Otto Rivero
Otto Rivero Torres (* 19. Oktober 1968 in Cienfuegos) ist ein ehemaliger kubanischer Politiker. Aus einfachen Verhältnissen stammend stieg er bereits in jungen Jahren bis zum Posten eines Vizepräsidenten des Ministerrats auf, bevor er 2009 von Staats- und Parteichef Raúl Castro unter Untreuevorwürfen aller Funktionen enthoben wurde und seitdem auf alle früheren Privilegien des Funktionärslebens verzichten muss.
Politischer Aufstieg unter Fidel Castro
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Rivero ist Arbeitersohn und begann seinen Aufstieg in Führungspositionen der allein herrschenden Kommunistischen Partei (PCC) während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften, das er mit dem Magister abschloss. Über viele Jahre war er der höchste Parteifunktionär seiner Generation: Von 1994 bis 1996 diente er als Präsident des nationalen Studentenbundes, der der Regierungspartei unterstellten Federación Estudiantil Universitaria, von 1997 bis 2004 war er dann als Erster Sekretär Vorsitzender der Unión de Jóvenes Comunistas, des Jugendverbands der PCC, dessen Vorstand er zuvor seit 1995 angehört hatte. Seit 1993 gehörte er der zweimal jährlich tagenden Nationalversammlung Asamblea Nacional del Poder Popular als Abgeordneter an. 1997 nahm er als Delegierter am V. Parteitag der PCC teil und wurde in das Zentralkomitee gewählt.[1] 2003 wurde er zum Mitglied des Staatsrats ernannt.
Nachdem Staatspräsident Fidel Castro, der 1999 zu Beginn der Auseinandersetzung um Elián González sein Prestigeunternehmen „Batalla de Ideas“ („Schlacht der Ideen“) zur Abwehr feindlicher ideologischer Einflüsse auf die kubanische Jugend ausgerufen hatte, bestimmte er Rivero zum Koordinator dieses Großprojekts, das mit seinem umfangreichen Budget der Bedeutung eines eigenen Ministeriums gleichkam.[2] Rivero war im April 2000 in Anwesenheit Fidel Castros Hauptredner zur Einweihung der sogenannten Tribuna Antimperialista „José Martí“, einer unmittelbar vor der diplomatischen Interessenvertretung der USA errichteten Open-Air-Bühne für „revolutionäre“ Großveranstaltungen.[3][4] Neben Projekten der politischen Propaganda sowie der Mobilisierung Jugendlicher für bezahlte Tätigkeiten zum Beispiel als Hilfslehrer oder als Kontrolleure an korruptionsverdächtigen Tankstellen umfasste die Batalla de Ideas auch Reparaturen und Renovierungen von vernachlässigten Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, die zu den Vorzeigeobjekten der Kubanischen Revolution gehörten.[5] Mit der offiziellen Funktion des Koordinators der Batalla de Ideas wurde Rivero im Dezember 2004 zu einem von fünf Vizepräsidenten des Ministerrates ernannt und damit in die Spitze der Regierung berufen.[6]
Neben Außenminister Felipe Pérez Roque war Rivero innerhalb der Partei führender Repräsentant der sogenannten „talibanes“, einer Gruppe von jungen, aufstrebenden und besonders kompromisslosen Verteidigern der Revolution und ihres sie protegierenden Führers Fidel Castro, die allerdings unter der überwiegend auf Reformen hoffenden Jugend wenig beliebt waren.[7][8] Mit ihnen hatte Castro eine Parallelstruktur zu den verfassungsmäßigen Regierungsinstitutionen aufgebaut, die mit umfangreichen Sonderrechten und Haushaltsprivilegien ausgestattet war und ihm eine unmittelbare Umsetzung seiner Wunschprojekte ermöglichte.[9]
Ende der politischen Laufbahn unter Raúl Castro
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem gesundheitsbedingten Rücktritt Fidel Castros vom Präsidentenamt und der Amtsübernahme durch seinen Bruder Raúl – zunächst vertretungsweise ab Ende Juli 2006 und schließlich dauerhaft ab Februar 2008 – wandelten sich die politischen Prioritäten der Regierung: Statt ideologischer Durchhalteappelle setzte Raúl Castro den Schwerpunkt auf konkrete Schritte zur Belebung der Wirtschaft und den Abbau verschiedener unpopulärer Verbote. Der für die erste Hälfte der 2000er Jahre typische Aufstieg der Jungfunktionäre wurde gebremst, gleichzeitig trat eine Betonung institutioneller Strukturen und Kontrollen an die Stelle der Batalla de Ideas. Riveros Sichtbarkeit in den Medien nahm unter Raúl Castro deutlich ab[9] und die Abwicklung der Projekte der Batalla de Ideas wurde schrittweise auf verschiedene Institutionen übertragen, bevor Rivero im März 2009 gleichzeitig mit den noch prominenteren Politikern Felipe Pérez Roque und Carlos Lage und weiteren führenden Parteifunktionären der Fidel-Ära aus dem Politbüro und dem Ministerrat ausgeschlossen wurde.[10][11] Wenige Monate vor seiner Absetzung war er auf dem VIII. Kongress der Kommunistischen Jugend UJC von Fidel Castro persönlich noch als Mitglied einer „revolutionären Elite“ gelobt worden. Rivero wurde zunächst ein Skandal um Zweckentfremdung von Mitteln seines Zuständigkeitsbereichs zum Verhängnis.[12] Entscheidend war schließlich seine Beteiligung an den von der Staatsführung als Verschwörung eingestuften Kontakten einer Gruppe von hochrangigen Politikern um Carlos Lage mit dem kubanisch-spanischen Geschäftsmann Conrado Hernández.[13]
