Paderborner Methode

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Die Paderborner Methode ist eine für Kinder konzipierte Methode für deren Fremdsprachenerwerb, die eine bestimmte planmäßige Vorgehensweise bei der Erteilung von Fremdsprachenunterricht zugrunde legt. Sie sieht zunächst das Erlernen einer einfacheren Fremdsprache – in diesem Fall Esperanto – und anschließend das Erlernen einer schwierigeren Fremdsprache vor.

Der Name stammt von einem Experiment von Helmar Frank am Institut für Kybernetische Pädagogik der Universität Paderborn (Deutschland), das den wissenschaftlichen Nachweis für ihre Wirksamkeit führte.

Geschichte der Methode

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Versuche vor dem Paderborner Studium

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Die vergleichsweise eher einfache Sprache und transparente Grammatik des Esperanto legt nahe, dass eine solche Sprache beim Erlernen der Grammatik im Allgemeinen oder sogar anderer Fremdsprachen helfen könnte. Auf dieser Grundlage wurden bereits in den ersten Jahrzehnten der Esperanto-Geschichte Experimente durchgeführt, beispielsweise in Ungarn oder Großbritannien.

Von 1918 bis 1921 fand an einer Mädchenmittelschule in Bishop Auckland (GB) mit Esperanto als Vorbereitungssprache für Französisch und Deutsch ein solches Experiment statt.[1] In den Jahren 1934 und 1935 fand dies ebenfalls an einer öffentlichen Hochschule in New York statt,[2] sowie von 1947 bis 1951 am Provinzgmnasium in Sheffield (GB)[3], wobei dieses den Vorteil, den Esperanto für „weniger studientaugliche Kinder“ bietet, betonte. Die Egerton Park School in Denton (Manchester, GB) war von 1948 bis 1965 Modellschule,[4] und eine Schule in Somero (Finnland) von 1958 bis 1963, letztere im Rahmen einer Studie zur Propädeutizität für das Deutsche.[5]

Die Internationale Liga der Esperantolehrer (ILEI) koordinierte in den Jahren 1971 bis 1974[6] sowie von 1975 bis 1977[7] verschiedene internationale Studien in einigen Ländern (Belgien, Frankreich, Griechenland, Deutsche Bundesrepublik, Niederlande). 1977 trafen sich die Studenten zu einer gemeinsamen Woche, um verschiedene Fächer auf Esperanto zu lernen. In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre und zu Beginn der 1980er-Jahre fand Sprachorientierungsunterricht in Paderborn (siehe unten) statt. Bei diesem Experiment wurden die Schüler in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Wegen eingeteilt, um den effektiven Nutzen der internationalen Sprache zu überprüfen.[8] Unter den verschiedenen Experimenten in Italien folgt von 1983 bis 1988 das in der Grundschule „Rocca“ in San Salvatore di Cogorno (GE) durchgeführte Experiment der wissenschaftlichen Methode, die in Paderborn verfolgt wurde, mit der Aufteilung in 2 Gruppen: eine fängt mit Esperanto an und die andere studiert Französisch.[9]

Eine Tagung des italienischen Bildungsministeriums fasste 1995 verschiedene Studien und Experimente zusammen.[10]

Beschreibung des Experiments der Universität Paderborn

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In einer Grundschule wurden unter der Leitung von Helmar Frank[8] zwei konkurrierende Gruppen A und B gebildet. Gruppe A begann mit dem Englischunterricht in der dritten Klasse, während Gruppe B im selben Jahr mit dem Esperanto-Kurs (160 Stunden) begann und erst zwei Jahre später mit Englisch. Trotz des zeitlichen Unterschieds beim Englischlernen erreichte die Gruppe B bereits in der siebten Klasse die Gruppe A bei den Englischkenntnissen und überholte sie in der achten Klasse.

Hypothesen zum Wirkmechanismus der Methode

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Mehrere Hypothesen werden von Claude Piron in einigen seiner Artikel diskutiert.[9]

