Paradigmenwechsel bei Maßeinheiten und Naturkonstanten

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Zwei Paradigmenwechsel bei Maßeinheiten und Naturkonstanten veränderten die Philosophie und Definition der Einheiten für Messgrößen. Die Größe menschlicher Körperteile war bis ins 18. Jahrhundert die Grundlage, bis schließlich natürliche Einheiten, die tatsächlich unveränderlich sind, vereinbart wurden. Heute bilden sieben unveränderliche Naturkonstanten die Grundlage der Maßeinheiten.

Geschichte der Maßeinheiten

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Ursprung des Maßes „Elle“

Historisch wurden die Maßeinheiten in verschiedener Art bestimmt. Zuerst ging man von der Größe menschlicher Körperteile aus; das Paradigma war also de facto der Satz des Protagoras "Der Mensch ist das Maß aller Dinge." So kamen schon im Altertum, zum Beispiel im antiken Mesopotamien und im Alten Ägypten, die Maßeinheiten Fuß und Elle zustande. Wie das Bild zeigt, sollte die Maßeinheit „Elle“ nicht mit der Länge des ebenfalls „Elle“ (lat.–anat. Ulna) genannten Unterarmknochens verwechselt werden.

Im Alten Testament wird die Elle mehrfach erwähnt, so in der Anweisung Gottes an Noah (Noach) zum Bau der Arche[1]: „Und so sollst du sie machen: 300 Ellen lang soll die Arche sein, 50 Ellen breit, 30 Ellen hoch.“ Mit „Elle“ war dabei sicher die „Königselle“ oder „Königliche Elle“ gemeint; sie entsprach 52,5 cm.

Für die Bundeslade[2], die u. a. die zwei Steintafeln mit den Zehn Geboten aufnehmen sollte, gab Gott ebenfalls genaue Angaben zur Größe: „Zwei und eine halbe Elle lang, anderthalb Ellen breit und anderthalb Ellen hoch.“ Nach der Überlieferung hatte die Bundeslade ein wechselvolles Schicksal; von Salomo wurde sie im Allerheiligsten des Tempels in Jerusalem aufgestellt.

In Altägypten[3][4] war die Königselle (ebenfalls 52,5 cm) das wichtigste Längenmaß, auch bei der Planung und dem Bau der Pyramiden von Gizeh. Zur tatsächlichen Messung benutzten die Israeliten wie die Ägypter den Ellenstab (engl. ell-wand oder ellwand).

Mustermaße in Bad Langensalza

Die genauen Werte der Maßeinheiten waren in jedem Land anders; in deutschen Ländern und Städten gab es um 1800 vierzehn verschiedene Werte beim Fuß. Zur Kontrolle der Maße, die der einzelne verwendete, gab es an vielen Kirchen, Rathäusern oder anderen öffentlichen Gebäuden Mustermaße (so in Braunschweig, Bremen, Dresden, Bad Langensalza, Northeim, Regensburg, Wien, hier im Stephansdom, Worms).

Auch in der Schweiz gab es unterschiedliche Werte beim Fuß usw. In Bern wurden im 18. Jahrhundert amtliche Mustermaße (Berner Maße) im Tordurchgang des Zytglogge-Turms installiert und sind noch heute dort zu sehen. Der Berner Fuß entsprach 29,3 cm und galt nur im Gebiet von Bern.

Die unterschiedlichen Größen von Elle, Fuß usw. waren für den Handel und erst recht für die allmählich sich entwickelnde Naturwissenschaft recht ungünstig.

Die Paradigmenwechsel der Maßeinheiten

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Erster Paradigmenwechsel

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Der erste Paradigmenwechsel kam in der Französischen Revolution (um 1793) zustande: Grundlage einer Maßeinheit sollte eine unveränderliche Größe sein, jedoch weiterhin aus der Natur genommen: Aus der Erdfigur. So wurde der Meter zuerst durch den zehnmillionsten Teil der Länge des Erdquadranten, der durch Paris geht, definiert. Aber die Größe des Erdballs genau zu messen, gelang nicht ganz und wäre auch heute noch ein Problem. Außerdem konnte man eigentlich nicht sicher sein, dass der Planet seine Gestalt und Größe nie ändern wird; dieser Gedanke scheint dem damaligen Denken allerdings noch ganz fern gelegen zu sein.