Nach seiner Absetzung wurde ihm eine einfache Arbeit als Maschinist in einem dem Staatsrat zugehörigen Druckereibetrieb mit dem entsprechenden Gehalt zugewiesen. Nach offiziell unbestätigten Berichten unabhängiger kubanischer Journalisten soll er seit dem Ende seiner Politikerkarriere mehrere Selbstmordversuche unternommen haben.[14][15]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurzlebenslauf auf der Kandidatenliste der Parlamentswahlen 2003, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- Kurzlebenslauf auf der Webseite des Ministerrats, Stand vom 8. November 2006, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas ( des vom 2. Januar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF, 1,33 MB), alphabetische Liste der Mitglieder, ursprünglich abgedruckt in: Granma im November 1997, deutsche Übersetzung abgerufen über die Webseite der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba am 28. Februar 2013
- ↑ Camilo Ernesto Olivera Peidro: Paisaje después de la batalla, in: Cubanet vom 19. Oktober 2012, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Inauguran en La Habana Tribuna antimperialista "José Martí" ( des vom 29. Januar 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Artikel vom 4. April 2000 auf der staatlichen Webseite Elián.cu, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Otto Rivero: La política anticubana ha sufrido un duro revés, 1. Teil ( des vom 5. Dezember 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. 2. Teil ( des vom 10. Juni 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Rede zur Einweihung der Tribuna Antimperialista am 3. April 2000, abgerufen über Granma am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Antoni Kapcia: Batalla de Ideas: Old Ideology in New Clothes? (PDF, 72 kB), in: A Changing Cuba in a Changing World S. 74–88, hrsg. v. Mauricio Font, City University of New York 2009 (englisch)
- ↑ Otto Rivero nombrado vicepresidente del Consejo de Ministros para la 'Batalla de Ideas', in: Cubaencuentro vom 13. Dezember 2004, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Bert Hoffmann und Laurence Whitehead: Cuban Exceptionalism Revisited ( des vom 18. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF, 738 kB), GIGA Working Papers vom September 2006, abgerufen am 28. Februar 2013 (englisch)
- ↑ Vicki Huddleston: Learning to Salsa: New Steps in U.S.–Cuba Relations, S. 87
- ↑ a b Bert Hoffmann: Kuba in der Nach-Fidel-Ära, (PDF, 305 kB), FES-Analyse vom März 2007, abgerufen am 28. Februar 2013
- ↑ Amtliche Bekanntmachung ( des vom 8. Juli 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 2. März 2009 (PDF, 47 kB), ursprünglich abgedruckt in Granma, deutsche Übersetzung abgerufen über die Webseite der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba am 28. Februar 2013
- ↑ Ángel Tomás González: Raúl Castro reforma el Gobierno que heredó, in: El Mundo vom 3. März 2009, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Yoani Sánchez: Mejor no destacarse, im Blog Cuba Libre vom 26. September 2012, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Mauricio Vicent: Conrado y los espías en la isla de los Castro, in: El País vom 12. Juli 2009, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Carlos Ríos Otero: Otto Rivero se niega a trabajar, in: Cubanet vom 19. September 2011, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
- ↑ Ex vicepresidente cubano intenta suicidarse por tercera vez ( des vom 21. Oktober 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , in: Neo Club Press vom 22. September 2011, abgerufen am 28. Februar 2013 (spanisch)
Personendaten | |
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NAME | Rivero, Otto |
ALTERNATIVNAMEN | Rivero Torres, Otto (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | kubanischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 19. Oktober 1968 |
GEBURTSORT | Cienfuegos, Kuba |