Pfriemschnecken

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Pfriemschnecken

Thyca ectoconcha saugt an Linckia multifora

Systematik
Überordnung: Caenogastropoda
Ordnung: Sorbeoconcha
Unterordnung: Hypsogastropoda
Teilordnung: Littorinimorpha
Überfamilie: Vanikoroidea
Familie: Pfriemschnecken
Wissenschaftlicher Name
Eulimidae
Philippi, 1853
Parasitische Schnecken, vielleicht Melanella sp., an einer jungen Holothuria verrucosa
Stilifer linckiae parasitiert in Linckia multifora unter Gallenbildung, Réunion
Gehäuse von Melanella candida

Die Pfriemschnecken (Eulimidae) sind eine artenreiche Familie sehr kleiner bis kleiner, ausschließlich mariner Schnecken, die weltweit verbreitet sind. Sie leben als Ektoparasiten, seltener als Endoparasiten, fast ausschließlich an bzw. in Stachelhäutern.

Die rechtsgewundenen, verlängert kegelförmigen oder spindelförmigen Gehäuse der Eulimidae haben eine glatte, stark glänzende Oberfläche und ein ausgezogenes Gewinde mit zahlreichen flachen, flachseitigen Umgängen. Die eiförmige Gehäusemündung hat einen nicht verbundenen Mundsaum. Die Spindel ist nicht gezähnt. Bei den meisten Arten werden die Gehäuse nicht länger als 5 mm, bei manchen Arten bis 14 mm.

Die meist weitgehend farblosen Gehäuse sind beim lebenden Tier und im frischen Zustand durchscheinend, so dass man innere Strukturen des Hauses und des Tieres sieht. Am Gewinde sind beim Anblick innere Abgrenzungen der Umgänge, so genannte falsche Nähte zu sehen. Zur Ansicht der eigentlichen Nähte benötigt man an der Oberfläche reflektiertes Licht. Gleiches gilt für das Ansehen der nur schwach ausgeprägten Skulpturierung: Zuwachsstreifen und spiralig verlaufende Linien.

Das hornige Operculum hat nur wenige Windungen.

Die Schnecken haben lange, schlanke, zylindrische Fühler und eine lange, ausfahrbare Proboscis, die sie in ihre Wirtstiere bohren. Eine Radula fehlt (daher die älteren Bezeichnungen Aglossa und Gymnoglossa). Der Fuß ist vorne mit einer großen vorderen Schleimdrüse versehen. Bei weniger stark abgeleiteten Eulimidae ist der Fuß lang und schlank mit einem wohl entwickelten Propodium. Viele Arten der Familie haben um ihren Mund herum eine kragenartige Ausstülpung, das Pseudopallium (Scheinmantel), das bei einigen endoparasitischen Schnecken das gesamte Schneckenhaus bedecken kann.

Die Morphologie der Schnecken variiert in dieser Familie recht stark je nach Wirtstier, bei dem es sich in der Regel um eine Art der Seegurken, Seeigel, Seesterne oder Schlangensterne handelt. Die Schnecke ist meist dauerhaft durch ihre Schnauze oder Proboscis an ihrem Wirt verankert.

Die Schnecken sind getrenntgeschlechtlich mit innerer Befruchtung. Viele Vertreter der Familie zeigen einen ausgeprägten Sexualdimorphismus, bei dem die Männchen ein Zehntel bis 0,7-mal so groß wie die Weibchen sind. Aus den Eiern schlüpfen in den meisten Fällen Veliger-Larven, die eine längere Phase als Zooplankton durchmachen und sich dabei von Plankton ernähren. Es gibt jedoch auch Arten mit direkter Entwicklung, bei denen die Embryonen mit Dotter ernährt werden und aus den Eikapseln fertige Schnecken schlüpfen. In der Gattung Melanella kommen beide Entwicklungstypen vor.

Vorkommen, Verbreitung und Artbeispiele mit Wirtstieren

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Die Eulimidae sind in allen tropischen, subtropischen, gemäßigten, arktischen und antarktischen Meeren verbreitet. Sie leben sowohl in flachem Wasser als auch in großen Tiefen bis hin ins Abyssal.