  • Günter Lobin: Ein Sprachmodell für den Fremdsprachenunterricht: der propädeutische Wert einer Plansprache in der Fremdsprachpädagogik. (= Monographien zur Kybernetik; 2). A. H. Shaker Verl., Aachen 2002 [zugl. Diss. Univ. Oppeln 1996], ISBN 3-8322-0165-3.
  • J. H. Halloran: Ein vierjähriges Experiment in Esperanto als Einführung in das Französische. In: British Journal of Educational Psychology. Bd. 22, Nr. 3, 1952 (Nov.), pp. 200–204.
  • R. Selten: Die Kosten der (nicht) europäischen Sprachkommunikation., hrsg. Esperanto Radikala Asocio, 1997, enthält mehrere Studien, darunter die Studie der Kommission über die internationale Sprache (genannt Esperanto) S. 95–112; verschiedene Grafiken und Daten zur Paderborner Methode pp. 75–78
  • Raif Makarian: Der erzieherische Wert des Esperanto-Unterrichts in den Schulen. In: R. Schultz & V. Schultz (Hrsg.): Die Lösung unserer Sprachprobleme. Esperanto Press, Bailieboro, Ontario, Kanada 1964, S. 362–386.
  • Judit Balogh: („Rolle des Esperanto als Brückensprache für den Fremdsprachenunterricht“; ungar.) Dissertation zum Doktor der Allgemeinen Linguistik an der Eötvös-Loránd-Universität, Budapest 1979, 182 S.
  • Wilhelm Sanke: Linguistische und sprachdidaktische Aspekte eines Sprachorientierungsunterrichts - Thesen und Fragen am Beispiel einer Plansprache. In: I. Meyer (Red.): "5. Werkstattgespräch - Interlinguistik in Wissenschaft und Bildung, Arbeitspapier Nr. 62", IfKyP. Paderborn: FEoLL GmbH, 1981, S. 18–206.
  • Lian O’Cuire: An Cas do Esperanto., Esperanto-Asocio de Irlando, Dublin 1984, 5 p.
  • Ludovik Prebil: Internacia pedagogia eksperimento en 5 landoj (1-a regiono). In: Esperanto., 1972, n. 121, Juli–August.
  • W. Perrenoud: Conférence International sur l'enseignement de l'espéranto dans les écoles, au secrétariat de la Société des Nations, vom 18. bis 20. April 1920. Compte rendu sumire en français. Genf.
  • Antoni Grabowski: Esperanto kiel propedeŭtiko de lingvoj. („Esperanto wie Vorbereitung auf Sprachenlernen“; esp.) In: Pola Esperantisto. Januaro 1908, Nr. 1, S. 4–8.

Einzelnachweise

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  1. Alexandra FISCHER, „Sprachen durch Esperanto.“ In "Internacia Pedagogia Revuo", 1931. (Experiment verwirklicht in Bishop Auckland (GB) in den Jahren 1918–1921)
  2. Helen S. Eaton, An Experiment in Language Learning. In: The Modern Language Journal Band 19, Buch 1, Seiten 1–4, Oktober 1934
  3. J. H. Halloran, „Ein vierjähriges Experiment in Esperanto als Einführung in die französische Sprache.“ In: British Journal of Educational Psychology, Bd. 22, Nr. 3, 1952 (Nov.), Seiten 200–204.
  4. Norman Williams (Didaktischer Leiter): „Bericht über den Esperantounterricht von 1948 bis 1965.“ - Aus den Schlussfolgerungen: „Ein Kind kann in etwa 6 Monaten so viel Esperanto lernen wie Französisch in 3-4 Jahren. [...] Wenn alle Kinder in den ersten 6-12 Monaten eines 4-5-jährigen Französischkurses Esperanto lernen würden, würden sie viel gewinnen und nichts verlieren“.
  5. J. Vilkki, V. Setälä: „Der versuchsweise Esperantounterricht in der Mittelschule von Somero (Suomio)“; V. Setälä, „Besuch der Versuchsschule in Somero, Finnland“.
  6. Marta Kovács: „Internationales didaktisches Experiment in Kvinlanda“; Johann Ingusz: „Unterrichtserfahrungen und Esperantoklassen“ (in Ungarn)
  7. Helmut Sonnabend: „Esperanto“, Schulexperiment
  8. a b Helmar Frank: Das Paderborner Experiment zum Sprachorientierungsunterricht und die daraus folgenden bildungspolitischen Empfehlungen. (Archivlink vom 2. April 2015); Günter Lobin: Der propädeutische Wert von Plansprachen für den Fremdsprachenunterricht. (Dissertation), Universität Paderborn, Institut für Kybernetik
  9. a b Claude Piron, Università di Ginevra: L'esperanto dal punto di vista psicopedagogico. In: claudepiron.free.fr.
  10. Bollettino Ufficiale. Ministero della pubblica istruzione anno 122°, ROMA, 25 maggio - 1º giugno 1995, N. 21-22. Offizieller Tagesbericht des Italienischen Bildungsministeriums 122. Jahrgang, ROM, 25. Mai - 1. Juni 1995, Nr. 21–22.