Peter Sichel

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„Liebfraumilch“ der Marke Blue Nun von 1974

Peter Max Ferdinand Sichel (* 12. September 1922 in Mainz) ist ein deutsch-amerikanischer Weinhändler und US-Geheimagent. Bekannt wurde er durch die Weinmarke Blue Nun, die die Weißweincuvée als Liebfraumilch in den USA bekannt machte, sowie als Chef der CIA-Niederlassung in West-Berlin in den 1950er Jahren.[1][2] Sichel ist heute der letzte Überlebende des jüdischen Weinhandels in Deutschland aus der Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933.

Peter Sichel wurde als Sohn einer Familie jüdischer Weinhändler, H. Sichel Söhne (HSS), in Mainz geboren. Das elterliche Unternehmen hatte Niederlassungen in London und Bordeaux (wo es noch heute aktiv ist).[3] Peter Sichel besuchte zu Beginn der 1930er-Jahre die Stowe School in England und begann danach eine Ausbildung im Familienbetrieb in Bordeaux. Dort wurde er während des Zweiten Weltkriegs als sogenannter „feindlicher Ausländer“ interniert. Über Spanien und Portugal gelang ihm 1941 die Flucht in die USA, wo er sich freiwillig zum Armeedienst meldete.

Ab 1943 arbeitete Sichel für den US-Auslandsgeheimdienst OSS sowie dessen Nachfolgeorganisationen, die CIA. Als Soldat kam er 1945 nach Deutschland zurück, wo er bis 1952 die Vertretung der CIA in West-Berlin leitete. Als Berliner CIA-Chef pflegte er informelle Gesprächskontakte zu Willy Brandt, dem späteren SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner, zu Kurt Schumacher, Jakob Kaiser, Ernst Lemmer und Hermann Ehlers.[4] Bis 1959 war er für die CIA u. a. in Algier, Washington und Hong Kong tätig.[5]

Nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst übernahm Peter Sichel 1959 die Leitung des Weinimports seiner Familie in New York. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Weinhändlern hatte der Vater den Familienbetrieb während der Nazi-Zeit nicht verkauft; stattdessen wurde er enteignet, bekam aber die Weingüter nach dem Krieg zurück.[6] In der neuen Funktion als Weinhändler machte Sichel ab den 1970er Jahren die Marke Blue Nun in den USA zu einem bekannten, erfolgreichen Wein – nicht zuletzt durch eine ausgefeilte Werbekampagne. Sichels Vater hatte die Marke entworfen, um nach dem Krieg auf den englischen Märkten wieder Fuß zu fassen. Der „Liebfraumilch“ genannte Verschnitt von Blue Nun bestand aus deutschen Weinen, und zwar aus Müller-Thurgau, Silvaner und Gewürztraminer. Blue Nun verkaufte jährlich etwa dreißig Millionen Flaschen in aller Welt, neben den USA auch in Australien, Japan und Skandinavien.[7]

Sichel lebt heute in Manhattan. Seine Autobiografie hat den Titel Die Geheimnisse meiner drei Leben: Flüchtling, Geheimagent, Weinhändler.

Adam Yauch (1992)

Die Beastie Boys verewigten Peter Sichel 1992 auf ihrem Album Check Your Head. In dem knapp 30-sekündigen Skit The Blue Nun sampelte das New Yorker Trio einen von Sichel verfassten Hörspiel-Dialog und unterlegte ihn mit einem Hip-Hop-Beat („Our evening began in Peter Sichel’s comfortable study in his New York townhouse…“). Sichels Dialog war ursprünglich auf der nur zu Werbezwecken veröffentlichten Spoken-Word-Platte On Wine: How to Select & Serve von 1964 erschienen.[8] Adam Yauch (MCA) von den Beastie Boys war mit Peters Tochter Sylvia Sichel befreundet und hatte dadurch von der Aufnahme gehört.[9]

Die Beatles wiederum haben den Klang einer leeren Flasche „Blue Nun“ in dem Song Long, Long, Long verewigt. George Harrison erklärte den Klangeffekt in seiner Autobiografie I, Me, Mine:

“There was a bottle of ‚Blue Nun‘ wine on top of the Leslie speaker during the recording and when our Paul hit some organ note the Leslie started vibrating and the bottle rattling. You can hear it on the record – at the very end.”

„Während der Aufnahme stand eine Weinflasche ‚Blue Nun‘ auf dem Leslie-Lautsprecher, und als Paul einen Orgelton anschlug, begann der Rotationslautsprecher zu vibrieren und die Flasche zu klappern. Man kann es auf der Platte hören – ganz am Ende.“

George Harrison[10]

Für seine Dienste in der Central Intelligence Agency (CIA) wurde Sichel mit der Distinguished Intelligence Medal ausgezeichnet. Er ist außerdem Mitglied des Culinary Institute of America (CIA).[11]

  • Peter M. F. Sichel: On Wine: How to Select & Serve, Produzent: Sondra Bianca, Columbia Special Products (CSP 151), 1964.
Commons: Peter Sichel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Musikbelege

Einzelnachweise

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  1. Jancis Robinson: Peter M F Sichel – from CIA to Blue Nun, Langversion eines ursprünglich in der Financial Times erschienenen Artikels vom 27. Februar 2016 (englisch)
  2. Klaus Wiegrefe: (S+) CIA: Ex-Mitarbeiter über Geheimkontakte zu Willy Brandt und Herbert Wehner. In: Der Spiegel. 20. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 20. Dezember 2021]).
  3. Famille Sichel – Wer sind wir? (Memento vom 15. September 2016 im Internet Archive)
  4. Klaus Wiegrefe: (S+) CIA: Ex-Mitarbeiter über Geheimkontakte zu Willy Brandt und Herbert Wehner. In: Der Spiegel. 20. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 20. Dezember 2021]).
  5. Sofia Dreisbach, New York: Ex-Spion Peter Sichel wird 100: „Ich brauche Projekte, um am Leben zu bleiben“. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 19. September 2022]).
  6. Manfred Klimek (Interview): Peter Sichel: „Ich bin der letzte Überlebende des jüdischen Weinhandels“ bei Die Welt vom 23. März 2019.
  7. Manfred Klimek (Interview): Peter Sichel: „Ich bin der letzte Überlebende des jüdischen Weinhandels“ bei Die Welt vom 23. März 2019.
  8. Beastie Boys's 'The Blue Nun' sample of Peter M. F. Sichel's 'On Wine: How to Select & Serve' bei WhoSampled.
  9. The Wine Reporter: Beastie Boys Blue Nun Revisited auf YouTube
  10. George Harrison: I, Me, Mine. Simon and Schuster, 1981, S. 132.
  11. Jancis Robinson: Peter M F Sichel – from CIA to Blue Nun, Langversion eines ursprünglich in der Financial Times erschienenen Artikels vom 27. Februar 2016 (englisch).