In der Nordsee lebt unter anderem Eulima bilineata, die an Schlangensternen (Ophiothrix fragilis, Ophiactis balli, Ophiopholis aculeata) saugt.[1] Ein weiterer Ektoparasit an Schlangensternen ist die im Mittelmeer und im östlichen Atlantischer Ozean bis zu den Britischen Inseln verbreitete Eulima glabra. Die an den Galápagos-Inseln lebende Eulima encopicola parasitiert am Sanddollar Encope micropora.[2] Die Schnecken der Gattung Echineulima leben an Seeigeln, so die um Réunion lebende Echineulima eburnea an Heterocentrotus trigonarius.[3] Curveulima shoplandi ist wiederum an der Unterseite des im Indopazifik häufigen Knotigen Walzenseesterns (Protoreaster nodosus) zu finden.[4] Vertreter der Gattung Parvioris leben ausschließlich an Seesternen, während Schnecken der Gattung Melanella an Seegurken parasitieren, so die auch in der Nordsee lebenden Melanella lubrica und Melanella alba – letztere unter anderem an Neopentadactyla mixta – sowie die im Mittelmeer und Ostatlantik verbreitete Melanella polita an verschiedenen Holothurien. In der Gattung Vitreolina kommt Parasitismus sowohl an Seeigeln als auch Schlangensternen und Seegurken vor.[5] Die auch in der Deutschen Bucht und der Ostsee anzutreffende Vitreolina philippi scheint im Mittelmeer den Steinseeigel (Paracentrotus lividus) vorzuziehen, doch ist sie auch auf dem Strandseeigel (Psammechinus miliaris) anzutreffen.[6][7] Die Schnecken der Gattungen Thyca und Stilifer befallen Seesterne, erstere als Ektoparasiten und letztere als teilweise Endoparasiten.[8] Der Kometenstern (Linckia multifora) des Indopazifiks wird gleich von drei häufigen Parasiten aus der Familie Eulimidae befallen: Während Thyca ectoconcha und Thyca crystallina an der Unterseite des Seesterns auf der Haut sitzen und diese als Ektoparasit mit ihrer Proboscis durchbohren, dringt Stilifer linckiae ganz in den Seestern ein und lebt als Endoparasit geschützt in einem Arm unter der Haut, die zu einer Galle anschwillt, wobei die Schnecke durch eine Öffnung noch Zugang zum Außenwasser hat.[9] Im sonnensternartigen Seestern Heliaster cumingi parasitiert in ähnlicher Weise die Schnecke Stilifer astericola.[10][11] Eine Ausnahme hinsichtlich des Wirtstiers bildet innerhalb der Eulimidae die in Malaysia gefundene Echiuroidicola cicatricosa, die am Igelwurm Ochetostoma erythrogrammon parasitiert.[12]

Gänzlich an eine endoparasitäre Lebensweise angepasst ist Entoconcha mirabilis, die in der Klettenholothurie Oestergrenia digitata[13] im Mittelmeer lebt. Nur das Jungtier ist noch als Schnecke erkennbar, das adulte Weibchen dagegen hat die Gestalt eines einfachen Schlauchs. Die Biologie dieser Schnecke wurde im 19. Jahrhundert zunächst von Johannes Peter Müller und sodann Albert Baur untersucht.[14] Ähnlich weit an ein Leben als Endoparasit angepasst sind die Schnecken der Gattungen Entocolax und Enteroxenos, die ebenfalls in Seegurken leben, so beispielsweise Entocolax ludwigii, die in der Seegurkenart Myriotrochus rinkii parasitiert.[9] Ebenfalls ganz endoparasitisch, jedoch in Seesternen, sind die Schnecken der Gattung Asterophila mit der im Westpazifik häufigen Art Asterophila japonica, die sich in verschiedenen Seesternarten findet, darunter in Leptychaster anomalus und Ctenodiscus crispatus.[15]

Nach Bouchet und Rocroi (2005) bildet die Familie Eulimidae mit der Familie Aclididae G.O. Sars, 1878 die Überfamilie Eulimoidea. Die Familie Eulimidae hat mehrere hundert Arten in etwa 101 Gattungen.[16]

Die Familie Entoconchidae Keferstein 1864, in der von manchen Autoren die Gattungen Entoconcha und Entocolax[17] zusammengefasst werden, ist laut Bouchet ein Synonym von Eulimidae.[18]

