Ost-West-Friedenskirche
Die Ost-West-Friedenskirche, auch bekannt als Kirche von Väterchen Timofej,[1] war eine Kapelle im Münchner Olympiapark. Sie wurde in den 1950er Jahren vom russischen Eremiten Timofei Wassiljewitsch Prochorow und dessen Frau Natascha ohne Baugenehmigung direkt neben einer ebenfalls selbst errichteten Wohnhütte erbaut. Die Kirche wurde im Juni 2023 durch ein Feuer vollständig zerstört.
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kapelle befand sich im Münchner Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg auf dem Areal Oberwiesenfeld, südlich vom Olympiasee, am Spiridon-Louis-Ring 100.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während des Zweiten Weltkriegs hatte Timofej nach eigenen Aussagen eine Marienvision,[3] in der er den Auftrag erhielt, von Russland gen Westen zu ziehen, um dort eine Kirche zu errichten. Dafür verließ er seine Familie.[4] Auf seiner Reise lernte er 1944 seine spätere Frau Natascha in Wien[3] kennen. 1952 zog er nach einer weiteren Vision nach München.[4] In einer dritten Vision erhielt Timofej den Auftrag, eine Kirche am Oberwiesenfeld zu errichten, und begann gemeinsam mit seiner Frau, die Kirche und die Wohnung aus Teilen des Trümmerschutts vom nahe gelegenen Schuttberg zu erbauen.[4]
Nach der Fertigstellung bot Timofej sein Kirchengebäude sowohl der katholischen als auch der russisch-orthodoxen Kirche als Gotteshaus an. Die jeweils Verantwortlichen lehnten das Angebot jedoch ab, da die Katholiken zu viele Elemente der Orthodoxen im Bauwerk sahen und die Orthodoxen wiederum zu viele katholische. Daraufhin feierte Timofej selbst dort die Liturgie. Die Sakramente der Taufe und Ehe spendete er nicht, sondern verwies auf katholische oder orthodoxe Priester.[4]
Als 1968 Pläne für die Olympischen Spiele 1972 gemacht wurden, war der Platz der Kirche als Teil des Olympiageländes vorgesehen. Die illegal errichtete Kirche und das Wohnhaus sollten dafür abgerissen werden und Timofej sollte mit seiner Frau in eine Stadtwohnung ziehen.[5] Nach Protesten aus der Bevölkerung und zu Gunsten des vorolympiadischen Friedens[5] wurde das Olympiagelände weiter nördlich geplant, so dass die Kirche erhalten blieb.[3][6]
Das Gelände wurde später von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude als „charmantester Schwarzbau Münchens“ bezeichnet.[6] Die 2002 gegründete Stiftung Ost-West-Friedenskirche e. V. unter dem Vorsitz von Serge Kaiser setzt sich für Erhalt und Pflege des Geländes von Timofej ein.[2] Timofejs Wohnhaus wurde nach dessen Tod 2004 im Alter von 110 Jahren zum Museum umgestaltet.[5] Um das Gelände der Ost-West-Friedenskirche herum findet das jährliche Tollwood-Sommerfestival statt.[7]
Kirchenbrand
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am Sonntag, den 11. Juni 2023, wurde gegen 1:10 Uhr nachts die Feuerwehr wegen eines Brandes auf dem Tollwood-Gelände alarmiert. Beim Eintreffen der Einsatzkräfte stand die Kirche bereits in Flammen und brannte vollständig nieder. Auch Bäume und eine Stromleitung wurden beschädigt, aber es kamen keine Menschen zu Schaden. Nach aktuellem Ermittlungsstand nimmt die Polizei als Brandursache das „Vorliegen eines technischen Defekts in der verbauten Elektronik im Inneren des Kirchenhauses“ an.
Der frühere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude sprach sich noch am Tag des Brandes für den Wiederaufbau der Ost-West-Friedenskirche als einem Symbol der Friedenshoffnung aus[8][9]. Im August 2024 gab Christian Ude bekannt, dass der Wiederaufbau 2025 erfolgen können und weniger Probleme mache als zunächst angenommen[10].
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rüdiger Liedtke: 111 Orte in München, die man gesehen haben muss. Emons Verlag, Köln 2013, ISBN 978-3-89705-892-7, S. 160–161.
- Ingrid Reuther: Bayerns berühmtester Schwarzbau: Die Ost-West-Friedenskirche in München. In: Eva Strauß (Hrsg.): Fundort Geschichte Oberbayern: Ausflüge in die Vergangenheit. Ars Vivendi, Cadolzburg 2003, S. 52–54. ISBN 978-3-89716-378-2.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website der Stiftung Ost-West-Friedenskirche e. V.
- Im Reich von Väterchen Timofei. In: Süddeutsche Zeitung. 13. Mai 2009
- Im Garten des Eremiten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 28. Oktober 2014
- Filmothek des Bundesarchivs:
- Die Zeit unter der Lupe 944/1968 27. Februar 1968: „Eremit in München“
- Deutschlandspiegel 162/1968 28. März 1968: „Armenia/Oberwiesenfeld“
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Herzlich willkommen! In: ost-west-friedenskirche.de. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ a b Kirche heute. In: ost-west-friedenskirche.de. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ a b c Ost-West-Friedenskirche. In: muenchen.de. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ a b c d Geschichte. In: ost-west-friedenskirche.de. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ a b c Rüdiger Liedtke: 111 Orte in München, die man gesehen haben muss. S. 160.
- ↑ a b Lisa Sonnabend: Der Mann, der im Traum erschien. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Mai 2010, abgerufen am 13. Juni 2023.
- ↑ Rüdiger Liedtke: 111 Orte in München, die man gesehen haben muss. S. 161.
- ↑ Michael Schleicher: Feuer im Olympiapark: Friedenskirche von Väterchen Timofej komplett niedergebrannt. In: abendzeitung-muenchen.de. 11. Juni 2023, abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ Tobias Bönte und Gerhard Brack: München: Väterchen Timofejs Ost-West-Friedenskirche abgebrannt. In: br.de. 11. Juni 2023, abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ Abendzeitung, 19. August 2024: So will Alt-OB Ude das Timofej-Kirchlein im Olympiapark wieder aufbauen
Koordinaten: 48° 10′ 1,3″ N, 11° 32′ 54,1″ O