten insgesamt fünf Umbauten. Adam Gottlob Casparini setzte das Werk ab 1742 fort. Dessen Orgelbaugeselle Johann Preuss (1722–1798) sowie Wilhelm Braveleit (?–1795) werden ebenfalls als Orgelbauer am Dom erwähnt,[6] bis 1888 die Orgel von Max Terletzki gänzlich umgebaut wurde.
Neubau 1928/29
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Jahren 1928/1929 entstand hinter dem barocken Prospekt einschließlich der Prospektpfeifen ein völlig neues Instrument der Firma P. Furtwängler & Hammer. Diese Orgel erhielt drei Manuale und Pedal mit insgesamt 64 Registern und pneumatischen Trakturen.[7]
Mit dem Dom wurde die Orgel durch die Luftangriffe auf Königsberg Ende August 1944 zerstört.
Heutige Orgeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beim Wiederaufbau des Doms, der in den 1990er Jahren begonnen wurde, herrschte zunächst keine Priorität für ein neues Orgelinstrument. Erst bei einem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahre 2005, dessen Frau Ljudmila aus Kaliningrad stammt, konnte die Finanzierung eines Orgelneubaues angestoßen werden. Beauftragt wurde die Alexander Schuke Potsdam Orgelbau in Werder (Havel). Insgesamt wurden 4 Millionen Euro von der russischen Führung für die zwei neuen Instrumente übernommen.[8] Die Chororgel konnte 2006 eingeweiht werden, die große Hauptorgel am 12./13. Januar 2008 mit einem festlichen Konzert.[9][10]
Hauptorgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das große Instrument wurde 2007 von Alexander Schuke Potsdam Orgelbau geschaffen. Es hat 90 klingende Register (6.269 Pfeifen) auf vier Manualen und Pedal sowie ein Effektregister (Cymbelstern). Die drei Chamaden-Register lassen sich an jedes Manualwerk und das Pedal frei ankoppeln. Die Holzpfeifen fertigte die Firma Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf.[11]
Der Prospekt wurde weitgehend nach Photographien des prächtigen Barockprospekts der Orgel von Johann Josua Mosengel von 1721 gebaut. Er ist mit 17 stehenden Holzfiguren und 6 beweglichen Figuren verziert. Diese wurden von der Firma Maxick aus Kaliningrad unter Leitung von Max Ibragimow hergestellt. Es wurden nur geringe Veränderungen zum barocken Vorbild vorgenommen: Die Orgel wird nun von einem Phönix gekrönt, als Zeichen des Wiedererstehens nach der Zerstörung, wo vorher ein preußischer Adler thronte. Eine historisierende Madonnenfigur mit Kind wurde anstelle der ehemaligen Mittelfigur David mit der Harfe gesetzt, der in der orthodoxen Tradition keine besondere Bedeutung hatte. Auch das Königsberger Stadtwappen wurde modifiziert: als Schildhalter fungiert nun ein bekrönter russischer Doppeladler anstatt des ursprünglichen preußischen Adlers. Die Rückpositive, welche mittig auf der Empore standen, wurden an die Brüstung versetzt. Diese wurde mit einem schmiedeeisernen Gitter versehen, das keine historischen Vorbilder hat. Das Stahlgerüst für die Hauptorgel wurde von einer Stahlbaufirma aus Kaliningrad gebaut.[12]
Disposition
Die Orgel hat folgende Disposition:
|
|
|
|
|
- Koppeln: I/II, III/II, IV/I, IV/II, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
Technische Daten
- Schleiflade
- Traktur:
- Tontraktur: Doppeltraktur
- Registertraktur: Elektrisch
Chororgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits 2006 war eine kleinere Chororgel auf einer Seitenempore gebaut worden. Diese hat zwei Manuale mit Pedal und 32 Register. Der Prospekt ist modern gestaltet.
Disposition[13]
|
|
|
Koppeln: II/I, I/P, II/P
Technische Daten
- Schleiflade
- Traktur:
- Tontraktur: Doppeltraktur
- Registertraktur: Elektrisch
Verbindungen und technische Möglichkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beide Orgel sind durch Steuerleitungen miteinander verbunden und können von beiden Spieltischen jeweils gespielt werden. Bei gemeinsamem Spiel zweier Organisten sind diese durch Headset, Monitor und Kameras verbunden und können miteinander kommunizieren. Beide Orgeln haben PC-Anschlüsse, durch die die Musik aufgenommen und gespeichert werden kann.[14]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Artjom Chatschaturow spielt Youtube, 2018
- Artjom Chatschaturow spielt Toccata d-Moll von J. S. Bach Youtube 2009
- Holzpfeifenregister für Königsberger Dom, abgerufen am 19. Juli 2021
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Rimantas Gučas: Die Orgelbautradition Königsberg-Litauen. In: Acta Organologica. Band 30. 2008. S. 35–66, hier S. 35
- ↑ Werner Renkewitz, Jan Janca: Geschichte der Orgelbaukunst in Ost- und Westpreußen. Band 1. Weidlich, Würzburg 1984. S. 26, 70f.
- ↑ Werner Renkewitz, Jan Janca: Geschichte der Orgelbaukunst in Ost- und Westpreußen. Band 1. Weidlich, Würzburg 1984. S. 40
- ↑ Walter Eschenbach: Die neue Orgel in der Dom- und Kathedralkirche zu Königsberg i.Pr., erbaut von P. Furtwängler & Hammer, Hannover. Königsberg i. Pr. 1928.
- ↑ Hermann Fischer, Jan Janca: Die ehemalige Mosengel-Orgel im Dom zu Königsberg. In: Ars Organi. Band 50. 2002. S. 70–75.
- ↑ Fritz Gause: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen. 3 Bände, Köln 1996, ISBN 3-412-08896-X.
- ↑ Walter Eschenbach: Die neue Orgel in der Dom- und Kathedralkirche zu Königsberg i.Pr., erbaut von P. Furtwängler & Hammer, Hannover. Königsberg i. Pr. 1928.
- ↑ Jurij Tschernyschew: Orgel der Superlative eingeweiht. In: Preußische Allgemeine Zeitung. Nr. 4, 26. Januar 2008, S. 15–16 (PDF).
- ↑ Die große Domorgel ist fertig Kaliningrad aktuell vom 15. Januar 2008.
- ↑ Heinz Hohmeister: Orgeleinweihung im Dom zu Königsberg/Kaliningrad. Königsberger Bürgerbrief Nr. 71, 2008, S. 80.
- ↑ Orgelprojekt Königsberger Dom/Kaliningrad (Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf).
- ↑ Eberhard Neumann-Redlin von Meding, M. Schuke: Schuke-Orgel im „Königsberger Dom“ nach dem Vorbild der Mosengel-Orgel von 1721. In: Königsberger Bürgerbrief Nr. 71, 2008, S. 39–42.
- ↑ Disposition der Chororgel
- ↑ Die große Domorgel ist fertig Kaliningrad aktuell vom 15. Januar 2008