  • Stephan Clessin: Die Familie der Eulimidae. Systematisches Conchylien-Cabinet. Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg 1902.
  • Michel Jangoux (1981): Diseases of Echinodermata. 11. Agents metazoans (Mesozoa to Bryozoa) (PDF; 4,1 MB). Diseases of Aquatic Organisms 2, S. 205–234. Eulimidae: S. 218–228.
  • Anders Warén: A Generic Revision of the Family Eulimidae (Gastropoda, Prosobranchia). Journal of Molluscan Studies 49 (Supplement 13), S. 1–96, 1983, hier S. 76–80. doi:10.1093/mollus/49.Supplement_13.1
  • Enzo Campani: Eulimidae Mediterranee (PDF; 1,5 MB). Documenti del Gruppo Malacologico Livornese, 2001 (italienisch).
  • Enzo Campani: La Famiglia Eulimidae in Mediterraneo (PDF; 3,8 MB). Documenti del Gruppo Malacologico Livornese, 1999 (italienisch).
  • John W. Tunnell, Jean Andrews, Noe C Barrera, Fabio Moretzsohn: Encyclopedia of Texas Seashells: Identification, Ecology, Distribution, and History. Texas A&M University Press, College Station (Texas) 2010. 512 pp. Eulimidae: S. 196.
  • Alastair Graham, Alastair Graham (F.R.S.): Molluscs: Prosobranch and Pyramidellid Gastropods. Keys and Notes for the Identification of the Species. Linnean Society, London 1988. Eulimidae H. & A. Adams, 1853: S. 516.
  • Philippe Bouchet & Jean-Pierre Rocroi: Part 2. Working classification of the Gastropoda. Malacologia, 47: 239-283, Ann Arbor 2005 ISSN 0076-2997
  • Winston Ponder & David Lindberg, Towards a phylogeny of gastropod molluscs; an analysis using morphological characters. Zoological Journal of the Linnean Society, 119: 83-265, London 1997 ISSN 0024-4082
  • Frank Riedel: Ursprung und Evolution der "höheren" Caenogastropoda. Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, Reihe E, Band 32, Berlin 2000, 240 S., ISBN 3-89582-077-6.
Commons: Eulimidae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ivan O. Nekhaev (2011): Two species of parasitic molluscs new for Russian seas (PDF; 1,0 MB). Ruthenica 21 (1), S. 69–72.
  2. Heinke Schultz, Hemdingen (2005), S. 5.
  3. Heinke Schultz, Hemdingen (2005): Interaktionen zwischen Mollusken und Seeigeln (PDF; 3,7 MB), S. 4.
  4. Shell Encyclopedia :: List View – Curveulima shoplandi
  5. Danilo Scuderi, Francesco Criscione (2011): New ecological and taxonomical data on some Ptenoglossa (Mollusca, Caenogastropoda) from the Gulf of Catania (Ionian Sea) (PDF; 4,8 MB). Biodiversity Journal, 2 (1), S. 35–48.
  6. Constantine Mifsud (1990): Vitreolina philippi (Ponzi, de Rayneval & van den Heck, 1854) found living on the echinoid Paracentrotus lividus (Lamarck) in infralittoral Maltese waters. Bolletino Malacologico 26, S. 165–168.
  7. A. Bertrand: Four specimens living on the dorsal face of a Psammechinus miliaris (P.L.S. Müller, 1771), seen at low tide, among rocks, Saint-Jean-de-Luz, Iparraide, SW France.
  8. Thomas W. M. Cameron: Parasites and Parasitism. Wiley, New York 1956. S. 199–201.
  9. a b D. R. Khanna: Biology Of Mollusca. Discovery Publishing House, Delhi 2004. 19. Parasitism. S. 300–304. ISBN 8171418988.
  10. Anders Warén: Revision of the Genera Thyca, Stilifer, Scalenostoma, Mucronalia and Echineulima (Mollusca, Prosobranchia, Eulimidae). Zoologica Scripta 9, 1980, S. 187–210.
  11. Philip Henry Gosse (1854). Natural History – Mollusca. S. 192. Hier Stylifer astericola und Asterias Solaris: Laut Christopher Mah (2009), WoRMS ist Asterias solaris Carpenter, 1856 Synonym von Heliaster cumingi (Gray, 1840); hier geht es nicht um das Homonym Asterias solaris Schreber, 1793, das laut Christopher Mah (2017), WoRMS Synonym von Acanthaster planci (Linnaeus, 1758) ist.
  12. Anders Waren (1980): Descriptions of New Taxa of Eulimidae (Mollusca, Prosobranchia), with Notes on Some Previously Described Genera. Zoologica Scripta 9, S. 283–306.
  13. bei Baur: Synapta digitata Montagu, 1815, laut G. Paulay (2012), World Register of Marine Species: Oestergrenia digitata (Montagu, 1815)
  14. Alfred Brehm: Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs. Große Ausgabe. Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1893. Schneckenschlauch der Holothurie. S. 406–410.
  15. T. Sasaki, K. Muro, M. Komatsu: Anatomy and ecology of the shell-less endoparasitic gastropod Asterophila japonica Randall and Heath, 1912 (Mollusca: Eulimidae). In: Zoological science. Band 24, Nummer 7, Juli 2007, S. 700–713, doi:10.2108/zsj.24.700, PMID 17824778.
  16. World Register of Marine Species, Eulimidae Philippi, 1853
  17. Andreas Altnöder, Jens Michael Bohn, Ina-Maria Rückert, Enrico Schwabe (2007): The presumed shelled juvenile of the parasitic gastropod Entocolax schiemenzii Voigt, 1901 and its holothurian host Chiridota pisanii Ludwig, 1886 (Gastropoda, Entoconchidae – Holothuroidea, Chiridotidae) (Memento des Originals vom 30. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fundacionhuinay.cl (PDF; 781 kB). Spixiana 30 (2), S. 187–199.
  18. World Register of Marine Species, Entoconchidae Keferstein, 1864