Dritter Urmeter (Kopie für die USA)

Als Mustermaß war der Bruchteil der Größe des Erdballs natürlich nicht zu gebrauchen; Mustermaße bezog man von einem künstlichen Objekt, einem Urmeter. Die beiden ersten Urmeter waren Metallstäbe, sogenannte Endmaße (englisch gauge block, gage block). Bei einem Endmaß ist die Länge, die es repräsentiert, gleich dem Abstand der beiden Endflächen. Der erste Urmeter (von 1795) war aus Messing, der zweite (von 1799) aus Platin. Aber man fand, dass die Endflächen leicht beschädigt werden konnten. Beim dritten Urmeter (von 1899) wurde deshalb der Meter durch den Abstand zweier eingeritzter Linien auf einem Platin-Iridium-Stab von x-förmigem Querschnitt bestimmt. Aber auch dieses Verfahren brachte noch mannigfache Probleme mit sich.

Zweiter Paradigmenwechsel

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Um 1975 kam man überein, dass die Maßeinheiten auf Naturkonstanten beruhen sollten. Diese durften keine Messunsicherheit aufweisen: Eine „Konstante“ kann schließlich nicht jedes Jahr einen anderen Zahlenwert bekommen, wenn die Messung genauer geworden ist. Somit war es an der Zeit, die Naturkonstanten, und in ihrem Gefolge die Maßeinheiten, ohne Unsicherheit zu definieren. Um diese Aufgabe zu erfüllen, waren kompetente Institutionen erforderlich.

Institutionen, die für Naturkonstanten und Maßeinheiten zuständig sind

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Die internationale Institution für die Metrologie, also die Wissenschaft des Messens, ist das Bureau International des Poids et Mesures (BIPM) (Internationales Büro für Maße und Gewichte) in Sèvres, einem Vorort von Paris. Das Organ des BIPM, das „Empfehlungen“ und bindende Beschlüsse veröffentlicht, ist die Conférence Générale des Poids et Mesures (CGPM) (Generalkonferenz für Maße und Gewichte).

In Deutschland ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig die zuständige Institution für die Metrologie; sie nimmt maßgeblich an der Arbeit des BIPM teil. Beispielsweise hat sie das internationale „Avogadro-Projekt“ zur Definition eines „neuen“ Kilogramms koordiniert.

Die entsprechenden Institute in Österreich und der Schweiz sind das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) in Wien bzw. das Eidgenössische Institut für Metrologie (METAS) in Wabern.

Ein Beispiel für den Paradigmenwechsel

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Für die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c fand man immer genauere Werte dieser (in m/s ausgedrückten) Größe; aber bis 1975 war sie mit einer Messunsicherheit behaftet. Die 15. CGPM hat im Jahr 1975 „empfohlen“, der Lichtgeschwindigkeit einen festen Wert zu geben, nämlich

c = 299 792 458 m/s.

Die 17. CGPM hat dies 1983 bestätigt und zugleich den Meter neu definiert als die Strecke, die vom Licht im Vakuum in 1/299 792 458 einer Sekunde durchlaufen wird. Damit ist der Paradigmenwechsel für die Lichtgeschwindigkeit und den Meter vollzogen: Die Lichtgeschwindigkeit ist nicht mehr auf den Meter bezogen, sondern umgekehrt ist der Meter auf die Lichtgeschwindigkeit (und die Sekunde) bezogen.

So basiert also der Meter weiterhin auf einem Phänomen der Natur, nur eben auf einem zuverlässigeren als früher.

Definierende Naturkonstanten

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Die 26. CGPM legte 2018, mit Wirkung vom 20. Mai 2019, fest, dass alle Maßeinheiten wie der Meter durch Naturkonstanten definiert werden, die demgemäß als „Definierende Konstanten“ bezeichnet werden. Diese sieben definierenden Konstanten sind, alle ohne „Unsicherheit“:

Broschüren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (online):

  • Die gesetzlichen Einheiten in Deutschland (Stand: Januar 2023).
  • Das neue Internationale Einheitensystem (SI) (Stand: Januar 2023) (zur „Philosophie“ des Einheitensystems und ausdrücklich zum zweiten Paradigmenwechsel).

Einzelnachweise

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  1. Altes Testament, 1. Buch Mose, Kap. 6–9, vor allem Vers 15, zitiert nach der Einheitsausgabe 2016
  2. Altes Testament, 2. Buch Mose, Kap. 25, Vers 10
  3. Jean-Philippe Lauer: Das Geheimnis der Pyramiden, Herbig Verlag München/Berlin 1980, insbes. Seiten 173, 178, 273; ISBN 3-7766-0979-6.
  4. Manfred Gutgesell: Arbeiter und Pharaonen / Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Alten Ägypten, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 1989, insbes. Seiten 146/147: "Exkurs: Maße und Gewichte"; ISBN 3-8067-2026-6.